Freiheit korrespondiert immer auch mit einer besonderen Verantwortung – für sich selbst und für die Gemeinschaft. Wo sehen Sie Grenzen für eine freie Glaubensentfaltung in der Kirche?
Die Grenzen liegen genau dort, wo Menschen diese besondere Verantwortung nicht akzeptieren, die sie mit ihrer Freiheit auch für andere Menschen tragen. In Artikel 4 unseres Grundgesetzes steht, dass die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich sind. Das ist für jeden einzelnen ein entscheidendes Grundrecht. Es ist verboten, andere Menschen in Glaubens- und Gewissensfragen gegen ihren Willen zu einer Ansicht zu zwingen. Freie Glaubensentfaltung kann deshalb im Umkehrschluss auch nicht bedeuten, eigene Glaubensvorstellungen in der Kirche als Normen zu verstehen, die für alle Gültigkeit haben müssen. Als katholische Christen haben wir ein Glaubensbekenntnis, das für unsere Glaubensgemeinschaft eine verbindliche Orientierung bietet.
Unter den Delegierten des Synodalen Wegs gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen über die Richtung, in der die Kirche ihren Glauben entfalten soll. Wie beurteilen Sie die Chancen für einen einmütigen Abschluss des Synodalen Weges?
Wir stehen als Kirche gegenwärtig überall vor gewaltigen Herausforderungen, die es glaubhaft zu bewältigen gilt. Die Diskussion über Themen, die die Gläubigen in Deutschland bewegen, wird derzeit offen geführt, was sich auch auf dem Synodalen Weg widerspiegelt. Diese Offenheit bringt es mit sich, dass kontroverse Themen so verhandelt werden, dass viele unterschiedliche Standpunkte vertreten und zu hören sind. Vor diesem Hintergrund kann in der Öffentlichkeit vielleicht der Eindruck entstehen, dass einzelne Wortmeldungen und Beiträge, die manchmal sehr fordernd oder abwehrend erscheinen mögen, das Meinungsbild des gesamten Synodalen Weges prägen. Das ist aber nicht der Fall, was sich auch ganz klar und deutlich anhand der bisherigen Arbeitsergebnisse belegen lässt. Alle Teilnehmer tragen eine hohe Verantwortung, die darin besteht, als katholische Christen für das Gelingen des Synodalen Weges nach Kräften Sorge zu tragen. Ich würde hier von einer inneren Verpflichtung sprechen, die darin besteht, einen Weg zu beschreiten, der der Kirche entspricht und in die Zukunft weist.
Die Gefahr, dass der Synodale Weg scheitert, ist groß. Wenn sich die Synodalen nicht einigen können: Was bedeutet das für die Kirche in Deutschland?
Ich trete mit all meiner Kraft und viel Zeit für ein Gelingen des Synodalen Weges ein und blicke optimistischer in die Zukunft. Darum teile ich Ihre Einschätzung nicht und mache mir auch keine Gedanken über einen Fall, der aus meiner Sicht nicht eintreten wird.