Ausgabe 2-2021 : Mai

Zusammenstehen in der Krise

Weltweit hat die Pandemie die Arbeit der Kolpingverbände vor große Herausforderungen gestellt. Gleichzeitig zeigt die Krise, wie wertvoll das internationale solidarische Netzwerk für die Mitglieder ist. Ein Beispiel aus der Dominikanischen Republik.

Blättert man durch den Jahresbericht 2019 von Kolping Dominikanische Republik, hat man das Gefühl, er berichte aus einem anderen Zeitalter. Und in gewisser Weise tut er das auch. Denn all die Aktivitäten, die der Bericht zeigt, gibt es in dieser Form nicht mehr. Jugendcamps, in denen jungen Menschen die Kolpingarbeit näher gebracht wird, Kurse für Kleinunternehmer, die mit Krediten und Schulungen gefördert werden, Ausstellungen für Geschäftsgründer, Berufsbildungskurse oder Workshops: Fast nichts davon konnte 2020 stattfinden – zumindest nicht in gewohnter Art und Weise.

Erst befand sich der kleine Karibikstaat drei Monate lang in einem harten Lockdown. Seitdem gelten Kontaktbeschränkungen. Immer noch dürfen sich maximal zehn Personen treffen, sofern sie 1,5 Meter Abstand einhalten können. Das setzt dem sonst so agilen Kolpingverband schmerzlich zu. Mehr noch als der geringe Zuwachs an Mitgliedern belastet das Team des Nationalbüros, dass dadurch auch die Projektarbeit ausgebremst ist – zum Beispiel die der Kolping-Berufsschule in Bonao.

Über 20 handwerkliche Kurse bietet sie an, vornehmlich für Erwachsene, die sich selbstständig machen möchten. Von einem auf den anderen Tag durfte kein Unterricht mehr stattfinden. Geschäftsführerin Yudy Garcia und ihren Kollegen blieb nichts anderes übrig, als sich komplett neu zu organisieren. „In den drei Monaten, in denen wir uns im vollständigen Lockdown befanden, haben wir uns mit der Umstellung auf Zoom beschäftigt“, erzählt Garcia. Dafür mussten auch die Lehrkräfte entsprechend geschult werden, weshalb der digitale Unterricht erst nach und nach eingeführt werden konnte. „Seit wieder zehn Personen zusammenkommen dürfen, machen wir Wechselunterricht.“

"Als der Lastwagen vorfuhr und jeder von uns einen Sack mit dem Nötigsten erhielt, da waren wir nicht nur froh, dass wir etwas zu essen hatten. Wir waren auch sehr gerührt, dass es am anderen Ende der Welt Menschen gibt, die an uns denken."
Magarita de Leon Brasoban

Das erste, was die Leiterin der Schneiderkurse online stellte, war ein Video, in dem gezeigt wurde, wie man Masken näht. Dieser Anreiz wurde dankbar angenommen und verhalf den Nähschülerinnen zu einer guten Einkommensquelle. Auch mit seinen Mitgliedern traf sich der Verband online. „Auf diese Weise ist es uns gelungen, wenigstens das bestehende Netzwerk zusammenzuhalten“, berichtet die Geschäftsführerin. Trotzdem fühlten sich Yudy Garcia und ihre Kollegen an ihren Schreibtischen wie gefangen. Unvergessen ist für sie der Tag, an dem sich das durch den Kolping-Corona-Fonds änderte: „Uns erreichte die Nachricht, dass in Europa Spenden gesammelt worden waren, die ausreichten, um für jedes unserer 1.500 Kolpingmitglieder ein Hilfspaket zusammenstellen zu können. Plötzlich waren wir wieder handlungsfähig, konnten etwas gegen die größte Not tun!“ Die Geschäftsführerin bestellte Nahrungsmittel in großen Mengen, füllte mit Kollegen und freiwilligen Helfern Reis, Mehl, Nudeln und Öl ab – und verteilte Nothilfepakete.

Vorräte und Ersparnisse waren schnell aufgebraucht

Eines der Dörfer, in dem die Pakete verteilt wurden, ist Hato San Pedro. Obwohl die abgelegene ländliche Region keine Coronafälle zeigte, hatte die Pandemie das Leben dort völlig verändert. Die meisten Menschen sind Tagelöhner, die auf den Feldern der Großgrundbesitzer arbeiten. Doch während des Lockdowns mussten alle zu Hause bleiben. Die wenigen Vorräte und mageren Ersparnisse waren schnell aufgebraucht – und schon bald begannen die Menschen zu hungern. „Als der Lastwagen vorfuhr und jeder von uns einen Sack mit dem Nötigsten erhielt, da waren wir nicht nur froh, dass wir etwas zu essen hatten. Wir waren auch sehr gerührt, dass es am anderen Ende der Welt Menschen gibt, die an uns denken“, sagt Magarita de Leon Brasoban. „Das Essen ist inzwischen verzehrt. Aber das Wissen, dass wir der Kolpinggemeinschaft nicht egal sind, bleibt für immer“, würdigt sie die internationale Solidarität. Und weil Yudy Garcia und ihr Team bei den Lebensmitteleinkäufen gut verhandelt hatten, konnten sie fast 200 zusätzliche Pakete schnüren. Diese wurden an Schulen, Kinder- und Altenheime sowie besonders Bedürftige verteilt. 

Gerade in einer Krise wie der aktuellen Pandemie zeigt sich, was die Kolpinggemeinschaft zu leisten vermag. Nicht nur die Spenderinnen und Spender aus Europa waren in überwältigender Weise großzügig. „Es war phantastisch zu sehen, wie solidarisch die Menschen hier waren. Selbst diejenigen, die nur wenig haben, gaben“, so die Geschäftsführerin. Da seien Kolpingmitglieder gewesen, die Tomaten oder Eier von ihrer Farm für die Hilfspakete abgezweigt hätten, oder Pickup-Besitzer, die kein Benzingeld für die langen Fahrten wollten. „So schlimm die Pandemie auch ist: Ich glaube fest daran, dass auch etwas Gutes darin steckt“, sagt Garcia. „Wir haben viel gelernt – vor allem zu verstehen, wie wichtig Freunde und Familie sind.“ 

Foto: Christian Nusch