Ausgabe 4-2020 : November

Verständnis für die Nöte anderer

Unsere Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. Die wirtschaftliche Spaltung und auch die kulturelle Ab- und Ausgrenzung unterschiedlicher Gruppen schwächen die Integrations- und damit auch die Solidaritätsfähigkeit.

Ein allgemeiner Sozialdienst ist für Jugendliche eine gute Gelegenheit, einmal die soziale Situation anderer kennenzulernen.

Wäre es da nicht angesagt, allgemeine Sozialdienste für alle Jugendlichen einzuführen – unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrer sozialen Lage. Dadurch würde meiner Ansicht nach auch mehr Verständnis für die unterschiedlichen und auch prekären Lebenswelten entstehen.

Junge Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten (etwa der Geburtsmillionär und das Kind einer alleinerziehenden Mutter, die Hartz IV bezieht) können über die Beteiligung an einem zeitlich befristeten allgemeine Sozialdienste gemeinsam gesellschaftlich sinnvolle Leistungen erbringen. Derartige soziale Allgemeindienste wären oftmals die einzige Möglichkeit, das Milieu und die soziale Situation  anderer kennenzulernen, was sonst eher nicht geschieht. Das ermöglicht nicht nur wichtige Erkenntnisse und Empathie, sondern auch ein Verständnis für die Nöte anderer. 

Gerade eine sich spaltende Gesellschaft braucht nicht mehr Abgrenzung, sondern vielmehr die Kenntnis von den Problemen außerhalb des eigenen Umfeldes. Die Kenntnis von sozialen Problemen ist zudem entscheidend für die Qualität einer Gesetzgebung. Wer Gesetze macht (zum Beispiel Hartz IV), der sollte die jeweiligen Lebenswelten der Betroffenen kennen. 
Durchlaufen werden sollten die allgemeinen Sozialdienste während der Schule und dürfen nicht als Zwangsdienste konzipiert sein. Verpflichtendes Gestaltungsprinzip der sozialen Pflichtdienste ist es, sicherzustellen, dass die Beteiligten milieuübergreifend zusammengesetzt sind. Damit werden auch wichtige demokratiepädagogische Momente erzeugt. Daher sollten Jugendliche, die gerade einen allgemeinen Sozialdienst leisten, in gemeinsamen Unterkünften wohnen – etwa in Kolping Jugendwohnheimen. Natürlich müssen die Jugendlichen für ihren Dienst auch ein angemessenes Entgelt erhalten. 

Derartig konzipierte allgemeine Sozialdienste für alle würden meiner Meinung nach die Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft stärken. Sie wären die logische Konsequenz einer ebenso multikulturell wie plural strukturierten Gesellschaft – und deren Voraussetzung zugleich.


Foto: Devin Avery/Unsplash

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