Bevor er aufs Gaspedal tritt, spricht Bischof Johannes Bahlmann noch kurz ein Vaterunser. Dann steuert er seinen Pick-up rasant über eine buckelige Staubpiste. Die Rinderweiden rechts und links der Straße werden nur ab und zu von Waldstücken unterbrochen. „Hier ist schon alles abgeholzt“, sagt er. „Schlimm ist das.“
Seit zehn Jahren leitet der Mann, der aus dem niedersächsischen Visbek stammt und den hier alle nur Dom Bernardo nennen, die Diözese von Óbidos. Die Stadt mit 50 000 Einwohnern liegt am Ufer des Amazonas im brasilianischen Bundesstaat Pará. An diesem heißen Nachmittag ist er auf dem Rückweg aus Alenquer, dem nächsten größeren Ort. Er hat dort ein kleines, von Ordensschwestern geleitetes Krankenhaus besucht. Es gilt vor allem wegen seiner Geburtsstation, die vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat gefördert wird, als eines der besten Hospitäler der Region. Rund drei Stunden dauert die Rückfahrt nach Óbidos – gar nicht so lang, wie Dom Bernardo betont. Seine Reisen dauern sonst länger.
Die Diözese des 59-Jährigen ist eine der größten in Brasilien, sie reicht vom Amazonas bis an die Grenze zu Surinam. Diese ländliche, größtenteils von Dschungel bedeckte Region gehört zu den konfliktreichsten des Landes. Hier herrschen eigene Gesetze. Es geht rauer zu, der Staat ist weit weg und die Infrastruktur prekär. Großgrundbesitzer, Holzfäller und Viehzüchter geben den Ton an. Die Situation ist durchaus mit der im „Wilden Westen“ vergleichbar. „Man braucht Mut und Vertrauen, wenn man hier etwas bewirken will“, sagt Dom Bernardo und weicht einem Schlagloch aus.
Drei besonders drängende Probleme gibt es für den Bischof. Da sei erstens die Umweltzerstörung. Sie nehme immer beunruhigendere Ausmaße an, insbesondere seit Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro den Amazonas praktisch zur Ausbeutung frei gegeben hat – ohne Rücksicht auf Ureinwohner, Kleinbauern und Fischer. Der Amazonas werde von der Regierung an transnationale Konzerne verscherbelt, meint der Bischof.
Damit eng verbunden sei eine tiefe soziale Ungerechtigkeit. „Viele Menschen in meiner Diözese sind arm, sie besitzen kein oder nur sehr wenig Land“, sagt Bischof Bahlmann. „Sie leben häufig von der Hand in den Mund.“ Ihnen gegenüber stünden wenige, sehr reiche Großgrundbesitzer, die meist mit der Politik verbandelt seien.
Als dritte große Herausforderung nennt Dom Bernardo die Ausmaße seiner Diözese. Sie ist halb so groß wie Deutschland, hat aber lediglich eine Handvoll Straßen. „Es ist nicht einfach für mich, bei den Menschen präsent zu sein“, erklärt Dom Bernardo. „Aber ich versuche es.“