Ende 2017 wurde eine Ärztin wegen des Verstoßes gegen das Werbeverbot für den Schwangerschaftsabbruch aus § 219a des Strafgesetzbuchs verurteilt. Dieses Urteil war die Initialzündung für weiterführende Überlegungen zur Reform des Abtreibungsrechts, die die gesellschaftspolitische Debatte seither stark geprägt haben. Der § 219a wurde 2022 aufgehoben. Doch die Diskussion ging weiter und zielt auf die Herausnahme des Schwangerschaftsabbruchs insgesamt aus dem Strafrecht. Neben der Abschaffung von § 219a wurde dazu im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung die Einrichtung einer Expertenkommission zur reproduktiven Selbstbestimmung vereinbart.
Diese Kommission, deren Auftraggeber die Bundesminister der Gesundheit (SPD) und der Justiz (FDP) sowie die Bundesfamilienministerin (Grüne) sind, wurde Ende März 2023 eingesetzt. Der Arbeitsgruppe 1, die sich mit den Möglichkeiten einer Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches beschäftigte, gehörten ausschließlich Frauen an, überwiegend Wissenschaftlerinnen. Einige dieser Expertinnen weisen deutliche Bezugspunkte zu Interessengruppen auf, die sich für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts einsetzen, zum Beispiel zu Pro Familia und dem Deutschen Juristinnenbund. Die christlichen Kirchen sind bei der Besetzung der Kommission nicht berücksichtigt worden. Einen Abschlussbericht legte die Kommission Mitte April 2024 vor. Darin empfiehlt sie, Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen zu legalisieren, und stellt es in das Ermessen des Gesetzgebers, dies mit einer Beratungspflicht zu verbinden. Ab der 22. Woche soll nach dem Votum der Expertinnen ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig bleiben. Für die Phase zwischen der 12. und der 22. Woche könne der Gesetzgeber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch straffrei sein solle. Inwieweit die Bundesregierung den darin geäußerten Handlungsempfehlungen folgen will und ob sie eine Reform noch in der laufenden Legislaturperiode angeht, stand zum Redaktionsschluss noch nicht fest.
Die Ampel-Fraktionen lassen in der Frage der Verankerung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafrecht bislang kein einheitliches Bild erkennen. Folgt man den bisherigen Aussagen der Fachpolitikerinnen und -politiker, zeichnet sich tendenziell eine regierungsinterne Opposition der FDP, die den Status Quo verteidigt, gegenüber SPD und Grünen ab, die den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafrecht nehmen wollen. Allen ist dabei gemeinsam, dass es nicht nur um gleichstellungspolitische, medizinische oder ethische Argumente geht, sondern immer auch um eine verfassungsrechtliche Auseinandersetzung.
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