Wenn man voraussetzt, dass nicht nur Geweihte als Hirten fungieren, dann sollte eine Vorstellung davon entstehen, wie ein zeitgemäßer "Hirtendienst" aussieht. Sicher nicht im Sinne einer Bevormundung, im besserwisserischen Voranschreiten vor einer stillen, folgsamen Herde. Vielmehr geht es um das Ermöglichen von Leben – und da, wo Leben bedroht ist, um seinen Schutz.
Kolping fühlt sich dem Lebensschutz im umfassenden Sinne verpflichtet. Da, wo Menschen durch politische oder wirtschaftliche Bedingungen am guten Leben gehindert werden, da wissen sie Kolping an ihrer Seite. Das gilt auch für Zusammenhänge, in denen der Begriff "Lebensschutz" primär auftaucht. Kolping tritt für den Schutz der besonders Bedürftigen ein, besonders derer, die keine Stimme haben, und nicht zuletzt in den Grenzbereichen zwischen Leben und Tod. Hier geht es um eine zeitgemäße Hirtensorge, die den Namen verdient und die zugleich anschlussfähig bleibt. Im Sinne von Papst Franziskus bedeutet das, die Wirklichkeit über die Idee zu stellen und damit zunächst einmal den Menschen, um die es geht, Gehör zu schenken. Die Zeiten sind vorbei, in denen von der ideologischen Kanzel herab Grundsatzurteile gesprochen wurden, die auf jeden Einzelfall ein- und dieselbe Antwort geben. Lebensschutz im christlichen Sinne orientiert sich an der Lebenspraxis Jesu und an dessen Frage: "Was willst du, dass ich dir tue?"
Von den Lebenswirklichkeiten her muss Kolping die Positionen entwickeln, wie das Leben geschützt werden kann. Dass aber Lebensschutz im komplexen Sinne des Begriffs zu den vordergründigen Aufgaben des Kolpingwerkes zählt, darüber sollte Einigkeit herrschen. Da das Kolpingwerk immer nah bei den Menschen, mit ihnen und durch sie aktiv wird, könnte man hier vorbildhaft wirken und nicht besserwisserisch, aber mutig voranschreiten – im besten Sinne des Wortes "pastoral".
Text: Tim Schlotmann – tim.schlotmann(at)kolping.de
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