Ausgabe 4-2022 : Oktober

Endlich wieder Kraft tanken

Nach den schwierigen Coronajahren konnten die gemeinnützigen Familienferienstätten in diesem Jahr wieder den ganz normalen Betrieb aufnehmen. Wie wertvoll diese Orte sind und welchen Beitrag sie zum Wohlergehen von Familien leisten, zeigt ein Besuch in der Kolping-Familienferienstätte Vogelsbergdorf.

Wer die siebenjährige Ludowika fragt, was ihr im Vogelsbergdorf am besten gefalle, bekommt die Antwort: "Alles ist gut – alles, alles, alles!" Ludowika ist das jüngste Kind der Familie Maier aus Lohr am Main. Mit ihren Geschwistern Fridolin (9), Cornelia (14) und Josephine (16) sowie den Eltern Christian (46) und Martina (41) macht sie schon zum fünften Mal Urlaub in der Familienferien­stätte Vogelsbergdorf. "Mittlerweile stellt sich ein Gefühl von Heimat ein", erklärt Christian Maier, Vater der vier Kinder. Seine Frau Martina ergänzt: "Hier wissen wir vom ersten Moment an, wo alles ist und wie es hier läuft."

Die Anlage hat viel zu bieten. Und sie ist sehr genau auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Familien ausgerichtet. Hier kann man sowohl mit der ganzen Familie als auch in den verschiedenen Kleingruppen etwas unternehmen. Aufgrund der Altersspanne der Kinder war es für Familie Maier nicht leicht einen Ort zu finden, an dem alle Mitglieder auf ihre Kosten kommen. Hier ist das mög­lich. Zum Vogelsbergdorf führt eine Allee, aus Herbstein kommend, eine kleine Anhöhe hinauf. Schon von weitem sieht man das langgezogene, dreistöckige Gebäude aus den 1960er-Jahren, vor dem vier Kolpingfahnen wehen. Oben angekommen, tobt an diesem warmen Spätsommernachmittag im August das Leben. Kinder flitzen durch den weitläufigen, schattigen Bibelpark, der auf spielerische Weise alttestamentliche Geschichten an Kinder und Erwachsene heranträgt und für den die Ferienstätte bekannt ist. Familien sitzen an Tischen oder kommen gerade von Ausflügen zurück. Müde, aber glücklich.

Vor dem Gebäude der Ferienstätte beschatten Hainbuchen den Platz mit Tischen für die Gäste. Kleine Schalen mit glimmendem Kaffeepulver stehen auf den Tischen verteilt, um die Wespen fernzuhalten. Der leicht beißende Geruch nach verbranntem Kaffee mischt sich mit dem appetitlichen Duft nach frischen Pfannkuchen, denn die gibt es heute als spezielles Highlight zum Abendessen. Herzhaft und süß. Gebacken werden sie in riesigen Pfannen vor dem Haus.

"Mittlerweile stellt sich ein Gefühl von Heimat ein."
Christian Maier

Professionalität und Zuwendung

Schon während die ersten Pfannkuchen im Fett brutzeln, bilden sich Kindertrauben darum. Sie können das Essen kaum erwarten. Der sportlich wirkende Mann, der die Pfannkuchen an die Gäste austeilt, heißt Norman Strauch. Der 41-Jährige ist seit September 2019 gemeinsam mit seiner Frau Rebecca neuer Geschäftsführer der Familienferien­stätte Vogelsbergdorf. Die Mischung aus professionellem Auftreten und der zugewandten Art, mit der er auf Gäste und Personal zugeht, wirkt einnehmend. Es ist ihm anzusehen, welche Freude es ihm bereitet, unter seinen Gästen zu sein. Die beiden vorhergehenden Jahre waren coronabedingt hart, schlecht gebucht und voller Existenzängste. "Dieses Jahr fühle sich endlich wieder normal an", sagt Strauch.

Die Maiers hatten Glück überhaupt noch 12 Tage am Stück buchen zu können. Es war fast alles ausgebucht. Die Familie hat den Urlaub wirklich nötig: Hinter ihnen liegen zwei harte Jahre, weil eine der Töchter an einer Depression erkrankte und ihr Zu­stand sich durch Corona in den vergangenen Jahren verschlechterte. "Alleine zu lernen, ohne Feedback durch eine Lehrerin, und dann die Isolation – das hat die Krankheit unserer Tochter sehr zugespitzt", erzählt Martina Maier. Für die Maschinenbauingenieurin war Homeschooling mit ihren vier Kindern in unterschiedlichen Altersgruppen kein Zuckerschlecken. Zwar habe sie in dieser Zeit auch von zuhause gearbeitet, aber das hätte die Organisation des Alltags nicht einfacher gemacht. Telefonkonferenzen fanden trotzdem statt, oft nahtlos ineinander übergehend, während die Kinder zum Lernen motiviert werden mussten.

Fridolin hat sich inzwischen seinen dritten Pfannkuchen mit einem Berg Zucker geholt. Sein Vater Christian versucht den Zuckerverzehr etwas einzudämmen, indem er ein paar Löffel vom Teller schaufelt. Zum Glück werden viele Kalorien auf der Hüpfburg verbrannt, auf die Fridolin und Ludowika gleich nach dem Abendessen verschwinden.

Als nur noch Martina und Christian am Tisch sitzen, gesellen sich Jutta und Marco Höft und ein anderes Elternpaar dazu. Die sechs Erwachsenen kennen sich bisher nur vom Sehen. Schnell entwickelt sich ein lebendiges Gespräch über die Kinder und die Erfahrungen der Familien während der Coronazeit. "…Und dann hat die Lehrerin gesagt, dass Homeschooling für Eltern in Homeoffice ja kein Problem sei", erzählt eine der Mütter grinsend und erntet Gelächter. Für alle Familien hier war die Coronazeit eine große Herausforderung.

Auszeit nach Corona

Auch für Familie Frank* seien die vergangenen Jahre anstrengend gewesen, sagt Mutter Jana (41). Durch den Wegfall der Betreuung habe sie nicht arbeiten können, und als die Betreuung wieder lief, musste die Sozialpädagogin einiges wieder aufholen. Die alleinerziehende Mutter und ihre Kinder sind zum ersten Mal hier. Den Urlaub ermöglicht hat die Förderung "Corona-Auszeit für Familien". Sie gehört zu dem Programm "Aufholen nach Corona" des Bundesministeriums für Familie, Senioren Frauen und Jugend. Dadurch musste die Familie nur 10 Prozent der Kosten zahlen, die restlichen 90 Prozent übernimmt der Bund. Außer ihr haben von den 30 Familien, die sich gerade im Vogelsbergdorf erholen, noch 18 weitere die Förderung erhalten.   

Jana hat schon in verschiedenen Familienferienstätten Urlaub gemacht. Sie mag das Angebot, das diese Orte bieten. "Hier gibt es die Möglichkeit, mit den Kindern etwas gemeinsam zu erleben, ohne den Alltag zuhause. Einfach eine positive Zeit mit den Kindern zu haben", sagt Jana. Von den Angeboten am Nachmittag hat sie an fast allen teilgenommen. Manchmal wären ihre Kinder in die Clubs am Vormittag gegangen. Dieses Betreuungsangebot hätten sie schön gefunden.

Die große Freiheit

Am nächsten Morgen tröpfeln nach und nach alle Familienmitglieder der Familie Maier im Speisesaal ein, dessen große Fenster einen weiten Blick ins Tal und auf Herbstein öffnen. Frühstück gibt es ab acht Uhr morgens und Fridolin ist gerne früh am Start. Die anderen kommen nach und nach. Es ist eine große Freiheit, vor allem für die Kinder, sich selbst am Buffet bedienen zu können. Damit nicht nur Nutella und Milchreis gegessen wird, schneidet Christian Maier schnell noch etwas Obst für alle auf.

Ludowika hat Mühe zwischen den Sätzen, die aufgeregt aus ihr herauspurzeln, noch genug Essen in den Mund zu schieben. Sie freut sich auf ihre Reitstunden, die sie gemeinsam mit Josephine und Fridolin heute Vormittag auf einem Reiterhof in Herbstein hat – eine Kooperation der Familienferienstätte.

Während Martina drei ihrer Kinder zum Reiten begleitet, ruft Wirtschaftsinformatiker und IT-Berater Christian im Foyer seine Mails ab. Seine Tochter Cornelia sitzt dabei. Zum Mittagessen werden sich alle wieder treffen. Es wird deutlich, dass es die Mischung aus festen Essenszeiten und freier Gestaltung des Tagesablaufs ist, die der Familie so gut gefällt und die allen Familienmitgliedern ermöglicht, im eigenen Tempo und nach eigenen Wünschen den Tag zu verbringen, zusammenzukommen und wieder auseinanderzugehen.

"Das Motto ›Zeit, die gut tut‹ trifft hier genau zu. Man kommt raus aus dem Alltag, kann tun, wozu man Lust hat, und wird zu nichts gezwungen."
Jutta Höft

Angebote für die ganze Familie

Der Filzkurs ist gut besucht. Sechs Mütter und Väter erstellen unter Anleitung mit ihren Kindern zusammen aus bunter Wolle Bilder, Taschen oder kleine Figuren. Auch Jutta Höft filzt mit ihrer Tochter Maren gemeinsam ein Bild. Im Keller gibt es außerdem eine Töpferwerkstatt, in der regelmäßig Töpferkurse angeboten werden. Martina und Christian wollen heute Nachmittag aber lieber einen Spaziergang machen, während die Kinder mit Betreuern Karten spielen oder ihre Zeit auf dem Spielplatz verbringen.

Kurz vor dem Abendessen gibt es dann noch eine Familienandacht in der hauseigenen Kapelle. Sie wird von Hubert Straub geleitet. Er ist der ehemalige Geschäftsführer der Familienferienstätte und eigentlich im Ruhestand. Aber hin und wieder bringt er sich hier noch ein. So auch heute. Auf dem Altar in der Mitte des lichten Raumes steht ein Modelflugzeug. Begleitet von seiner Gitarre singen alle gemeinsam das Lied von Reinhard May "Über den Wolken". Am Ende lässt Straub die Kinder noch Papierflieger durch die Kapelle werfen und sich dabei etwas wünschen. Auch Familie Maier kommt hier wieder zusammen und genießt den Ausklang eines weiteren ereignisreichen Tages und des gesamten Urlaubs, denn morgen geht es für sie nach dem Frühstück nach Hause. 

* Name geändert


Text und Fotos: Barbara Bechtloff

Die 7 Kolping-Familien­ferienstätten

Ferienland Salem, Gorschendorf 
2 Ferienparadies Pferdeberg, Duderstadt 
3 Vogelbergsdorf, Herbstein 
Kolping Haus Bayerischer Wald, Lam 
Allgäuhaus, Wertach 
Haus Chiemgau, Teisendorf 
Haus Zauberberg, Pfronten
 
Mehr Informationen:
www.kolpinghaeuser.de

Interview

Interview

Rebecca und Norman Strauch haben die Geschäftsführung des Kolping Feriendorfs Vogelsbergdorf im September 2019 von dem Ehepaar Straub übernommen.

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