Klaudia: Der Vorwurf, sich dem Zeitgeist zu unterwerfen, ist manchmal auch ein Totschlagargument. Wo ist denn die Grenze zwischen Zeitgeist und notwendiger Entwicklung? Wir laufen nicht irgendwelchen Modeerscheinungen hinterher, sondern es sind ja schon diese sogenannten Megatrends: Globalisierung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit – da will ja hoffentlich keiner mit uns diskutieren, dass das Zeitgeisterscheinungen sind. Das ist gesellschaftliche Entwicklung, vor der man die Augen nicht verschließen darf. Mit Blick auf die Diversität finde ich auch nicht, dass das Zeitgeist ist, sondern dass die Zeit reif für eine Weiterentwicklung, für eine Veränderung des Blickwinkels und für eine Weitung des Denkens ist. Also: den Vorwurf, dass wir uns dem Zeitgeist beugen, den würde ich überhaupt nicht gelten lassen. Da würde ich eher zurückgeben: Das sind die Ewiggestrigen, die sich mit überhaupt nichts auseinandersetzen wollen.
Sascha: Ich kann direkt an Klaudias Ausführungen anschließen. Ich schaue mir immer an, was ist gut und was möchte ich bewahren. Und was muss dringend verändert werden. Genauso haben wir in der Kommission gearbeitet. Wir haben geschaut: Was ist uns nach wie vor wichtig und was im „alten“ Leitbild hat nach wie vor seine Gültigkeit? Wo ist einfach die Zeit und wo ist auch Wissenschaft weitergegangen? Also ich würde kein Grundsatzprogramm oder Leitbild ernst nehmen, dass nicht auf Themen wie Diversität, Klimaschutz, Nachhaltigkeit oder ein erweitertes Familienbild eingeht. Wir haben viel diskutiert – auch kontrovers. Deshalb werden hoffentlich alle das Ergebnis mittragen können. Es gibt eine gesellschaftliche Weiterentwicklung und die wollen wir auch abbilden.
Katharina: Ich muss da ein bisschen an das Kolping-Zitat denken: die Nöte der Zeit erkennen. Das ist ein Aufruf an uns, eben nicht immer das Gleiche zu machen, sondern zu gucken: welche Themen sind jetzt aktuell. Wir reden nicht von einem Leitbild, dass fünf Jahre alt ist, sondern von einem, dass 22 Jahre alt ist. Um das mal deutlich zu machen: Ich war vier Jahre alt, als das Leitbild beschlossen wurde. Wir sind in einer extrem schnelllebigen Welt und es geht nicht darum, irgendwelchen Themen hinterherzurennen. Aber wir lassen es auch nicht einfach laufen, sondern klären, was uns in dieser digitalisierten oder auch globalisierten Welt wichtig ist. Digitalisierung und Globalisierung werden passieren, egal ob wir uns dazu äußern oder nicht. Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass das die Realität ist. Deswegen renne ich nicht dem Zeitgeist hinterher, sondern ich positioniere mich zu neuen Entwicklungen. Digitalisierung gibt uns Mittel und Wege, mit denen wir arbeiten wollen. Aber sie birgt auch Gefahren und dann müssen wir auf die Nöte, die dadurch entstehen – wie zum Beispiel Bildungsschwierigkeiten – reagieren. Wir müssen dort aufpassen, dass bildungstechnisch niemand auf der Strecke bleibt. Das wichtige an diesen neuen Themen ist, dass wir sie nicht einfach laufen lassen.