Ausgabe 4-2022 : Oktober

Hoffnung für Myanmar

Seit 16 Jahren gibt es in Myanmar einen Kolpingverband, der mit viel Elan und Mut die Ideen Adolph Kolpings umsetzt und auch in Krisenzeiten Großes leistet. Nun hat erstmals ein Generalpräses Myanmar besucht – ein Zeichen der Solidarität, das Freude und Hoffnung brachte.

Stolz zeigt Stephen Tino (rechts), Vorsitzender von Kolping Myanmar, den Besuchern aus Deutschland die Projekte des Verbandes.

Während der Ukraine-Krieg in unseren Medien täglich omnipräsent ist, gibt es Konflikte auf der Welt, die medial weit weniger Beachtung finden. Dazu gehört die Situation in Myanmar. Seit dem Staatsstreich 2021 befindet sich das südostasiatische Land de facto im Bürgerkrieg. Nach wenigen Jahren, in denen sich im ehemaligen Burma erstmals demokratische Elemente etabliert hatten, riss das Militär am 1. Februar 2021 die gesamte Staatsgewalt wieder an sich, nahm gewählte Volksvertreter fest und schlug aufflammende friedliche Proteste brutal nieder. Seitdem haben sich Tausende Junta-Gegner zum bewaffneten Kampf gegen das Militär entschieden. Vor allem junge Menschen schlossen sich den ethnischen Rebellen an, die seit Jahrzehnten gegen das Militär kämpfen. Weite Landesteile sind nun Kriegsgebiet. Auch zwei der fünf Bistümer, in denen Kolping Myanmar präsent ist, gehören zu den Konfliktregionen. "Hier wurden ganze Dörfer und wichtige Infrastruktur zerstört, Transportwege sind abgeschnitten. Viele Menschen, darunter auch viele Kolpingmitglieder, befinden sich auf der Flucht", berichtet Martin J. Rüber, zuständiger Länderreferent bei Kolping International. Auch das ehemalige Kolping-Nationalbüro in Pekhon ist aktuell nicht nutzbar. Der Verband hatte jedoch Glück: Ein Bistum stellte dem Verbandsvorsitzenden Stephen Tino ein Büro zur Verfügung, vom dem aus er und sein Team nun weiter tatkräftig agieren – mit einkommensschaffenden Projekten, Ausbildungsmaßnahmen, Landwirtschaftsförderung sowie humanitärer Hilfe. Den Besuchern aus Deutschland gab es viel zu zeigen.  

Mit Kurzausbildungen ermöglicht Kolping Myanmar jungen Menschen auch in der Krise weiterhin Zugang zu Bildung. Besonders benötigt werden Krankenschwestern.

Die ersten Besucher seit Langem

Eine Woche dauerte der Besuch, von dem lange unklar war, ob er überhaupt würde stattfinden können. Umso herzlicher wurden Generalpräses Msgr. Christoph Huber und Länderreferent Martin J. Rüber Ende Juli in Myanmar empfangen. "Man hat sehr deutlich gemerkt, selbst in der Deutschen Botschaft und bei den Bischöfen, dass die Menschen lange keinen Besuch von außerhalb bekommen haben. Das ganze Land ist im Prinzip abgeschottet. Die Freude, dass da jemand kommt, der sich interessiert und der zuhört, war überall spürbar. Wir seien die Ersten, die kommen, wurde uns immer wieder versichert", sagt Generalpräses Huber.

Das Besuchsprogramm reichte von Gesprächen mit Verbandsleitung, Präsides und Bischöfen, Gottesdiensten und Projektbesichtigungen bis hin zu intensiven Begegnungen mit Kolpingmitgliedern. Knapp 1.000 Mitglieder, organisiert in 60 Kolpingsfamilien, zählt Kolping Myanmar aktuell. Viele von ihnen sind arme Bauernfamilien, denen der Verband durch landwirtschaftliche Förderungen in Anbau und Viehhaltung hilft, ihre Erträge zu verbessern. Auch Kleinkredite stehen den Mitgliedern zur Verfügung, etwa um sich erste Schweine für eine Zucht oder Saatgut für die Umstellung ihrer Felder auf lohnendere Feldfrüchte zu kaufen.

Förderung der Bauern

Schon die Corona-Pandemie hatte die Nahrungsmittelversorgung des Landes in die Krise gestürzt. Kolping Myanmar handelte rasch und stellte ein engagiertes Corona-Programm auf die Beine, das neben Gesundheitsaufklärung und Lebensmittel-Nothilfepaketen auch die Verteilung von Saatgut zur Ernährungssicherung beinhaltete. Die eskalierende Gewalt seit 2021 und nun auch die Preissteigerungen durch den Ukraine-Krieg haben die Ernährungslage in Myanmar weiter verschärft. Umso wichtiger ist es, die Bauern weiter zu fördern, damit sie gute Ernten einbringen. Als Zukunftsprojekt plant Kolping Myanmar aktuell eine Lehrfarm, wo Bauernfamilien moderne, dem Klimawandel angepasste Anbaumethoden lernen und wertvolles Wissen zu Themen wie Saatgut, Düngen oder Schädlingsbekämpfung erhalten. Ein passendes Grundstück für diese Lehrfarm hat Generalpräses Huber bei seinem Besuch im Juli besichtigt und gesegnet.

Endlich hört jemand zu: Generalpäses Huber und Länderreferent Rüber inmitten von Kolpingmitgliedern, die von gemeinsamen Aktionen und alltäglichen Problemen berichten.

Kurzausbildungen für Krankenschwestern

Ein weiterer Schwerpunkt des asiatischen Verbandes sind Bildungsprogramme. Myanmar förderte früher junge Menschen aus armen Familien mit Stipendien, damit sie ein College oder eine Universität besuchen können. Doch seit dem Putsch sind Schulen und Universitäten geschlossen.

Um den jungen Menschen weiter Zugang zu Bildung zu geben, hat Kolping Myanmar Kurzzeitausbildungen ins Leben gerufen. Junge Frauen können sich in sechs Monaten zu Krankenschwestern ausbilden lassen. Anschließend helfen viele in der Gesundheitsbetreuung den zahlreichen Flüchtlingen. Hier wird jede Hand gebraucht. Denn in den provisorischen Flüchtlingslagern sind Wasser und Essen knapp, es grassieren viele Krankheiten. Auch Kolping Myanmar sorgt sich um die notleidenden Menschen, insbesondere um Schwangere und Mütter mit kleinen Kindern. "Die Schicksale, die die Frauen mir bei unseren Begegnungen erzählt haben, waren sehr bewegend. Teilweise unter Tränen haben sie erzählt, was sie alles durchgemacht haben. Und es schien den Frauen gut zu tun, dass jemand zuhört", berichtet Generalpräses Huber.

"Die Mitglieder der Kolpingsfamilien haben viel Motivation und Gemeinschaftsgeist zurückgewonnen, weil sie ihre Erlebnisse mit solch hohen Vertretern von Kolping International teilen konnten", bestätigt Verbandsvorsitzender Stephen Tino. So war der "hohe Besuch" aus Deutschland letztlich vor allem eins: ein Zeichen der Solidarität mit unseren Kolpinggeschwistern in Myanmar, das Freude, Kraft und Hoffnung in ein Land gebracht hat, das noch vor großen Herausforderungen steht. 

 

 

Text: Michaela Roemkens | Fotos: Kolping Myanmar