Ausgabe 2-2021 : Mai

Kolpinger durch und durch

Im Alter von 85 ist Heinz Schemken, der Ehrenvorsitzende des Kolpingwerkes Deutschland, gestorben. Er hat das Kolpingwerk geprägt, und Kolping hat ihn sein Leben lang begleitet und geprägt.

1935 wurde Heinz Schemken in Velbert geboren. Bereits mit 25 Jahren wird er in den Rat der Stadt Velbert gewählt. Damit beginnt seine politische Laufbahn. Von 1989 bis 2004 war Schemken Bundesvorsitzender des Kolpingwerkes Deutschland.

"Der Schlosser ward ein Politiker dann“, möchte man über Heinz Schemken sagen – in Anlehnung an ein im Kolpingwerk bestens bekanntes Lied. Eine Marke, ein Typ, unverwechselbar – einer mit Bodenhaftung, auch wenn oder gerade, weil er über viele Jahre in der Bundespolitik und im katholischen Deutschland Verantwortung getragen hat. Wenige Tage vor seinem 86. Geburtstag verstarb der Ehrenvorsitzende des Kolpingwerkes Deutschland in seiner Heimatstadt Velbert. Kolpinggeschwister im ganzen Land und darüber hinaus trauern um einen Kolpingbruder, der sich um das Werk des Gesellenvaters verdient gemacht hat.

1935 in Velbert geboren, erlebt Heinz Schemken die Volksschule noch unter Kriegsbedingungen. Im Alter von 14 Jahren beginnt er eine Handwerksausbildung, der er 1958 die Meisterprüfung als Kunst- und Bauschlosser folgen lässt. Zur handwerklichen Begabung gesellt sich sein Talent, mit jungen Menschen umzugehen. Ab 1963 wird Schemken Ausbilder in der gemeinnützigen Lehrwerkstatt (GWL) der Industrie in Velbert, sechs Jahre später übernimmt er deren Geschäftsführung, die er fast 40 Jahre ausübt. Wer mit ihm zu Lebzeiten über sein „Baby“ spricht, spürt: Da liegt sein Herzblut drin. Eigentlich längst im Rentenalter, ist Heinz Schemken immer noch stets parat, wenn es um Anliegen „seiner“ GWL geht.

Liebe zum und Engagement im Handwerk – es ist nicht verwunderlich, wenn Heinz Schemken bald den Weg zur Kolpingsfamilie findet, die ihn bereits als jungen Mann in Velbert zum Senior wählt. Es bleibt nicht dabei. Schemken ist ein Kümmerer, einer, der auf Leute zugeht. Das spürt auch die örtliche CDU, die ihn 1960 auf ihre Gemeinderatsliste setzt. 25-jährig nimmt er am Ratstisch Platz – der Startschuss für eine lange und steile politische Karriere, die ihn bis nach Bonn und zuletzt nach Berlin führt.

Papst Johannes Paul II. im Gespräch mit dem Bundesvorsitzenden Schemken. Im Oktober 2001 waren rund 12.000 Kolpingmitglieder anlässlich des zehnten Jahrestages der Seligsprechung Adolph Kolpings nach Rom gereist.
Ein historischer Moment auch für Heinz Schemken (2.v.r). Auf der gemeinsamen Vorstandssitzung am 14. September 1990 in Köln stoßen die Verantwortlichen von Kolping Ost und West auf die beschlossene Wiedervereinigung zum gesamtdeutschen Zentralverband an.
Unmittelbar nach der Wahl zum Bundesvorsitzenden 1986 in Mainz: Heinz Schemken (r.) mit dem ausscheidenden Bundesvorsitzenden Paul Hoffacker (l.) und dem damaligen Generalpräses Heinrich Festing (Mitte).

Zunächst aber Kommunalpolitik: 1969 wird Heinz Schemken Bürgermeister in Velbert, und er bleibt es mit fünfjähriger Unterbrechung bis 1998. Ab 1964 führt er fünf Jahre lang den Kreisverband Mettmann der Jungen Union (JU), von 1977 bis 1990 ist er CDU-Parteichef im Kreis. Zusätzlich gehört Schemken zeitweise dem Landesvorstand der CDU Rheinland und dem CDU-Bezirksvorstand Bergisches Land an. Die Menschen in Velbert schätzen „ihren Heinz“. Er ist nämlich immer im Dienst. Auf der Straße, im Büro, am Telefon, abends bei den Vereinen, wo er beispielsweise dem Deutschen Roten Kreuz vorsteht. „Ich kümmere mich darum“, das sagen andere auch. Schemken aber tut es. Die Bevölkerung weiß das. Der „homo politicus“ kandidiert 1983 erstmals für den Deutschen Bundestag, holt insgesamt viermal das Direktmandat im Wahlkreis Mettmann II, seine Erststimmenergebnisse liegen stets deutlich über dem, was seine Partei erzielt. Nur 1998 reicht es nicht ganz, und er ist durch das schlechte Wahlergebnis seiner Partei auf die Landesliste angewiesen.

Seine berufliche Expertise als Handwerksmeister, Ausbilder und Geschäftsführer der GWL bringt Heinz Schemken im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages ein. Ein Praktiker, das Ohr stets an der Basis – mit solchen Leuten arbeitet der Bonner Sozialminister Norbert Blüm besonders gerne. Sie sind gleichermaßen verlängerter Arm und Seismograph für das Kabinett. Schemken arbeitet vergleichsweise unauffällig, aber mit hoher Effizienz, Schlagzeilen braucht er keine. „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“, sagt Helmut Kohl. Das ist bei Schemken eine ganze Menge; nicht nur für seinen Wahlkreis, sondern auch in seiner parlamentarischen Arbeit, die die Sozialpolitik der 1980er und 1990er Jahre mitprägt.

Mit Leidenschaft und Herzblut

Heinz Schemken beherrscht die Pflicht, jetzt kommt die Kür: Als einer von drei Bewerbern wählt ihn die Zentralversammlung 1986 zum Zentralvorsitzenden des Kolpingwerkes und damit zum Nachfolger von Paul Hoffacker. Kommunalpolitik, Bundestag, Kolping – Velbert, Bonn, Köln – das passt nicht nur geographisch, das passt für Heinz Schemken insbesondere emotional. Alles nahe beieinander. Da kann es schon mal vorkommen, dass die Mitglieder des Bundesvorstandes als „meine Damen und Herren“ angesprochen werden, wenn zwischen Plenardebatte und Gremiensitzung gerade einmal zwei Stunden liegen. Was Schemken anpackt, macht er mit Leidenschaft und mit Herzblut. Allerdings: In seiner 18-jährigen Amtszeit an der Spitze des Kolpingwerkes muss er auch schwierige Wegstrecken bewältigen. Exemplarisch dafür stehen die vorübergehende Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Rechtsträgers des Verbandes als Folge einer Parteispendenaffäre 1984, genauso wie die Insolvenz des Kolping-Bildungswerkes Sachsen 2001 und die sich daraus ergebenden existenziellen Konsequenzen für das Kolpingwerk Deutschland. Heinz Schemken trifft da wie dort zwar keinerlei Mitverantwortung, mit den Folgen hat er gleichwohl umzugehen.

Könnte man ihn noch nach den Leuchttürmen seiner Amtszeit fragen, würde er sicher neben der Seligsprechung Adolph Kolpings 1991 in Rom, den 2000 in Dresden abgeschlossenen Leitbildprozess sowie den Kolpingtag 2000 in Köln nennen. Schemken beweist Fingerspitzengefühl, als es darum geht, 1989/90 die Deutsche Einheit im Verband herzustellen, denn die letzten Jahrzehnte sind in Ost und West unterschiedlicher verlaufen, als mancher zunächst glauben mag. Das sind Meilensteine der verbandlichen Entwicklung (nicht nur) für Kolping in Deutschland. Als Heinz Schemken 2004 zum Ehrenvorsitzenden des Kolpingwerkes Deutschland ernannt wird, schreibt Thomas Dörflinger, sein Vorgänger im Amt des Bundesvorsitzenden, in seiner Glückwunschadresse eine kleine Anek­dote: Im Sprachgebrauch des seinerzeitigen Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, ist stets nur vom „Vater Kolping“ die Rede, wenn die Unterhaltung auf Schemken kommt. Eine höhere Anerkennung kann es eigentlich kaum geben.

Entertainer-Qualitäten

Es passt in sein Naturell, wenn er sich nach seiner aktiven Zeit nicht zurückzieht, sondern auf anderen Feldern weiterarbeitet. Sei es als Vorsitzender des Kuratoriums der Gemeinschaftsstiftung oder in anderen ehrenamtlichen Aufgaben in seiner Heimat. Heinz Schemken hat Maßstäbe gesetzt, und deswegen fehlt er: Als Familienvater, als Großvater, als Politiker, als Verbandler durch und durch; selbstverständlich auch als Herzensmenschen und Begleiter mit der Gitarre. Was nur Wenige wissen: Auf ihr sorgt er mit Entertainer-Qualitäten für viele schöne und vergnügte Stunden. Bleibt am Ende zu sagen: Danke für alles, Heinz Schemken!

Fotos: Archiv Kolpingwerk Deutschland