Ausgabe 3-2022 : Juli

Einfach vom Menschen ausgehen

Regenbogenfamilien sind eine Realität – im Verband und in der Kirche.

Paul (links) und Nicolai wollen ihre staatliche Ehe mit einer kirchlichen Segnungsfeier besiegeln.

"Familie ist für mich persönlich da, wo Kinder sind", findet Paul Schroeter. Auch wenn die Kinder nicht vom Himmel fallen, wie er lachend sagt, schon gar nicht für ihn und seinen Ehemann. Paul, 28, ist Theologe und arbeitet als Referent beim BDKJ-Diözesanverband Paderborn. Durch seine Eltern und die Messdiener fand er zur Kolpingjugend, wo er sich in seiner Heimatgemeinde engagierte, später als Diözesanleiter im Bistum Münster, heute ist er Landesleiter der Kolpingjugend NRW. Im Bundesverband leitet er die AG Heute für morgen.

Seit zwei Jahren ist Paul mit seinem Mann Nicolai verheiratet; sie bauen ein Haus, wünschen sich Kinder. Entweder als Adoptiveltern oder auch als Pflegefamilie. "Wir sind beide Familienmenschen", erzählt Paul. "Wenn ich an meine Eltern, meine Schwestern, meine Großeltern und meine Schwiegerfamilie denke – Familie ist ein sicherer Hafen und gibt mir Halt." Die meisten Menschen hielten es für etwas ganz Selbstverständliches, Familie zu haben – oder zu werden. Doch Paul und Nicolai erleben das anders. "Familie ist etwas, das wir uns erarbeiten müssen", sagt Paul.
 

Seit zwei Jahren sind Paul und Nicolai verheiratet.
"Familie ist für mich persönlich da, wo Kinder sind."
Paul Schroeter

Gerade für männliche Paare ist der Weg zur Adoption noch immer aufwendig und voller bürokratischer Hürden. Doch die wollen Paul und Nicolai  gemeinsam als Paar meistern. Paul hat nicht das Gefühl, dass er und sein Mann im Kontakt mit Behörden zumindest im Zuge des gemeinsamen Bauvorhabens irgendwelchen Vorbehalten begegnet wären. Menschen, die im Umgang mit queeren Paaren unsicher seien, würden schonmal nachfragen: "Wie dürfen wir Sie ansprechen?" Manchmal dauert es lange bis die schriftliche Anrede korrigiert ist und manchmal geschieht dies schnell. Skepsis löse eher das aus, was derzeit ohnehin alle umtreibe, sagt Paul: "Jetzt ein Haus bauen, ein Kind bekommen, wo alles teurer, unsicherer wird." Das betreffe letztlich aber alle Menschen, die ge­rade in der Familiengründung sind. "Familie ist nicht abhängig vom Chromosomensatz der Eltern", betont Paul.
 

Gerne erinnert sich Paul an seine Kindheit mit seinen Schwestern Eva und Ida (von links).

Was also in der Gesellschaft schon zum Alltag gehört, markiert innerhalb der katholischen Kirche allerdings noch immer einen großen Konfliktpunkt. Die traditionelle kirchliche Morallehre sieht in der Liebe zwischen zwei Menschen, die sich nicht als Mann und Frau und heterosexuell definieren, einen Verstoß gegen die Schöpfungsordnung. §Das ist schon verletzend, wenn man es an sich heranlässt", gibt Paul zu. "Auf der anderen Seite spüren wir auch viel Solidarität. Kirche erlebe ich ja nicht in Rom, sondern im persönlichen Umfeld. Bei Kolping wie auch in meiner Heimatgemeinde erfahren wir als Paar sehr viel Unterstützung." 

Dazu gehört auch, dass Paul und Nicolai ihre Ehe mit einer kirchlichen Segnungsfeier besiegeln. "Da bewegt sich was", beobachtet Paul, der als Theologe über die aktuellen Debatten auf dem Laufenden ist. "In der Theologie gibt es auch Aufbrüche, neu von der Schöpfungsgeschichte her zu denken. Gott hat alle Menschen mit gleicher Würde geschaffen, das ist für mich der Ausgangspunkt."

Leitbild mit Leben füllen

Diese Sichtweise wünscht er sich nicht nur für die Theologie, sondern auch für seinen Verband, der gerade über ein neues Leitbild debattiert. Erstmals soll dabei der Familienbegriff für queere Formen des Zusammenlebens und der Verantwortungsübernahme geöffnet werden. Paul findet das Leitbild vor allem für die Positionierung von Kolping nach außen wichtig: Zum Beispiel könnte der Verband mit einem aktualisierten Familienbegriff Initiativen wie "Out in Church" mittragen, mit der in diesem Frühjahr queere Mitarbeiter:innen aus der Kirche an die Öffentlichkeit gegangen sind. Innerverbandlich komme es aber vor allem darauf an, meint Paul, dass das Leitbild im konkreten Alltag mit Leben gefüllt werde. "Ich erinnere mich an mein Engagement als Helfer im Kolping-Ferienland Salem. Da waren fast ausschließlich Familien aus Vater, Mutter, Kindern. Ich wünsche mir, dass auch Regenbogenfamilien die Angebote des Verbandes entdecken können und sich davon bereichern lassen." Das ist für ihn weniger eine theoretische Frage von Statuten und Leitbildern. "Vor allem kommt es darauf an, dass wir bei allen Überlegungen einfach vom Menschen ausgehen."


Fotos: privat

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1 Kommentare

  • Martin Hillenbrand
    am 12.01.2023
    Lebenswirklichkeit nicht verbiegen

    Bei allem Respekt vor persönlichen Lebensentscheidungen: wenn Paul Schroeter behauptet, dass Familie nichts mit dem Chromosomensatz der Eltern zu tun habe, muss dem deutlich widersprochen werden. Wenn homosexuelle Paare verleugnen oder verschweigen wollen, dass neues Leben aus der Verbindung zwischen Mann und Frau entsteht, so mag sich das daraus erklären, dass die Existenz des andersgeschlechtlichen Elternteils das eigene Lebenskonzept verunsichert und am liebsten gar nicht wahrgenommen wird. Aber die Lebenswirklichkeit ist anders: jedes Kind hat eine Mutter und einen Vater.

    Es ist davon auszugehen, dass der Kontakt zu beiden Eltern für die persönliche und geschlechtliche Identitätsentwicklung des Kindes wichtig ist. Im Fall einer Trennung der Eltern geht es oft darum, den Kontakt zum abwesenden Elternteil unter erschwerten Bedingungen aufrechtzuerhalten, umso mehr wenn dieser das Geschlecht des Kindes hat. Und wenn es tatsächlich zu konflikthaft ist, sollte zumindest ein innerlicher Kontakt möglich bleiben. Hierfür spielt es keine Rolle, ob ein eventueller Stiefelternteil nicht genauso gut oder sogar noch besser mit dem Kind umgehen kann.

    Wenn also Kinder bei einem homosexuellen Paar aufwachsen, ist es eine wichtige Frage, wie sie ihre Beziehung zum anderen Elternteil leben können. Die flapsige Aussage, dass der Chromosomensatz der Eltern (sprich: ihr Geschlecht) keine Rolle spiele, lässt jedenfalls die Gefahr erahnen, dass die Lebenswirklichkeit zugunsten des eigenen Lebensmodells verbogen werden soll.

    Martin Hillenbrand
    (Kolpingmitglied)

    P.S.: Ich hatte diesen Text als Leserbrief am 20.9.2022 ans Kolpingmagazin geschickt. Aufgrund meiner Nachfrage habe ich erst heute erfahren, dass so etwas nur noch über diese Kommentarfunktion möglich ist. Daher der zeitliche Verzug zum Artikel.
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