Die vier Webstühle im Schuppen klappern geschäftig im Takt. Im gleichen Rhythmus führen die Frauen Stoffreste durch die Fäden und drücken sie zusammen. Während die Rollen aus Flickenteppichen zu ihren Füßen so immer dicker werden, unterhalten sich die Vier über Gott und die Welt. Und darüber, wie sich ihr Leben verändert hat, seit sie mithilfe von KOLPING Indien ihre kleine Weberinnengruppe gegründet haben. "Wir haben jetzt ein stabiles Einkommen, über das wir selber verfügen können", sagt Gonathi, mit 38 Jahren die Älteste, zufrieden. "Endlich muss ich nicht mehr jede Ausgabe rechtfertigen und meinen Mann jedes Mal um Geld bitten", ergänzt Nathiya neben ihr.
"Kolping macht uns stark"
In Indien sind christliche Frauen doppelt benachteiligt. Sie gelten als "unberührbar" und sind ihren Männern untergeordnet. KOLPING Indien hilft ihnen, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Das macht sie unabhängiger und selbstbewusster.
Menschen zweiter Klasse
Die vier Weberinnen aus dem Dorf Kalinganthurai im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu haben es in ihrem Leben nicht leicht. Sie sind nicht nur sehr arm, auch von ihrer Stellung her sind sie doppelt benachteiligt. Denn in der immer noch stark patriarchal geprägten Gesellschaft Indiens gelten Frauen als den Männern untergeordnet und sind wirtschaftlich von ihnen abhängig. Zudem gehören Katholikinnen keiner Kaste an. Als Dalits – als "Unberührbare" – stehen die vier Frauen auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Hierarchie.
Obwohl Indien die Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit 1949 offiziell abgeschafft hat, prägt das Kastenwesen immer noch das soziale Leben des südasiatischen Landes. Wird man in eine bestimmte Kaste hineingeboren, hat man dies zu akzeptieren. Das Christentum mit nur einem Gott, vor dem alle Menschen gleich sind, besitzt auf die Kastenlosen daher eine große Anziehungskraft. Und ein Mensch wie Adolph Kolping, der sagt, dass ein jeder mit Bildung und Fleiß sein Schicksal selber in die Hand nehmen kann, gilt dort geradezu als Revolutionär. So ist es kein Wunder, dass der indische Verband stetig wächst. Inzwischen umfasst KOLPING Indien über 40.000 Mitglieder, rund 90 Prozent davon sind Frauen.
KOLPING gibt Starthilfe
Die vier Frauen sind Tagelöhnerinnen, ihr Verdienst ist karg, und nicht immer findet sich Arbeit. Als die Frauen in ihrer Kolpingsfamilie erfuhren, dass KOLPING Indien eine ganze Reihe von Fördermöglichkeiten für sie bereithält, nahmen sie ihr Schicksal gemeinsam in die Hand. Über den Kolping-Corona-Fonds erhielten sie das nötige Startkapital für die Anschaffung von vier Webstühlen. Die Webtechnik lernten sie von Nagasundari und Gaowri, zwei Trainerinnen aus dem Nachbardorf und ebenfalls Kolpingmitglieder. "Als wir hörten, dass hier Kolpingschwestern ein kleines Weberkollektiv aufbauen wollen, waren wir sofort bereit, ihnen zu zeigen, wie es geht", erzählt Nagasundari. Drei Monate lang brachten sie den angehenden Weberinnen alles bei, was sie über die Herstellung von Flickenteppichen wussten. Ehrenamtlich. Für den Fall, dass einmal eine der Frauen wegen Krankheit ausfällt, trainierten die beiden auch jeweils ein weiteres Familienmitglied. "Diese Webstühle und unsere Ausbildung daran sind eine Unterstützung, die uns ein Leben lang helfen wird", ist Nathiya überzeugt.
Raus aus der hintersten Reihe
Wie den vier Weberinnen hilft KOLPING Indien jedes Jahr zahlreichen Menschen, sich dauerhaft mit eigener Kraft aus der Armut zu befreien. Über die Spargruppen der Kolpingsfamilien beispielsweise können sich die Verbandsmitglieder kleine Geldsummen leihen, die viele als Startkapital für eine eigene Existenz einsetzen: eine Garküche, ein Kiosk, eine Näherei oder Weberei. Zusätzlich unterstützt der Verband Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer mit speziellen Bildungsmaßnahmen, etwa im Bereich Kalkulation und Marketing. Diese Chancen ergreifen vor allem Frauen. Sie stellen sich alleine oder mit Kolpingschwestern zusammen wirtschaftlich auf eigene Füße.
Gonathi, Nathiya, Suguna und Pongatai ist dies gelungen. Zwar arbeiten sie tagsüber noch als Tagelöhnerinnen. Doch abends treffen sich die Frauen an den Webstühlen. Viel verdienen sie mit den Flickenteppichen nicht, jede gerade einmal umgerechnet 25 Euro pro Monat. Doch dieses Geld kommt verlässlich rein und reicht für die nötigsten Ausgaben. In der Regenzeit, wenn es keine Feldarbeit für Tagelöhner gibt, sind es mittlerweile die Frauen, die ihre Familien durchbringen. Das hat ihr Selbstvertrauen gestärkt und ihnen mehr Respekt verschafft, auch in ihrer Ehe. "Kolping hat uns zu selbstbewussten Löwinnen gemacht", sagt Sugana strahlend.
Text: Katharina Nickoleit und Michaela Roemkens
Foto: Christian Nusch
Kleinkredite helfen Frauen
Die Mehrheit der rund 40.000 Mitglieder des indischen Kolpingverbandes ist von Armut betroffen – Kolping kümmert sich um die Ärmsten.
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