Seit über einem Jahr herrscht Stille auf den Campus. Vorlesungen finden über den Bildschirm statt und selbst Prüfungen oder Leistungsnachweise erbringen die Studierenden von zuhause. Fast könnte man meinen, die akademische Bildung ist in der Gesellschaft ein Stück weit untergetaucht.
Auch im Kolpingverband muss man etwas suchen, um auf das Feld der akademischen Ausbildung zu stoßen. Die Kolping-Bildungsunternehmen und Bildungswerke haben ihren Schwerpunkt häufig auf der beruflichen Ausbildung. Zum kommenden Wintersemester wird ein weiterer hinzukommen: Pünktlich zum 1. September wird die Kolping Hochschule in Köln mit vier Studiengängen unter der Leitung von Gründungskanzlerin Judith Topp und Gründungsrektorin Edith Hansmeier eröffnen. „Lehrmaterialien sind erstellt, alle Lehrenden an Bord und die Anmeldungen von Studierenden laufen.“ Die Vorfreude ist bei Edith Hansmeier deutlich herauszuhören. Das gesamte Team steht in den Startlöchern.
Kolping in den Hörsälen
Im September startet die neue Kolping Hochschule in Köln in ihr erstes Semester. In Litauen gibt es eine solche Einrichtung sogar schon seit 25 Jahren. Über zwei akademische Bildungsinstitutionen, die auf den Werten Adolph Kolpings aufbauen.
Idee der Digitalen Präsenzhochschule
Um die Ursprungsidee der Hochschule aufzugreifen, muss man auf den September 2019 zurückblicken. Damals gründeten die Kolping-Bildungsunternehmen, das Kolpingwerk Deutschland sowie das Kolpingwerk im Bistum Dresden-Meißen die Gesellschaft für die Kolping Hochschule gGmbH. Diese soll in die Berufsfelder der Kolping-Bildungsstätten wirken. „Im Prinzip ging es uns darum, die Lücke im Portfolio zu füllen, die bei den Kolping-Bildungsunternehmen vorhanden war“, erklärt Wolfgang Gelhard, Vorsitzender der Kolping-Bildungsunternehmen, „und das ist die akademische Bildung.“ In Europa fände seit einigen Jahren eine starke Akademisierung von Berufsfeldern statt, die ursprünglich nicht aus dem akademischen Bereich kommen, erzählt Gelhard. Dem könne sich Kolping als Sozialverband nicht entziehen. Fachlich ist das auch im aktuellen Studienangebot erkennbar: „Kindheitspädagogik“, „Soziale Arbeit“, „Gerontologie, Gesundheit & Care“ sowie „Gesundheitspsychologie“ sind die angebotenen Fächer.
Dabei gibt es eine Besonderheit: „Unsere Hochschule ist eine digitale Präsenzhochschule“, erklärt Hansmeier. Die Digitalisierung nehme an Hochschulen immer mehr Einzug – auch ganz unabhängig von der Corona-Pandemie, so die Rektorin. An der Kolping Hochschule sei die Mischung zwischen Digitalisierung und Präsenz von Beginn an in der DNA der Einrichtung enthalten. Alle Studiengänge können somit digital studiert werden; sie beinhalten lediglich alle sechs Wochen Präsenzveranstaltungen vor Ort in Köln.
Durchdachtes Konzept
„Wir haben uns genau überlegt, welche Inhalte an welchem Lernort stattfinden“, erzählt Hansmeier. „Das Thema ‚Embodiment‘ (interdisziplinärer Dachbegriff für das Zusammenspiel von Körper und Geist) geht zum Beispiel mit einem großen Maß an Selbsterfahrung einher – das muss in Präsenz stattfinden“. Andere Inhalte, wie beispielsweise Vorlesungen zu den Grundlagen der Psychologie, können hingegen auch digital gut stattfinden. „Uns geht es letztlich um eine konkrete Ausrichtung an den Lernenden – und das geht nicht ohne Digitalisierung“, betont die Gründungsrektorin.
Dass alles klappt, dafür sorgen insgesamt elf Mitarbeitende – Studiengangsleitungen, ein Systemadministrator, eine E-Learning-Managerin und Studienberatungen. Ihre Büros sowie die Seminarräume befinden sich aktuell im Mediapark in Köln. Dort wurden Räume gemietet, die genutzt werden, bis es im Agnesviertel ein eigenes Gebäude gibt, welches allen Bedürfnissen entsprechend umgebaut wird. Beide Standorte sind zentral an den ÖPNV angebunden und ermöglichen eine unkomplizierte An- und Abreise zu den Präsenzveranstaltungen. Der Großteil der Studiengänge findet jedoch digital statt. Somit ermöglicht es die Hochschule, dass auch berufstätige Personen, die in strukturschwachen Regionen wohnen, ein Studium absolvieren können. „Wir haben bereits zurückgemeldet bekommen, dass Menschen erstmals die Chance erhalten, an einer Hochschule zu studieren, weil es zuvor kein passendes Modell für sie gegeben hat“, berichtet Topp freudig.
Und nicht nur die direkte Rückmeldung ist positiv: Seitdem die Homepage freigeschaltet ist und man an die Öffentlichkeit ging, spüren auch die Mitarbeitenden der Hochschule die Auswirkungen. Zahlreiche Beratungsgespräche und Infoveranstaltungen werden durchgeführt. Auch gab es bereits die Gelegenheit, sich auf einer virtuellen Messe zu präsentieren. Die ersten Studierenden für den Studienstart im September, aber auch für März 2022, haben sich bereits angemeldet.
Um das Studium zu finanzieren, haben die Studierenden die Möglichkeit, ihr Studium über verschiedene Modelle zu finanzieren, die sich in der Länge der Laufzeit unterscheiden. Die Hochschule diskutiert auch jetzt bereits die Einführung von Stipendien. „An den finanziellen Möglichkeiten soll es nicht scheitern, da wollen wir individuelle Lösungen finden“, betont Topp.
Selbstverständlich trägt die Kolping-Hochschule das ,Kolping‘ nicht nur im Namen, sondern auch in ihrer Philosophie. „In einem Markenfindungsprozess haben wir die Stärke der Trägerschaft aufgegriffen und weiterentwickelt“, erklärt Hansmeier. Das zeigt sich in einer Kombination der Werte des Verbandgründers Adolph Kolping mit Offenheit, Verantwortungsbewusstsein und dem internationalen Gedanken der „Community“, in dem gemeinsam und voneinander gelernt wird.
Vorreiter im Ausland
Die Hochschule in Köln ist dabei zwar bundesweit die erste, die sich auf Adolph Kolping beruft, hat im internationalen Vergleich allerdings einen Vorreiter. Bereits 1996 wurde in Kaunas, der zweitgrößten Stadt Litauens, eine höhere Kolping-Schule gegründet, die nach erfolgreicher Akkreditierung fünf Jahre später zur Hochschule – der Kolping University of Applied Sciences, kurz KUAS, geworden ist. Gegründet wurde die Hochschule von der litauischen Kolpingstiftung mit Unterstützung aus dem Diözesanverband Trier, dem Partnerverband des Kolpingwerkes Litauen.
Das ursprüngliche Ziel war es, eine Bildungseinrichtung zu etablieren, die soziale Leitungskräfte ausbildet. Dabei liegt der Fokus nicht nur in der Vermittlung theoretischen Wissens, sondern auch auf der Unterstützung bei der Gestaltung und Entwicklung der Persönlichkeit der Studierenden, wie Ramuné Bagdonaité-Stelmokiené, die aktuelle Rektorin der KUAS, betont.
Die Absolventinnen und Absolventen sollen nicht nur fähig sein, Wissen, welches sie während des Studiums erlernt haben, anzuwenden. Darüber hinaus sollen sie auch gelernt haben, ihre Tätigkeiten im Anschluss auf der Basis christlicher Werte durchzuführen. Diese finden sich auch im Studienprofil wieder. „Im ersten Studienjahr gibt es für alle das Fach ‚Christliche Soziallehre‘, erzählt die Rektorin. „Dabei wird etwas über Kolpings Ideen, Aktivitäten und Geschichte gelehrt.“ Kein Wunder, dass die Studierenden wissen, was es mit dem Verbandsgründer auf sich hat. Auch das Motto der Hochschule geht auf ihn zurück: „Wenn Sie eine bessere Zukunft haben wollen, müssen Sie sie selber schaffen."
Das versuchen die Studierenden in insgesamt drei verschiedenen Fachrichtungen. Vor 25 Jahren begann die Hochschule mit wirtschaftlichen Studiengängen wie BWL oder Finanzbuchhaltung. 2001 wurde das Studienangebot durch das Feld der Sozialen Arbeit ergänzt. Seit 2012 gibt es weitere Studiengänge im Bereich Tourismus und Freizeit.
Alle drei Schwerpunkte stehen dabei unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, der an der Hochschule groß geschrieben wird. Dieser wird dabei aus drei verschiedenen Perspektiven betrachtet: Soziales Wohlergehen, Umweltverträglichkeit und ökonomische Zufriedenheit. Über 25 Jahre hat sich das Profil der Kolping-Hochschule geschärft. „Obwohl sich vieles verändert hat, sind die grundlegenden Werte der KUAS gleich geblieben“, betont Bagdonaité-Stelokiené, die seit 2018 die Hochschule leitet.
Im Jubiläumsjahr stehen verschiedene Aktionen und Veranstaltungen an, wie beispielsweise die Initiative „25 Jahre – 25 Stimmen“. Bei dieser wird die Öffentlichkeit jeden Monat dazu eingeladen, einen näheren Blick auf prägende Persönlichkeiten und Meilensteine der Hochschule zu werfen. Einer davon war sicherlich auch der Neubau eines zweiten Hochschulgebäudes im Jahr 2011, in dem die Hochschule nun mehr Platz hat. Untergebracht sind dort eine erneuerte Bibliothek, ein Lesesaal und Computer-Klassenräume – alles mitten in der Kaunaser Altstadt.
Internationaler Austausch
Wichtig ist der Hochschule bis heute auch der internationale Austausch. Dieser findet einerseits durch das Programm „Erasmus+“ statt, mit dem jährlich ausländische Studierende an der Hochschule studieren können. Aber auch im „Kolping-Kontext“ setzt die Hochschule ihre Philosophie der „community“, der Gemeinschaft, um. So gibt es seit vielen Jahren den „Freundeskreis Litauen“, der von verschiedenen Diözesanverbänden unterstützt wird. Durch Spenden des Freundeskreises können so beispielsweise Stipendien für sozial und wirtschaftlich benachteiligte Studierende finanziert werden.
Und zuletzt findet auch zwischen den beiden Hochschulen – der neu gegründeten in Köln und der Hochschule in Kaunas – ein Austausch statt. „Wir planen mit der Hochschulleitung aus Litauen eine Zukunftswerkstatt, in der die Zusammenarbeit genauer besprochen wird“, berichtet Hansmeier. „Von der Entwicklung gemeinsamer Studiengänge, Projekte oder Module bis hin zu Austauschaktivitäten ist da alles vorstellbar.“ Gemeinsam akademische Zukunft mit den Werten Kolpings gestalten – die beiden Hochschulen in Litauen und Köln sind auf einem guten Weg dorthin. Still wird es auf den Campus in Zukunft nicht bleiben.
Foto: KolpingKolegija und Kolping Hochschule Köln