Ausgabe 3-2020 : Juli

Was es heißt, Gott zu bitten

Bei jeder menschlichen Bitte ist Gott im Spiel – selbstlos und ohne Rückbezug auf den eigenen Vorteil hat er alle Menschen mit ihren Sorgen und Nöten im Blick. Ein Zauberstab ist das Gebet allerdings nicht.

In persönlichen Gebeten und Gottesdiensten sprechen wir Bitten und Fürbitten. Wir wissen uns so nahe mit Gott, mit Christus verbunden, dass wir ihn bitten dürfen. Glaubende sind Vertrauende und Hoffende. Fürbitten sind das Gebet der Glaubenden. Manchmal entsteht der Eindruck, dass Gott mit einem persönlichen Wunscherfüller verwechselt wird. Worum bitte ich? Was ist der Inhalt unserer Fürbitten?

„Das Gebet ist kein Zauberstab“, sagt Papst Franziskus. Wenn ich doch imstande wäre, mit der ganzen Kraft des Herzens dies eine zu wollen: den Willen Gottes! Wenn mir vor allem dies geschenkt würde: ein ganz tiefes Verständnis für den überragenden Wert dieser Gabe. Ich könnte endlich anfangen, mich ganz auf dieses Kostbarste zu konzentrieren; wäre endlich beschützt vor der schrecklichen Zudringlichkeit all der anderen Dinge, die mit ihrer marktschreierischen Kraft immer wieder meine Aufmerksamkeit besetzen und für sich beanspruchen.

Darum geht es. Wirklich zu bitten: Dein Wille geschehe! Und daraufhin so vieles lassen können. Gott bitten heißt: seine eigene Freiheit einzusetzen, seinem Leben eine neue Richtung zuteilen zu lassen, meine Energie auf ihn zu setzen – auf das Vertrauen ihm gegenüber.

Gott liebt den Menschen. Seine freie Bindung an den Menschen ist eine von Liebe getragene Bindung. Darum nutzt er den Menschen nicht aus, hört nicht nur mit halbem Ohr hin, sondern bleibt wirklich von innen her offen. Darum lässt er ihm auch weiterhin die Wahl, lässt ihm seine Entscheidungsfreiheit. Und mitten in den Katastrophen und scheinbaren Untergängen hört er auf die Bitte des Menschen, ihn doch zu retten. Gott ist im Spiel bei jeder menschlichen Bitte, selbstlos und ohne Rückbezug auf den eigenen Vorteil. Gott hat nun einmal den Menschen hineingenommen in seine ewige Liebe.

Darum dürfen und sollten wir beharrlich bitten. Gott bitten heißt nicht, einen Einsatz im Lotto wagen, auf den wir heute hoffen und den wir morgen als vergeblich verwerfen; Gott bitten heißt, auf ihn hinzuleben und alles von ihm zu erwarten. Die Corona-Pandemie hat uns dies deutlich vor Augen geführt: Das Undenkbare und Unvorhersehbare ist das Reale im Leben und im Glauben.

Fürbitten sind Gebet. Gebet zum lebendigen Gott, der auf uns Menschen reagiert. Der Dialog zwischen Gott und Mensch ist sehr konkret. „Bittet und ihr werdet empfangen.“ Die Antwort liegt in Gottes Hand. Unser Glaubensleben ist lebendig, wenn es Gottes Nähe findet, seine Begleitung, seine Antwort in meinem Leben, seinen Willen in meinem Alltag. Unser Gebet darf keine Routine sein und kein Geplapper. Es muss wahrhaftig bleiben und offen. Weil Gott uns Menschen nachgeht und unsere Gemeinschaft sucht, darf der Mensch für sich und die anderen Menschen bittend vor Gott treten. Es gibt vor Gott keinen Menschen ohne den anderen Menschen, den Nachbarn, den Freund, die Familie, den Nächsten, der überall leben kann. Alle Menschen mit ihren Sorgen und Nöten hat er im Blick. Gott liebt jeden und jede. Alles dürfen wir von Gott erwarten. Das ist Fürbitte. Mehr geht nicht.

Josef Holtkotte
Bundespräses

Kolpingwerk Deutschland
50606 Köln

bundespraeses(at)kolping.de

Fotos: Karl Frank/pixabay, Marian Hamacher