Zehn Jahre ist es jetzt her, dass ein Bundespräsident namens Joachim Gauck seinen Amtsantritt mit einem persönlichen Lebenszeugnis begann. Gauck, der als Pastor jahrzehntelang unter den Repressionen des DDR-Regimes gelitten hatte, berichtete vom überragenden Gefühl beim Gang zu den ersten freien Wahlen im März 1990. "Es war damals ein sicheres Wissen in mir", so der frisch gewählte Präsident wörtlich, "ich werde niemals, niemals eine Wahl versäumen!"
Die Vorstellung, nicht wählen gehen zu dürfen, ist für viele Menschen in Deutschland geradezu abwegig. Umso erschütternder sind dann die Zahlen, die zuletzt am Abend von Landtagswahl-Sonntagen über die Bildschirme flimmerten. Gerade einmal 55,5 Prozent der Wahlberechtigten haben etwa bei der NRW-Wahl von ihrem Recht Gebrauch gemacht und ein Kreuzchen gesetzt. Jeder Wahlsiegerin und jedem Wahlsieger sei die Freude über das eigene Ergebnis gegönnt, allerdings: Angesichts einer derart desaströsen Wahlbeteiligung kann sich niemand mehr auf dem eigenen Stimmenanteil ausruhen. Die demokratische Beteiligung hierzulande braucht dringend ein Upgrade! Ohne wirksame Maßnahmen endet diese ostentative Nichtbeteiligung in einem Ausmaß an Politikverdrossenheit mit schwer kalkulierbaren Folgen für die Gesellschaft und die politische Kultur, von der sie lebt.
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