Ausgabe 4-2022 : Oktober

Kolping – bis heute Mitgestalter im Handwerk

Die aktive Mitgestaltung des Handwerks hat bei Kolping Tradition. Denn aus Sicht des Verbandes entscheiden vor allem die Arbeitsbedingungen darüber, ob das Handwerk gut für die Zukunft aufgestellt ist. Kolpingmitgliedern bieten sich hier vielfältige Mitwirkungsmöglichkeiten.

Viele Handwerker:innen leben die Werte von Kolping mit großem Engagement: sei es im ganz normalen Arbeitsalltag oder in den vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten, die es den Engagierten ermöglichen, im Rahmen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung ihre Vorstellungen von einer guten Arbeitswelt einzubringen. Hierzu gehört vor allem die Arbeit in der Vollversammlung der Handwerkskammer (HWK), wo die Delegierten alle für das Handwerk relevanten Themen für den jeweiligen Kammerbezirk entscheiden. Hierbei oder auch als Prüfer:in bei den Gesellen- oder Meisterprüfungen engagiert mitzuarbeiten ist nicht nur im Interesse des Berufsstandes, sondern auch im eigenen Interesse.

Bei der Mitgestaltung des Handwerks hat das Kolpingwerk Deutschland als Verband vielfältige strukturelle Aufgaben. Die besondere Stärke des Verbandes liegt in der guten Zusammenarbeit von verschiedenen Menschen und Gremien. Denn für eine wirkungsvolle Vertretung der Interessen der Arbeitnehmenden ist es unerlässlich, dass es ausreichend qualifizierte Vertreter gibt, die sich untereinander vernetzen, ihre Vorstellungen untereinander koordinieren und abstimmen.  Dies geschieht beispielsweise im Rahmen der Tagung der Arbeitnehmervizepräsident:innen des Deutschen Handwerkskammertages (DHKT). Dazu treffen sich die Vizepräsident:innen halbjährlich in einer der Handwerkskammern, um sich zwei Tage über aktuelle Themen des Handwerks auszutauschen. Ständige Gäste sind dabei der DGB und Kolping, aber auch weitere Gäste sind in der Regel zu inhaltlichen Punkten eingeladen. 

Gemeinsames Ziel ist es, den Interessen der Arbeitnehmenden im Handwerk Nachdruck zu verleihen. Eine starke Interessenvertretung wird dadurch möglich, dass man voneinander lernt, sich auf gemeinsame Ziele verständigt und diese dann gegenüber den Arbeitgebern vertritt. Dies können die Vizepräsident:innen dann im Präsidium ihrer Kammer oder gemeinsam auf Bundesebene mit Hilfe von Erklärungen oder Resolutionen tun, die sie auf ihren Tagungen verabschieden. So wurden in Regensburg eine Resolution zur Energiekrise beschlossen, die auch von der Fachgruppe Handwerk unterstützt wurde, und ein Papier zur Stärkung des Ehrenamtes diskutiert.  

Die Vertreter der Diözesanverbände Regensburg und Passau treffen sich mit drei Vizepräsident:innen.

Kolping ist einer der größten Player auf Arbeitnehmerseite

In jeder HWK ist die Vertretung der Interessen der Arbeitnehmenden unter anderem dadurch gesichert, dass jeweils einer der beiden Vizepräsident:innen-Posten von den Arbeitnehmenden besetzt wird. Der andere steht den Arbeitgebenden zu. In den bundesweit insgesamt 53 HWK werden auf Arbeitnehmerseite aktuell 11 Vizepräsident:innen von Kolping gestellt, die anderen vom DGB. Auf diese Weise leisten die Kolpingmitglieder einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Beschäftigtem im Handwerk bessere Arbeitsbedingungen erhalten. Es ist mittlerweile Routine, dass sich die 11 Kolping-Vizepräsident:innen bereits vor der eigentlichen DHKT-Tagung zusammensetzen, um Themen des Handwerks mit besonderer Relevanz für Kolping zu diskutieren. Diese Austauschrunde, die vom Bundessekretariat des Kolpingwerkes vorbereitet und durchgeführd wird, ist aktuell sogar noch einmal zeitlich ausgeweitet worden, weil in der Regel immer viele Themen anstehen und der konstruktive Austausch von allen geschätzt wird.

In diesem Herbst fand die DHKT-Tagung in Regensburg statt, wozu die Kolping-Vizepräsidentin Kathrin Zellner einlud. Dieser Einladung folgten sogar Stefan Cibis von der Nordsee und Jens Roost von der Ostsee, so dass sich alle am Freitagmorgen in der HWK Niederbayern-Oberpfalz bei Butterbrezeln zusammenfanden. Gegenstand der Beratungen waren dieses Mal weniger allgemeine Handwerksthemen, sondern die Frage, wie das Handwerk auch bei Kolping weiter gestärkt und gerade junge Menschen durch Kolping für die Mitwirkung im Handwerk motiviert werden können.

Ein großer Teil der Aktivitäten im Handwerk findet aber nicht auf Bundesebene statt, sondern in den jeweiligen Handwerkskammern. Auf der Seite von Kolping sind die Diözesanverbände zuständig. Ihnen fällt vor allem die Aufgabe zu, die Kandidat:innen für die Vollversammlung aufzustellen, die das höchste beschlussfassende Organ der HWK ist. Aber es ist nicht immer einfach, interessierte Handwerker:innen für diese ehrenamtlichen Aufgaben zu gewinnen. Diese Herausforderung wird sich auch in den nächsten Jahren zunehmend verschärfen, weil die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen und die jetzt ins Berufsleben startenden Jahrgänge zahlenmäßig deutlich schwächer sind. Zudem unterscheiden sich die jüngeren Leute sowohl in ihrem Verständnis von Ehrenamt als auch in ihren Erwartungen von früheren Handwerkergenerationen. Zwar gibt es weiterhin viel Bereitschaft sich bei politischen Bewegungen wie zum Beispiel Fridays for Future zu engagieren. Die »klassischen« Felder der Mitwirkung wie die wirtschaftliche Selbstverwaltung im Handwerk stoßen dagegen auf geringeres Interesse.

Genügend junge Menschen durch zeitaufwendiges persönliches Werben für das Ehrenamt zu gewinnen, ist deshalb eine dringende Aufgabe, der sich die Gruppe der derzeit im Ehrenamt Aktiven mit großem Nachdruck zusammen mit dem jeweiligen Diözesanverband und in enger Kooperation mit dem DGB widmen muss.

Um dies und andere Themen zu diskutieren, haben sich einige Vizepräsident:innen bereits am Tag vor der eigentlichen Veranstaltung mit Vertretern der Diözesanverbände Regensburg und Passau zu einem gemeinsamen Abendessen im Kolpinghaus Regensburg getroffen. Dabei kam eine sehr anregende Diskussion in Gang, und es zeigte sich einmal mehr, dass der direkte Austausch wesentlich dazu beiträgt, von den Erfahrungen anderer zu lernen und so für die eigenen Arbeit zu profitieren und damit das Handwerk im Kolpingwerk voranzubringen.

Zusammenarbeit besiegelt (v.l.n.r.): Referatsleiterin Handwerk Silvia Grigun und Stefan Körzell vom DGB-Bundesvorstand trafen sich zu einer Videokonferenz mit Torben Schön, Referent für Arbeitswelt und Soziales, sowie Bundessekretärin Alexandra Horster vom Kolpingwerk Deutschland.

Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften

Neben der Koordination innerhalb des Verbandes, kommt der Zusammenarbeit mit dem DGB eine sehr wichtige Bedeutung zu. Deshalb nimmt traditionell auch die Referatsleiterin des Handwerks beim DGB an der Vorbesprechung der Kolping-Vizepräsident:innen teil. Denn den DGB und Kolping verbindet in weiten Teilen ein gemeinsames Eintreten für die Belange der Arbeitnehmenden. Der Gewerkschaftsbund und der katholische Sozialverband verstehen sich weniger als Konkurrenz, sondern als gemeinsame Arbeitnehmerbank, die ihre Interessen gegenüber den Arbeitgebern vertritt. Dies bedeutet zwar nicht, dass man dadurch in allem gleicher Meinung sein muss. Denn beide haben eine unterschiedliche Herkunft und unterscheiden sich in ihrem Selbstverständnis. Aber trotz dieser Unterschiede kann man sich oft im Sinne der Arbeitnehmenden auf gemeinsame Positionen verständigen, die helfen, das Arbeitsleben zu verbessern.

So traf sich im September dieses Jahres auch Alexandra Horster als neue Bundessekretärin mit Stefan Körzell, der im geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB für das Handwerk zuständig ist. Der Vorteil der langjährigen Kooperation: Auf Bundesebene konnten Kolping und der DGB im vergangenen Jahr die Novellierung der Handwerksordnung (HwO) mit gemeinsamen Stellungnahmen und Diskussionen begleiten und damit stärker die Interessen der Arbeitnehmenden dort verankern.

Das Handwerk ist heute oft nicht das erste, woran man denkt, wenn man den Namen Kolping hört, und auch nicht jedes Kolpingmitglied verbindet an erster Stelle das Handwerk mit dem Verband. Dennoch gibt es viele Engagierte, die sich sehr aktiv und äußerst konstruktiv hier einbringen. Dadurch hat Kolping weiterhin eine gewichtige Stimme, mit der der Verband viel bewegen kann, wenn es darum geht, ein christlich geprägtes Verständnis von einer guten Arbeitswelt in die Arbeitsbedingungen im Handwerk einzubringen.