Ausgabe 3-2021 : Juli

Sprache des Himmels

Gottesdienste während der Corona-Pandemie sind leiser: Der gemeinsame Gesang fehlt schmerzhaft. Denn Musik ist mehr als nur ein Produkt des Menschen. Sie setzt dort an, wo Worte versagen – und wird überall verstanden.

Die Musik hat im Leben der Menschen eine herausragende Bedeutung. Wir hören sie konzentriert oder nebenbei, aufmerksam oder als Geräuschkulisse. Wir werden sehr unterschiedlich und individuell von Musik berührt. Es gibt Musik, die uns nachdenklich, melancholisch oder traurig macht. Es gibt Musik, die uns zu Optimismus, zu Helligkeit und Fröhlichkeit bewegt. All das, was uns das Leben schwermacht, was uns bedrückt, kann durch die Musik verblassen, verändert und auch weggespült werden.

In der Kirche, im Gottesdienst hat die Musik eine jahrhundertealte Tradition. Die Orgel hat dabei eine besondere Bedeutung.

Die Musik bringt Zeitepochen und damit vielfältiges menschliches Leben zum Klingen. Die Liturgiekonstitution des 2. Vatikanischen Konzils hebt das hervor: „Die überlieferte Musik der Gesamtkirche stellt einen Reichtum von unschätzbarem Wert dar.“ Außerdem heißt es, dass „der Gesang einen notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie ausmacht“, der also nicht nur schmückendes Element ist (SC 112).

„Ich will Gott singen, solange ich lebe. Ich will meinem Gott spielen, solange ich da bin“, so beten wir im Psalm (Ps 104,33).

Gesang und Musik sind also nicht Kleid – etwas Äußerliches – sondern Leib – etwas Wesentliches – der Liturgie. Der Gesang ist nicht Beiwerk, sondern Bestandteil. So tragen Musizierende, Sängerinnen und Sänger im Gottesdienst dazu bei, dass die Mitfeiernden in ihrem Glauben gestärkt werden, dass sie Hoffnung bekommen für ihr eigenes Leben und Mut, der auf Christus gründet. „Ich will Gott singen, solange ich lebe. Ich will meinem Gott spielen, solange ich da bin“, so beten wir im Psalm (Ps 104,33). Wie sehr uns der Gesang in unseren Gottesdiensten fehlt, erleben wir während der Corona-Pandemie schmerzhaft.

Was ist eigentlich Musik? Woher kommt sie und wohin führt sie den Menschen? Zunächst könnte man sagen: Musik ist etwas, das der Mensch macht, indem er singt, ein Instrument spielt, komponiert. Musik ist eine große Möglichkeit, sich auszudrücken, wenn Worte an ihre Grenzen stoßen. „Wer liebt, der singt“, sagt der heilige Augustinus. 

Musik verbindet und stärkt Menschen

Musik ist mehr als nur Produkt des Menschen. Musik ist Sprache des Himmels, die überall auf der Welt verstanden wird. Musik ist Geheimnis.

Unser menschliches Leben kennt vieles, das nicht rational fassbar ist und trotzdem ausgedrückt werden muss. Es gibt das Unaussprechliche, das uns erfüllt und das wir äußern möchten, aber nicht in Worte kleiden können. Hier hilft Musik. Sie kann dort, wo Worte versagen, unsere Gestimmtheiten zum Ausdruck bringen: Freude, Begeisterung, Dankbarkeit, Hoffnung, Liebe; auch Einsamkeit, Trauer, Schmerz finden musikalischen Ausdruck. 

Gesungene Worte nehmen teil am Verkündigungsauftrag der Kirche und reihen sich ein in die Reihe der Beter und Beterinnen, die gemeinsam Antwort geben; die den Herrn immer wieder anrufen; die miteinander auf dem Weg sind; die ihre innere Überzeugung zum Ausdruck bringen und bekennen, was ihnen der Glaube bedeutet. 

Musik und Gesang sind ein großer und wichtiger Teil unseres Lebens und Ausdruck unserer eigenen Gefühle. Musik machen und Musik erleben, verbindet und stärkt Menschen. Durch die Musik erklingt der Zusammenhang von Leben und Glauben.

Die Musik ist Verkünderin des Glaubens, Trägerin von Hoffnung und Sinnbild der Liebe Gottes. Musik weitet den eigenen Horizont und weist auf die Zukunft hin. Sie trägt dazu bei, den Menschen Glaube, Hoffnung und Liebe zu schenken.

Weihbischof Josef Holtkotte
Bundespräses

Kolpingwerk Deutschland  
50606 Köln

bundespraeses(at)kolping.de

Fotos: Marian Hamacher, Elsemargriet/pixabay