Treffpunkt: Ebertplatz. Frische Luft, Abstand – coronakonform. Im Hintergrund plätschert das Wasser des Springbrunnens gegen matte silberne Edelstahlscheiben und sorgt so für eine kühlende Brise. Doch selbst ohne sie lässt es sich an diesem Juni-Nachmittag bei angenehmen 24 Grad hier auf dem größten Platz der Kölner Ringstraßen gut aushalten. „Es ist schon verrückt“, sagt Nidal Rashow – kurze Haare, dunkler Bart – und blinzelt in die Sonne. Das karierte Hemd trägt er über der hellblauen Jeans. „Genau jetzt vor sechs Jahren saß ich in einem klapprigen Boot auf dem Mittelmeer.“ Als einer von etwa 450 Menschen. Mehr als 300 zu viele, um noch vernünftig navigieren zu können.
Von einer kühlenden Brise keine Spur. Nicht hier, auf hoher See, irgendwo zwischen Libyen und Italien. Nicht an Deck und erst recht nicht im Maschinenraum, der ebenfalls mit Menschen prall gefüllt ist. Sengende Hitze, Hunger, Durst. Rashows Unterlippe ist zu diesem Zeitpunkt längst so spröde, dass sie in der Mitte gerissen ist. Doch seine Gedanken sind damals woanders. „Ich hatte einfach nur gehofft, dass uns eine Hilfsorganisation findet, bevor wir kentern“, erzählt der 35-Jährige in nahezu fehlerfreiem Deutsch. „Lange hätte sich das Boot nicht mehr auf dem Wasser gehalten.“