Ausgabe 1-2022 : Februar

"... so wahr mir Gott helfe!"

Grundlegende Überlegungen über die Vereidigung des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz und anderer Mitglieder seines Kabinetts ohne diese Zusatzformel.

Köln im Jahre des Herrn 2022 – als ich diese Zeilen schreibe, stehen wir am Jahresanfang. Bewusst lade ich ein, einige grundlegende Überlegungen anzustellen. Zu all den vielen Ereignissen des vergangenen Jahres gehört sicherlich auch der Regierungswechsel und damit die Vereidigung des Bundeskanzlers und seines Kabinetts. Olaf Scholz hatte frühzeitig angekündigt, dass er – wie bei früheren Vereidigungen – die Zusatzformel „... so wahr mir Gott helfe“ nicht verwenden würde. Weitere Mitglieder seines Kabinetts haben es ebenso gehandhabt.Scholz ist nicht der erste Bundeskanzler, der auf den Bekenntniszusatz verzichtet. Das tat schon Gerhard Schröder. Scholz und andere Mitglieder seines Kabinetts mögen dabei sicherlich die gesellschaftliche Realität in Deutschland abbilden. Dennoch finde ich es mehr als schade. Nicht, weil wir als Menschen, die an einen Gott glauben, bessere Menschen wären oder allein deshalb schon eine bessere Politik betreiben würden. Es geht dabei auch nicht um ein Bekenntnis zur eigenen Religiosität und Frömmigkeit. Doch: Wer sich bei der Vereidigung unter Gottes Segen stellt, zeigt sich demütig. Er weiß um seine Grenzen. Er oder sie ruft zugleich die Präambel des Grundgesetzes in Erinnerung, die jede staatliche Macht an „die Verantwortung vor Gott und den Menschen“ bindet.

Wachsamkeit im Hier und Heute ist angesagt!
Ulrich Vollmer

Ich denke dennoch, dass es keinen Anlass zur Klage oder zur Schelte gibt. Vielmehr gilt es, sich folgende Fragen zu stellen: Was bedeutet uns unser christlicher Glaube und unsere christliche Überzeugung? Wie sehr nimmt die Bedeutung des Christlichen und der Kirchen ab? Wie sind wir – auch als Kolpingmitglieder – herausgefordert, unsere Werte und Vorstellungen in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen? Wenn Selbstverständlichkeiten aufhören, muss die Sache selbst nicht begraben sein, sondern sie kann erst recht Aufmerksamkeit erfordern. Wachsamkeit im Hier und Heute ist angesagt! 

Die vierte Welle der Corona-Pandemie hat sicherlich den Start der neuen Bundesregierung in besonderer Weise geprägt. Dennoch gibt es nicht wenige, die bemängeln, dass der Koalitionsvertrag zwar viel Veränderungslust sowie Fortschrittstheorie bietet. Aber wird dabei womöglich auch Wichtiges und Bewährtes mit leichter Hand über Bord geworfen? Ich denke dabei an die Familienpolitik oder an den Schutz des Lebens in seinem Anfang und seinem Ende. Zugleich erkennbar ist, dass die drei Koalitionspartner schon jetzt arg an Grenzen stoßen, wenn nicht sogar sich gegenseitig im Wege stehen.

Allen Mitgliedern der neuen Bundesregierung wünsche ich – gleich, ob sie die Zusatzformel „So wahr mir Gott helfe“ verwendet haben oder nicht – dass sie ihre Aufgaben mit Mut und Tatkraft, Begeisterung und Freude zum Wohle der Menschen in unserem Lande wahrnehmen.

„Das Christentum ist nicht nur für die Kirche und für die Betkammern, sondern für das ganze Leben“, so Adolph Kolping. Unser Verbandgründer hat damit auf den Punkt gebracht, dass wir als Christinnen und Christen, als Kolpingmitglieder einen Auftrag zur Mitgestaltung Gesellschaft und Politik haben. Das wird zukünftig wohl schwerer werden.


Foto: Bundesregierung/Steins

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Die Fachreferentinnen und -referenten im Bundessekretariat des Kolpingwerkes Deutschland bringen immer wieder fachlich fundierte Ideen und Denkanstöße in verbandliche Debatten ein. Auf dieser Seite veröffentlichen wir persönliche Einschätzungen der Referentinnen und Referenten. Dies sind keine Positionen des Kolpingwerkes Deutschland, sondern Impulse und Denkanstöße für ergebnisoffene Debatten.