Ausgabe 1-2023 : Februar

Kriegsschauplatz Ukraine - Kolping wirkt!

Die große Spenden- und Hilfsbereitschaft für Kolpinggeschwister und die Menschen in der Ukraine lässt sich kaum in Worte fassen. Stellvertretend für die vielen Aktionen werden hier zwei Initiativen vorgestellt.

 

Andreas Blümel (2.v.rechts) mit seiner Familie bei der Spendenübergabe an die Kolpingsfamilie Iwano-Frankivsk, in der Ukraine

Der Diözesanverband Erfurt und das Band der Freundschaft

„Es gibt auf der ganzen Welt kein Band so stark wie das Band des Herzens“, sagte einst Adolph Kolping.

Seit 16 Jahren besteht ein solches freundschaftliches Band zwischen dem DV Erfurt und einigen ukrainischen Familien. Sie alle leben im Westen der Ukraine, in der Nähe von Burschtin. 26 Patenkinder, mittlerweile im Alter zwischen 16- und 17 Jahren, werden monatlich vom DV Erfurt finanziell unterstützt.

Andreas Blümel, Mitglied im Bundesvorstand, war mit seiner Familie schon sehr häufig vor Ort. Er kennt die Menschen und ihre Sorgen gut: „Die Familien dort leben in sehr einfachen Verhältnissen, in dörflicher Umgebung und kommen kaum über die Runden“, sagt er.

Aus jeder Familie jemand an der Front

Als Blümel vom Schicksal eines der Patenkinder erzählt, ist ihm die Betroffenheit deutlich anzumerken: "Leider mussten wir im April erfahren, dass der Vater eines unsere Patenkinder an der Front gefallen ist; da die Mutter bereits vor Jahren starb, wird der Junge jetzt von der Großmutter betreut und aufgezogen."

Da aus fast jeder Familie jemand an der Front kämpft, wird das vermutlich kein Einzelfall bleiben. Sorgenvoll bewältigen die Menschen ihren Alltag, versuchen ein bisschen Normalität aufrecht zu erhalten. Doch obwohl eine Flucht möglich wäre, entscheiden sich die Menschen dazu vor Ort auszuharren. Blümel hat verstanden, warum das so ist: "Immer wieder habe ich den Familien vor Ort angeboten, Ihnen bei der Flucht zu helfen. Habe ihnen gesagt, dass wir ihnen Unterkünfte besorgen. Doch bis jetzt haben sie das Angebot immer wieder ausgeschlagen. Die Menschen dort sind stolz auf ihr Land und wollen sich nicht vertreiben lassen – sonst hat Putin gewonnen, sagen sie."

Kolpingmitglieder verpacken Spenden zum Transport
Alle Pakete müssen ins Auto- gar nicht so leicht
Andreas Blümel mit seiner Frau (ganz rechts) bei der Übergabe von Spenden in der Ukraine
Familie Blümel hier bei der Übergabe von Medizinischen Hilfsmitteln
Im April überführte Andreas Blümel ein Feuerwehrfahrzeug

Mit Weitsicht helfen

Spätestens nach den vielen Angriffen auf das Kraftwerk, war Blümel klar, dass eine stabile Stromzufuhr auf Dauer nicht mehr gewährleistet werden kann. Strom aber ist sehr wichtig für die Menschen vor Ort. Nicht zuletzt, weil auch die Winter in dieser Region meist sehr hart sind. Als er erstmalig die Idee vorstellte, neben den bisherigen Güter-Hilfslieferungen auch Notstrom-Aggregate und Powerbanks zu organisieren, wurde er von vielen belächelt. "Niemand hat sich vorstellen können, wie lang und umfangreich dieses Kriegsgeschehen sein würde. Die Leute fragten mich, wofür willst du sowas organisieren? Die Leute haben doch Strom." Doch Blümels Weitsicht und Hartnäckigkeit bewährt sich, denn im Kriegswinter 2022/23 sind Stromausfälle an der Tagesordnung. Viele Ukrainer*innen frieren. Gemeinsam mit Angestellten der ukrainischen Regierung konnten die Geräte gezielt verteilt werden und verschaffen den Menschen ein Stück Normalität.

Aber auch zu Hause in Deutschland engagiert sich der DV Erfurt. Hier werden Unterkünfte für Geflüchtete zur Verfügung gestellt, freie Plätze vermittelt, die Ankunft koordiniert. Gemeinsam mit der örtlichen Kirchengemeinde wurde außerdem ein Ort der Zusammenkunft geschaffen. Täglich sind die Blümels vor Ort. Frau Blümel ist selbst gebürtige Ukrainerin und unterstützt die Hilfesuchenden beim Ausfüllen wichtiger Dokumente und erläutert wichtige Details. Manchmal begleitet sie Menschen auch zum Arzt und übersetzt dort, damit Missverständnisse vermieden werden können. Außerdem kümmert sie sich um Mietangelegenheiten und kauft ein. "Ich bin eigentlich immer in Bewegung, es gibt immer etwas zu tun, ich komme gar nicht zum Luftholen und schon gar nicht zum Nachdenken", sagt auch Andreas Blümel.

Übergabe von medizinischen Hilfsgütern in der Ukraine

Der Raum wird gut angenommen. Aber es geht nicht nur um aktives Helfen – es ist viel mehr als das. "Es handelt sich um einen Ort an dem Ukrainer*innen sich mit Gleichgesinnten austauschen können. Hier wird gemeinsam gelacht und geweint. Es ist ein geschützter Rahmen, an dem jeder willkommen ist", sagt der 58-jährige.

Für viele Ukrainer*innen ist das große Hilfsangebot nicht selbstverständlich. Gerne bringen sie ihre Dankbarkeit zum Ausdruck, indem sie ihrerseits mithelfen, wo sie können. Vor kurzem haben die Vertriebenen zum Dank z.B. ein großes weihnachtliches Festessen ausgerichtet. Sie bereiteten gemeinsam traditionelle ukrainische Speisen vor. Es wurde ein schöner Abend, der allen Trost spendete und das Leid für einen kurzen Augenblick in den Hintergrund verbannte. "Alle saßen zusammen, das Essen war unglaublich lecker und alle haben sich an schöne Momente erinnert und einander Geschichten aus besseren Zeiten erzählt. Das war ein besonderer Abend – auch für uns", betont Blümel.

Er selbst schätzt die ukrainische Kultur. Ein Schmunzeln huscht über seine Lippen, während er versucht, seine Bewunderung zum Ausdruck zu bringen: "Die Ukrainer*innen sind ein sehr fröhliches, emotionales Volk. Gewöhnlich lassen sie kein Fest aus, es gibt immer einen Grund zusammen zu kommen, um zu feiern."

„Kein Band so stark wie das Band des Herzens“ – Gemeinschaft leben und eben jenes Band stärken – der DV Erfurt geht mit gutem Beispiel voran.


Fotos: Andreas Blümel/DV Erfurt

Der DV Augsburg und sein Engagement für die Ukraine - Oder: Wie der Domino-Effekt alle überraschte

"Alles begann mit der Idee, eines Spendenlaufes... Doch was sich daraus noch entwickeln sollte, das hat zu dem Zeitpunkt niemand erwartet", erzählt Thorsten Schröder, Regionalbeauftragter im Diözesanverband (DV) Augsburg. Gleich zu Kriegsbeginn hatte der DV Augsburg eine Sammelstelle eingerichtet. Kleidung, Bettzeug, Schlafsäcke und allerlei andere Hilfsgüter wurden hier gesammelt. Bis Juni 2022 füllte der DV mehrere 40-Tonner, die ihren Weg in die Ukraine fanden.

Einer der LKW die von Augsburg in die Ukraine fuhren

Als sich die Bedürfnisse im Kriegsgebiet ändern, muss die Hilfsstrategie angepasst werden. "Zu dem Zeitpunkt war die Nachfrage nach Medizin, Verbandsmaterialien und Pflastern sehr hoch", erklärt der Ehrenamtler. Also stecken die kreativen Kolpingmitglieder erneut die Köpfe zusammen und tüfteln an einem neuen Vorhaben. Es soll einen Spendenlauf geben. Dann kommt plötzlich jemand auf die Idee: "Wie wär‘s denn, wenn wir die Verbandskästen in den Autos (der Besucher) prüfen lassen. Wer einen neuen braucht, soll das Material aus dem alten Kasten, das noch gut ist, an die Ukraine spenden." Alle sind sich einig, dass das eine gute Idee ist.

Kurzerhand fragt der DV Augsburg die ADAC-Niederlassung in der Nähe an und erhält zunächst eine Absage, weil die Aktion so nicht durchführbar sei. "Da waren wir natürlich erstmal geknickt. Aber man gab uns den Hinweis, es gäbe da noch eine bessere Idee, das müsse aber erst intern besprochen werden. Also haben wir erstmal abgewartet."

Der Ball kommt ins Rollen

Wenige Tage später meldet sich der ADAC zurück. Man wolle die Aktion "etwas größer" aufziehen und den Leuten über einen längeren Zeitraum die Möglichkeit einräumen, ihre Verbandskästen zu spenden. Die Aktion Dein Verbandskasten für die Ukraine ist geboren. "Ich hatte keine Ahnung, was da auf uns zukommen würde!", erinnert sich Thorsten Schröder

Während die Augsburger Helfer*innen andere Kolpingfamilien über ihr Vorhaben informieren, findet die Aktion ihren Weg ins Radio. Der Sender Bayern3 verschreibt sich der Sache und ruft anderthalb Monate lang stündlich zum Spenden von Verbandskästen auf. "Dadurch haben wir unheimlich viele Menschen erreicht. Entsprechend war der Rücklauf", erzählt Thorsten Schröder.

Ein Kolpinggruppenfoto während der Aktion "Dein Verbandskasten für die Ukraine"
Die Hilfsaktion: "Dein Verbandskasten für die Ukraine" wurde in ganz Bayern bekannt.

Die Sache nimmt Fahrt auf, und die Aktion Dein Verbandskasten für die Ukraine ist schon bald in ganz Bayern bekannt. Immer mehr Menschen geben ihre Verbandskästen in ADAC-Filialen oder Reisebüros in und um Bayern ab. Viele Firmen bieten ihre Unterstützung an. Eine Firma spendet 450 Kästen. Andere Unternehmen spenden Geld, einige Speditionen ermöglichen kostenlos Transporte mit ihren Fahrzeugen, Fahrer werden kostenlos bereitgestellt. Aus Auflösungen von Arztpraxen erreichten die Sammelstelle Medikamente, Ultraschallgeräte, Krankenliegen und auch Arbeitsbekleidung.

Die Verbandskästen kommen nach weitem Weg bei den Soldaten in der Ukraine an.

Volle (Kolping-)Kraft voraus

Welche Wirkung der Zusammenhalt der Kolpinggeschwister hat, zeigt sich einmal mehr im Erfolg der Hilfsaktion. "Besonders gefreut hat uns, dass so viele Kolpingfamilien aus der Umgebung sich angeschlossen und die Aktion mitgetragen haben. Gemeinsam konnten wir so vielen Menschen in der Ukraine helfen. Das ist ein tolles Gefühl." Thorsten Schröder ist die Begeisterung über das Miteinander bei dem Projekt anzumerken.

Schon bald platzt die Sammelstelle aus allen Nähten. Während täglich weitere Kästen geliefert werden und das Telefon nicht mehr stillzustehen scheint, lassen sich die Kolpingmitglieder des DV Augsburg ausbilden. Mediziner*innen zeigen ihnen, worauf beim Versand von Medikamenten zu achten ist. Nun geht die Arbeit erst richtig los. Die Helfer*innen stehen vor der Aufgabe, 30.000 Verbandskästen sorgfältig zu prüfen. Was viele nicht wissen: Für Hilfslieferungen dieser Art gibt es besonders strenge, gesetzliche Vorschriften. Warndreiecke, Warnwesten aber auch Flüssigkeiten müssen vor dem Versand entfernt werden.

Gemeinsam stemmen die Helfer den wahnsinnigen Andrang, sodass am Ende 25 Tonnen Verbandsmaterial, 58 Tonnen Hilfsgüter und ein Scheck in Höhe von 18.000 Euro den Weg in die Krisenregion findet.

Zwischenzeitlich muss noch ein ganz anderes "Problemchen" gelöst werden. "Bei so viel Material kommt natürlich auch einiges an Müll zusammen", sagt der Regionalbeauftragte. Mehrfach fahren die Kolpinggeschwister mit ihren Privatautos zur Müllkippe. Doch der Müllberg vor der Sammelstelle scheint nicht weniger zu werden; bis plötzlich auch hierzu Hilfe von außen kommt: "Ein lokales Müllunternehmen hat sich dann bei uns gemeldet und sich bereit erklärt zwei Tonnen Müll kostenlos abzuholen. Das hat uns wirklich sehr geholfen und ist nicht selbstverständlich", betont Thorsten Schröder.

Die Aktion Dein Verbandskasten für die Ukraine war ein voller Erfolg und nur eine der vielen Aktionen, die der DV Augsburg auf die Beine gestellt hat.


Fotos: Thorsten Schröder/DV Augsburg