Ausgabe 2-2023 : Mai

Kein Entweder-oder

Berufliche und akademische Bildung gleichrangig in den Blick nehmen!

Der Fachkräftemangel schlägt überall zu: In den Erzieher*innenberufen und in der Pflege fehlen ebenso Fachkräfte wie gut ausgebildete Ingenieure in den Stadtverwaltungen. Von Handwerkern ganz zu schweigen. Job-Chancen wie nie für gut ausgebildete Fachkräfte und Studierte auf der einen Seite – nicht besetzte Stellen auf der anderen Seite.

Viel zu lange waren Abitur und Studium das Maß aller Dinge: Schon jetzt verlassen über die Hälfte der jährlichen Schulabgänger die Schule mit Abitur oder Fachhochschulreife. Laut einer Prognose der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2021 wird diese Zahl bis 2035 auf 70 Prozent ansteigen. Zwar wählen nicht alle Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen den Weg zur Hochschule, aber der weit überwiegende Teil sieht in der akademischen Laufbahn mehr Sicherheit und natürlich auch eine größere finanzielle Absicherung. Aber ist eine zunehmende Akademisierung das "Seligmachende", wenn ich in einigen Jahren vielleicht lange auf einen Dachdecker oder Klempner warten muss, weil eben die Berufe, bei denen man sich "schmutzig" macht, immer stärker unter Fachkräftemangel leiden?

Meister und Master

In der allgemeinen politischen Debatte wird oftmals die berufliche Bildung gegen die akademischen Bildung ausgespielt. Es kann aber nicht um ein Entweder-oder gehen, sondern nur um ein Sowohl-als-auch. Denn wir brauchen in unserer Arbeitswelt beides: Meister und Master. Gerade in den Mangelberufen brauchen wir nicht nur eine attraktive Bezahlung. Vielen Arbeitnehmer*innen sind eine bessere Work-Life-Balance, eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Aufstiegschancen in Leitungspositionen wichtiger.

Ich persönlich bin ein Fan unseres durchlässigen Schulsystems, denn es bietet auch Kindern und Jugendlichen, die keine ganz gerade Schullaufbahn haben oder nicht ins Bildungsbürgertum hinein geboren sind, gute Chancen doch noch ihren "Traumjob" zu finden. Das ist keine Utopie, aber es bedarf neben Durchhaltevermögen auch individueller Unterstützung vor allem durch Lehrer, Ausbilder, Sozialpädagogen. Um all das Vorgenannte möglich zu machen, muss die finanzielle Ausgestaltung im Bundeshaushalt verbessert werden. Dort sind zwar gut 21 Milliarden Euro dafür vorgesehen, aber dies macht gerade einmal 4,5 Prozent des Gesamthaushaltes aus. Zum Vergleich: Arbeit und Soziales nimmt 2023 mit 166 Milliarden Euro mehr als ein Drittel des gesamten Haushaltsvolumens ein.

Marcel.Gabriel-Simon(at)kolping.de


Foto: Wavebreakmedia/iStockphoto

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