Ausgabe 2-2024 : Mai

Mit der Frau, nicht gegen sie

EVA ist die Beratungsstelle für Schwangerschaft, Sexualität und Pränataldiagnostik der Diakonie in Bonn. Hier finden Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, Beratung und Hilfe. Mit der Beratungsbescheinigung, die man danach erhält, kann und darf eine Ärztin oder ein Arzt den Abbruch vornehmen.

EVA liegt im zweiten Stock eines schmucklosen Hauses an einer vielbefahrenen Straße. Ein schmaler Gang führt vorbei an einem Wartebereich mit Spielecke, Büros und einer Kleiderkammer für Säuglinge und Kleinkinder. Ganz hinten befindet sich der "Konfliktraum", den EVA eigens für Beratungen eingerichtet hat. Zwei große Fenster lassen viel Licht in den hell eingerichteten Raum mit gemütlichen Sofas und ästhetischen Bildern an den Wänden. Die geschlossenen Fenster halten den Straßenlärm draußen.

Es betrifft alle Frauen im gebärfähigen Alter

Man könnte meinen, dass vor allem ganz junge Frauen aus Unwissenheit ungewollt schwanger werden. Tatsächlich kommen größtenteils Frauen zwischen 25 und 35 Jahren zur Konfliktberatung, sagt Claudia Küster. Sie ist Leiterin der Einrichtung und Teil des vierköpfigen Frauenteams, das hier Frauen in Konfliktsituationen berät. "Das betrifft eigentlich alle Frauen im gebärfähigen Alter", sagt sie. "Studentinnen, Bürgergeldempfängerinnen, Mütter, Geflüchtete, quer durch alle Schichten. Jede Frau kann schwanger werden, auch mit Verhütung."

In ihrem "Konfliktzimmer" fragt Claudia Küster Schwangere, wie sie ihnen helfen kann.

Ein Großteil der Frauen ruft gleich an, wenn sie erfahren, dass sie schwanger sind. Manche wissen dann noch nicht, ob sie die Schwangerschaft abbrechen oder das Kind austragen wollen. Andere wissen schon seit ein paar Tagen von ihrer Schwangerschaft und brauchen nur einen Termin für ein Gespräch, um den Schein zu bekommen. Der Termin bei EVA bekommen sie sehr schnell. An jedem Wochentag wird ein Termin für spontane Gespräche freigehalten, denn die Zeit drängt, da ein Abbruch nur bis zur zwölften Schwangerschaftswoche möglich ist.

Scham und Schuldgefühle

Ungewollt schwanger zu werden und über einen Abbruch nachzudenken, ist mit viel Scham und Schuldgefühlen verbunden. Ein großes Tabu. Frauen, die zur Beratung kommen, haben oft mit niemandem über ihre Situation gesprochen. Weder mit dem Partner noch mit der besten Freundin oder der Familie. Meistens kommen die Frauen allein in die Beratung, und es ist oft der einzige Moment, in dem sie frei über ihre Situation sprechen können.

"Indem ich den Frauen sage, dass sie auf jeden Fall den Schein bekommen, nehme ich ihnen die Angst frei zu sprechen", beschreibt Küster ihre Beratungsstrategie. "Dann frage ich, wie ich helfen kann." Wie das Gespräch weitergeht, hängt von der Situation ab, in der sich die Frau befindet. "Es ist etwas anderes, wenn eine Frau sagt, sie habe schon fünf Kinder und könne auf keinen Fall noch ein sechstes bekommen, als wenn eine Frau gar nicht weiß, was sie machen soll. Da spreche ich natürlich anders", sagt Küster.

"Unabhängig von der Entkriminalisierung ist mir bei der ganzen Thematik wichtig, dass keine Frau für ihre persönliche Entscheidung ein Kind abzutreiben verurteilt oder ausgeschlossen wird. Als Außenstehende*r kann einem nie klar sein, welche persönlichen Entscheidungen hinter diesem Schritt stehen. Das negative »Mit-dem-Finger-auf-andere-zeigen« ist in unserer Gesellschaft aktuell schon viel zu verbreitet."

Tamara Kieser, Diözesanvorsitzende Bamberg

"Ergebnisoffen aber für das Leben"

Das Gesetz sieht vor "ergebnisoffen, aber zum Schutz des ungeborenen Lebens" zu beraten. Das heißt, die Frauen sollen ermutigt werden, das Kind auszutragen. EVA bietet den Frauen tatkräftige, organisatorische, finanzielle und seelische Unterstützung, wenn sie das Kind austragen, informiert über Hilfsmöglichkeiten und ist für sie da. So kann eine Perspektive entwickelt werden, die Mutterschaft möglich macht. Der Leitgedanke von EVA lautet: "Mit der Frau, nicht gegen sie". Das beinhaltet auch, eine Entscheidung gegen die Schwangerschaft zu akzeptieren und Frauen zu unterstützen, die sich für einen Abbruch entscheiden. "Durch die Beratung haben wir die Chance, Menschen dabei zu begleiten, eine fundierte Entscheidung zu treffen mit der sie gut leben können", sagt Küster.

Ein gesamtgesellschaftliches Problem

Die Gründe, warum sich Frauen für einen Abbruch entscheiden, sind sehr unterschiedlich. Meist sind es Frauen in schwierigen Lebenssituationen. Der Partner fehlt, geflüchtete Frauen, die bereits mit vielen Kindern auf engstem Raum leben und deren Aufenthaltsstatus ungeklärt ist, schwierige Partnerschaften oder Frauen, die nach langer Erziehungszeit wieder ins Berufsleben einsteigen wollen. "Frauen entscheiden sich oft für den Schritt, weil sie in den sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen keine Möglichkeit sehen ein Kind zu bekommen", sagt Küster. Eigentlich sei es eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung und nicht nur eine der Frau. "Für alle ist die Situation sehr belastend. Hier wird viel geweint", sagt Küster.

Text /Fotos: Barbara Bechtloff

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4 Kommentare

  • Sebastian Schlutz
    vor 1 Woche
    Bei jeder Entscheidung muss immer bewusst sein, dass es um Leben und Tod eines Menschen geht, der schwach und hilflos, noch ohne Stimme ist. Tatsache ist schon heute, dass, obwohl lebensfähig und zu eigenständigem Leben grundsätzlich in der Lage, 96% aller Kinder mit Trisomie 21 vor der Geburt getötet werden. Das ist doch traurig und ein Widerspruch zur gewünschten Vielfalt unserer Gesellschaft. Tatsache ist ebenfalls, dass es viele mildere und zumutbare Alternativen gibt, als eine tödliche Abtreibung mit vielen Nebenwirkungen. Und was ist das für ein Signal, Frauen unter dem Druck von Partnern, Job und Karriere einen Menschen töten zu lassen. Feminismus sollte doch bedeuten, die Frauen zu stärken und ihnen zu helfen, ohne das eigene Kind töten zu müssen. Abtreibung ist das Gegenteil von Feminismus, da weltweit überwiegend ungeborene Mädchen getötet werden.
  • Bernhard Piatza
    vor 1 Woche
    Ein Wort: Entschuldigung , das Wort Sünde habe ich nicht einmal gelesen. Wo sind die Meinungen unserer Hirten
    ( Priester und vor allem Bischöfe ) oder ist die kath. Soziallehre wegen Schwierigkeiten außer Kraft gesetzt. Jetzt müssen wir die Beichte ein klein wenig anders Bewerten und - dann können wir unser leichtes Leben weiterverwässern. Zum heiligen Kommunionempfang ,wenn ich Sonntags zur Hl. Messe gehen sollte, bin ich danach natürlich am Altar ohne Beichte . Kolping war für mich Wertebewußtsein und die Tat, wo sind unsere Lehrer bei Kolping ? Ich habe mich sehr zurückgehalten denke aber das sehr viele sich das bei der Wortwahl nicht vorstellen können. MfG TREU KOLPING BERNHARD Piatza
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