Ausgabe 2-2022 : Mai

Mit den Ziegen kommt die Zuversicht

In Malawi bahnt sich eine Ernährungskrise an. Millionen Kleinbauern wissen nicht, wie sie ihre Felder weiter düngen sollen. Doch für die Mitglieder von Kolping Malawi gibt es Hoffnung.

Sabina Kirembe (vorne rechts) ist glücklich: Dank der Ziegen wird sie den Ertrag ihrer Felder nun mit organischem Dünger steigern können.

Im Schatten einer Baumgruppe stehen die Mitglieder dreier Kolpingsfamilien im Kreis und singen ein Lied, das den Heiligen Geist einlädt, bei ihnen zu sein. Als gackernde Hühner und eine Herde meckernder Ziegen in ihre Mitte gebracht werden, singen sie lauter. Denn dies ist ein besonderer Tag: Zehn von ihnen werden gleich drei Ziegen oder vier Hühner erhalten. Father Lorent Dziko und Prosperina Shaba beobachten die Szene froh. Die beiden vertreten die Diözese Karonga und gehören zum Leitungsteam des noch jungen Kolpingverbandes. Dass die Übergabe der Tiere mit solcher Freude zelebriert wird, zeigt ihnen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. „Dank des Dungs der Tiere werden sich zehn weitere Familien ein besseres Leben aufbauen können“, sagt Father Lorent. Und Prosperina ergänzt: „Das wird sich rumsprechen und dazu führen, dass wir noch mehr Mitglieder bekommen.“

Erst seit 2016 gibt es Kolping in Malawi. Den Anstoß zur Gründung erster Kolpingsfamilien gab damals der Bischof der Diözese Karonga, nachdem er Kolping auf einer Deutschlandreise kennengelernt hatte. Doch wie baut man einen solchen Verband auf? Und welche Projekte eignen sich? Dazu informierte sich das Leitungsteam im benachbarten Tansania, wo Kolping seit vielen Jahren erfolgreich ist. „Es war unglaublich inspirierend zu sehen, was dort alles erreicht wurde und wie viele Menschen von der Idee Kolpings, sich in einer Gemeinschaft gegenseitig zu helfen, profitieren“, erinnert sich Father Lorent.

"Anfangs glaubten die Leute nicht, dass es möglich ist, ohne Kunstdünger zu arbeiten."
Prosperina Shaba

Hunger ist ein großes Thema in Malawi. Um die Ernährung zu sichern, setzt das Land seit vielen Jahren auf den Import von Kunstdünger. Doch der wird immer teurer – durch den Krieg in der Ukraine aktuell noch einmal mehr. Denn Russland ist einer der größten Exporteure. Für die Bauern in Malawi ist Kunstdünger schon lange unerschwinglich. Nun schafft es auch der Staat nicht mehr, jedem Bauern den Kauf zu subventionieren. Doch es gibt einen Ausweg: Ziegen und Hühner zusammen mit dem Wissen, wie man aus deren Mist organischen Dünger herstellt. Wie man das Kleinvieh hält und den Kompost anlegt, lernen die Kleinbauern in landwirtschaftlichen Schulungen – ein Konzept, mit dem Kolping schon in vielen afrikanischen Ländern zur Ernährungssicherung beigetragen hat.

Zurück aus Tansania machten sich Father Lorent und Prosperina hochmotiviert an die Projektarbeit. „Anfangs glaubten die Leute nicht, dass es möglich ist, ohne Kunstdünger zu arbeiten“, erinnert sich Prosperina. „Aber wir konnten ein paar Bauern dazu überreden, in einer Ecke ihres Feldes Kompost auszubringen. Sie sahen, dass der Mais nicht nur genauso gut gedeiht, sondern auch besser mit der Trockenheit zurechtkommt. Das war der Durchbruch!“ Die meisten Menschen in Malawi, die bei Kolping Mitglied werden, gehören zu den Allerärmsten. Sie sind Kleinbauern mit nur einem halben Hektar Land und einem Einkommen von weniger als einem US-Dollar pro Tag und Familie. Und je mehr Kleinbauern durch die Düngemittelkrise in Bedrängnis geraten, desto mehr Menschen suchen Hilfe bei Kolping.

Auf rund 800 Mitglieder, organisiert in 39 Kolpingsfamilien, ist der malawische Verband in nur fünf Jahren angewachsen. Ein eigenes Büro, Fahrzeuge und Angestellte besitzt er allerdings noch nicht. Die Corona-Krise hat den Aufbau einer festen Verbandsinfrastruktur bislang verzögert. Noch arbeiten Father Dziko und die weiteren Mitglieder des Leitungsteams daher ehrenamtlich; sie kümmern sich zusätzlich zu ihren Aufgaben in der Diözese um die vielen Kolpingmitglieder.

Neid oder Missgunst gibt es nicht

Mehr Mitglieder – das bedeutet auch mehr Bedarf an Ziegen und anderem Kleinvieh. „Wir sind sehr dankbar, dass wir mithilfe von KOLPING INTERNATIONAL wieder einigen Mitgliedern Tiere geben können. Es reicht zwar längst nicht für alle, aber es ist ein Zeichen, dass der Verband keine leeren Versprechungen macht, sondern dass er den Menschen tatsächlich hilft“, meint Prosperina. Und wer an diesem Tag noch keine Ziegen erhält, hofft auf deren Jungtiere. Neid oder Missgunst gibt es nicht. „Das liegt daran, dass der Verband den Menschen nicht nur wirtschaftlich hilft, sondern auch spirituell“, erklärt Father Lorent. „Die Mitglieder beten gemeinsam und fühlen sich untereinander eng verbunden. So entsteht eine Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig hilft.“

Die Menschen unter der Baumgruppe haben inzwischen ihren Gesang beendet. Mit Applaus und getrillertem Jubel werden sie die Tiere an ihre neuen Besitzer übergeben. Sabina Kirembe gehört zu den Glücklichen. Mit vier Kindern und gerade einmal einem halben Hektar Land ist ihre Familie dringend auf gute Erträge angewiesen. Zwei Jahre hat die 32-Jährige auf die drei Ziegen gewartet. Deren ersten Nachwuchs muss sie an die Kolpingsfamilie zurückgeben. Das findet Sabina fair. „Ich bin die erste, die von diesen Ziegen profitieren darf. Aber sie gehören nicht mir, sondern allen.“ Schließlich bedeutet Kolping Gemeinschaft; erst durch sie wird ein Verband stark.

Text: Katharina Nickoleit
Foto: Christian Nusch

Projekt im Fokus

Wertvoller Tierdung

Ein paar Ziegen oder ein halbes Dutzend Hühner – Kleintiere helfen nachhaltig. Milch und Eier kommen auf den Tisch, und mit dem Dung der Tiere wird die Fruchtbarkeit der kargen Böden verbessert.