Ausgabe 3-2022 : Juli

"Mein Handwerk selber mitgestalten"

Selbstverwaltung ist ein sperriger Begriff. Was sich dahinter verbirgt, klärt Torben Schön, Referent für Arbeitswelt und Soziales beim Kolpingwerk Deutschland, im Gespräch mit Elektromeister Bernd Münzenhofer. Er ist Arbeitnehmervertreter in der Handwerkskammer Düsseldorf und Vorstandsmitglied im Kolping-Diözesanverband Köln.

Kolping-Referent Torben Schön (links) traf Bernd Münzenhofer im Kölner Stadthotel am Römerturm.

Torben Schön: Wie bist Du zu Deinem ehrenamtlichen Engagement in der handwerklichen Selbstverwaltung gekommen?

Bernd Münzenhofer: In der Regel wächst man in die Aufgaben der Selbstverwaltung Schritt für Schritt hinein. Als erstes war ich Mitglied im Gesellenausschuss, der die Interessen der Arbeitnehmenden in der Innung vertritt, etwa bei der Aus- und Weiterbildung. Dabei ist man nicht weisungsgebunden, so dass die demokratisch gewählten Mitglieder ihre Tätigkeit vielmehr frei ausüben können. Für diese Aufgabe wird man vom Arbeitgeber ohne Minderung des Arbeitsentgelts freigestellt, wie bei den anderen Tätigkeiten auch, auf die wir noch zu sprechen kommen.

Danach wurde ich Mitglied im Prüfungsausschuss, der im Auftrag der Handwerkskammern tätig ist. Insgesamt gibt es in Deutschland aktuell mehr als 300.000 Prüfende, die Abschlussprüfungen abnehmen und so gewährleisten, dass die Prüfung nah an der Lebensrealität erfolgt. Später war ich dann auch Mitglied im Berufsbildungsausschuss, der sich um Fragen der Ausbildungsgestaltung kümmert.

Eine weitere Ebene höher kam ich durch meine Wahl in die Vollversammlung der Handwerkskammer, das oberste Gremium dieser Institution. Hier sind die Arbeitnehmenden mit einem Drittel vertreten. Damit haben wir schon ein recht starkes Mitspracherecht, was wir nutzen und auch weiterhin sehr aktiv nutzen sollten, um unser Handwerk und unseren Arbeitsbereich selber mitzugestalten.

Eine wichtige Aufgabe, für die immer wieder engagierte Nachwuchskräfte gebraucht werden … 

Münzenhofer: Sicher liegt eine große Herausforderung in den kommenden Jahren darin, dass die Babyboomer in Rente gehen und damit brechen viele Ehrenamtliche dann auch für die wirtschaftliche Selbstverwaltung weg. Mein Vorschlag wäre, dass vor den Wahlen zur Vollversammlung jedes Mitglied Kolleginnen und Kollegen ansprechen sollte, die sich für eine Kandidatur interessieren könnten. Die aktiven Mitglieder können sehr gut in ihrem Umfeld erkennen, wer hierfür Potential hat und diese Person direkt ansprechen und motivieren. Diese Chance sollten wir viel mehr nutzen.
 

Was kann denn junge Leute motivieren, hier ihre Zeit zu investieren? Was hat Dich die ganzen Jahre bei der Stange gehalten?

Münzenhofer: Ein wichtiger Grund ist, dass man selber durch diese Aufgaben wächst und seine Persönlichkeit weiterentwickelt: Man lernt sich besser auszudrücken, seine Interessen besser zu formulieren und diese strategisch und damit erfolgreicher durchzusetzen. Man kommt außerdem auch mit vielen wichtigen Personen in Kontakt, wie Bundestagsabgeordneten und anderen hohen Entscheidungsträgern aus Politik, Kirche und Gesellschaft. Dies alles hilft nicht nur bei den Aufgaben in der Selbstverwaltung, sondern auch ganz oft im "normalen" beruflichen Alltag oder auch im privaten Bereich.

Dies lernt man zum einen einfach durch die Tätig­keit selbst, aber auch durch viele Seminarange­bote, wie etwa die Seminare von Prüf mit!, die Kolping gemeinsam mit dem DGB durchführt. Oder durch Veranstaltungen, die in den letzten Jahren über das Projekt "Perspektive Selbstverwaltung – PerSe" angeboten wurden. Hier reichen die Angebote von den fachlichen Grundlagen zur Durchführung von Gesellenprüfungen bis hin zu Rhetorik­seminaren.

"In der Vollversammlung der Handwerkskammer sollten wir Arbeitnehmenden unser starkes Mitspracherecht aktiv nutzen."
Bernd Münzenhofer

Worauf muss man achten, wenn man sich in der Selbstverwaltung engagieren möchte? 

Man muss schon sagen, dass für dieses Engagement Zeit aufgebracht werden muss, denn die Arbeit in der Selbstverwaltung ist meist "on top". Deswegen ist es sehr wichtig, dies vorher mit der Familie und dem Arbeitgeber abzustimmen. Zwar ist der Arbeitgeber zu einer Freistellung gesetzlich verpflichtet. Aber man sollte hier Absprachen treffen, wie die eigene Arbeit und das Engagement in der Selbstverwaltung miteinander vereinbar sind. Denn die alltägliche Arbeit darf unter diesem Engagement nicht leiden. Und man muss für sich auch klar haben, dass man dieses Amt will, da Sitzungen eben auch an sonnigen Tagen stattfinden oder parallel zu anderen Veranstaltungen in der Freizeit. Meine Erfahrung ist allerdings, dass dies alles machbar ist und sich in der Regel immer Lösungen dafür finden lassen.

Welche Rolle spielt für dich Kolping in der Selbstverwaltung?

Münzenhofer: Eine ganz entscheidende. Denn die Diözesanverbände haben die wichtige Aufgabe des Listenführers für die Vollversammlung. Hier stellen sie in vielen Handwerkskammern gemeinsam und in enger Absprache mit dem DGB die Kandidierenden auf. Über diese Listen werden dann die Mitglieder für die Vollversammlung der Handwerkskammern gewählt. Darüber hinaus kommt Kolping auch eine wichtige Aufgabe bei der Nachwuchsgewinnung zu, da die Diözesanverbände oft sehr aktiv nach neuen Leute suchen müssen, um diese für dieses Amt zu begeistern versuchen. Hier wird teilweise sehr viel Zeit investiert, ohne dass man dies direkt sieht, aber es ist eine außerordentlich wichtige Aufgabe die Kolping hier für das Handwerk übernimmt!    

Die Verbindung von Kolping und Handwerk kann man auch an der schönen Tradition der Fronleichnamsprozession in Köln erkennen. Hier gehen die Handwerker mit und auf den Bannern bzw. Fahnen der Innungen sind oft auf der einen Seite das Gewerk und auf der anderen Seite Adolph Kolping abgebildet. Danach kommt man in der Kreishandwerkerschaft für einen Austausch zusammen. Auch dieser soziale Aspekt ist eine gute Tradition und gehört selbstverständlich zur Selbstverwaltung.

Prüf mit!

Das nächste Seminar findet vom 14. bis 16. Oktober 2022 in Bielefeld statt. Hierzu kann man sich gerne noch anmelden:
https://pruef-mit.de/
 

Fotos: Christoph Nösser/Kolpingwerk Deutschland