Ausgabe 2-2023 : Mai

Eine ganze Stadt packt mit an

Kolping – ein alter Hut? In Bobingen nicht. Dort gibt es kaum jemanden, der sich Kolping nicht verbunden fühlt. Mit rund 800 Mitgliedern zählt die Kolpingsfamilie zu den größten im Verband. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

In Bobingen liegt die Tradition des Maibaum-Aufstellens in Kolpinghand. Hier zu sehen: Die Kolpingjugend mit ihrem "kleinen" Maibaum.

Am frühen Nachmittag trudeln wir – Anna Kirwald, die neue Referentin für Mitgliedergewinnung und Verbandsentwicklung, Fotografin Barbara Bechtloff und ich – nach langer Fahrt in Bobingen bei Augsburg ein und werden sofort von einem gut gelaunten Radfahrer begrüßt. Wie sich herausstellt, handelt es sich um Sebastian Hornig, erster Vorsitzender der örtlichen Kolpingsfamilie. Mit seinem Schriftführer, Walter Fehle, geht es dann auf Erkundungstour. Er ist Mitglied des Bundesvorstands und hat immer einen lustigen Spruch auf den Lippen.

 

Walter Fehle, Mitglied im Bundesvorstand und Schriftführer der Kolpingsfamilie Bobingen
"Eine Symbiose in der Zusammenarbeit mit der Pfarrgemeinde und Kolping ist immens wichtig."
Walter Fehle

Judith Hitzelberger, die zweite Vorsitzende, macht das Bobinger "Dreigestirn" komplett. Zunächst geht es für uns zur Kolpingkapelle, die am Ortsrand liegt. Dort warten weitere Mitglieder der Kolpingsfamilie Bobingen, die uns alle herzlich begrüßen. Die Stimmung ist gut und auch Petrus hält seinen nächsten Regenguss erstmal zurück. Ein Radweg führt unmittelbar an der Kapelle vorbei, sodass die naheliegende Bank viele Ausflügler zum Verweilen und einem Besuch der Kapelle einlädt. Seit letztem Jahr informiert eine Schautafel über die Entstehungsgeschichte.

Vor der Kolpingkapelle in Bobingen (v.l.): Jürgen Bacher, Walter Fehle, Judith und Robert Hitzelberger, Sebastian Hornig
Der Innenraum der Kolpingkapelle in Bobingen; Bilder v.l.: Der heilige Josef als Schutzpatron der Arbeiter, Adolph Kolping und die Entstehungsgeschichte der Kapelle.
Die Schautafel informiert über die Entstehungsgeschichte der Kolpingkapelle.
Das Kolpingkreuz ist ein Ort des Innehaltens im Bobinger Singoldpark.

Wie alles begann …

"Ist es möglich in vier Tagen eine Kapelle zu bauen?" Das fragen sich auch die Kolpinggeschwister in einer Bierlaune am Stammtisch. Top die Wette gilt, heißt es bald darauf und schnell wird aus der "Schnapsidee" ein Gemeinschaftsprojekt. Wozu hat man schließlich einen Architekten in der Kolpingsfamilie?! Nach diversen Vorarbeiten geht es im Juli 2004 in die heiße Phase. Am lokalen Handwerker- und Bauernmarkt wird parallel an Mauerwerk und Dachstuhl gearbeitet. Auch die Besucher des Marktes werden einbezogen: Gegen eine kleine Spende dürfen sie sich auf der Rückseite der Dachplatten verewigen.

Wenige Tage später werden die beiden Einzelteile an ihren späteren Standort transportiert. Und dann passiert es: Das Mauerwerk kippt ab. Schlimmeres lässt sich verhindern, sodass niemand verletzt wird. Allerdings sind nun große Teile des Mauerwerkes herausgebrochen. Das Projekt scheint gescheitert – die Enttäuschung ist groß. "Darum geht es eben: Nicht aufgeben und denken "Mist, war alles umsonst",  sondern einfach nochmal anpacken. Das war doch alles unser Werk; wir hatten das doch mit eigenen Händen so weit gebracht, wir konnten doch jetzt nicht aufgeben, das durfte nicht so enden. Und genau das war dann die Motivation", erzählt Jürgen Bacher, der damals mit Robert Hitzelberger live dabei war. Noch am selben Abend packen viele Kolpinggeschwister mit an, sodass mit nur einem Tag Verspätung der Dachstuhl aufgesetzt wird.

Der Kolping-Spirit

Das, was Jürgen Bacher da beschreibt, das ist der "Kolping-Spirit". Jene "Hands-on-Mentalität", die alle mit einbezieht, motiviert und aus kleinen Ideen, große Projekte werden lässt. Ein Teil des Erfolgsgeheimnisses. "Das ist ein Beispiel dafür, was Ehrenamt heutzutage bewegen kann, weil der Bau der Kapelle nämlich in zigtausenden Arbeitsstunden von der Planung, über die Realisierung, bis hin zur Einweihung in Ehrenamt geleistet wurde", betont Walter Fehle. Unsere nächste Station ist das Kolpingkreuz, dass im Singoldpark errichtet wurde. Das christliche Symbol fügt sich sanft in die Umgebung ein. Ein kleiner Bach fließt im Hintergrund und wieder lädt eine Bank zum Verweilen ein. Dezent wirkt das Kolping-K im unteren Bereich. Der Platz wird von Kolping gepflegt. Jedes Jahr finden dort Andachten und Gruppenstunden statt.

Jürgen Bacher war beim Bau der Kapelle dabei.
"Darum geht es eben: Nicht aufgeben,... sondern einfach nochmal anpacken."
Jürgen Bacher

Engagement in der Gemeinde

Aus dem Bobingener Stadtbild ist Kolping nicht mehr wegzudenken. Das wird uns klar, als wir durch den Stadtkern schlendern. Einzelne Schulhöfe und auch die Außenbereiche verschiedener Kindergärten sind von der örtlichen Kolpingsfamilie mitgestaltet worden. Gemeinsam mit der Pfarrgemeinde hat Kolping in Eigenleistung auch ein Lager gebaut, in dem Brauchtums-Materialien aufbewahrt werden. Vor der Kirche gibt es einen großen Schaukasten mit Informationen zu Kolping-Veranstaltungen. Eine weitere wichtige Tradition im Ort: Kolping ist für den Maibaum verantwortlich, der alle fünf Jahre auf dem Rathausplatz aufgestellt wird.

An vielen Orten taucht das Kolping-Logo auf. Auch das ein Teil des Erfolgsgeheimnisses. "Kolping ist im Stadtkern sichtbar. Wenn man was Gutes tut, soll man auch in die Öffentlichkeit gehen. Nur wenn was nach außen kommt, bemerken die Leute: Ah, das kommt von Kolping. Dann fragen sie sich, wer Kolping ist, finden das toll, und schließen sich uns an", erläutert Judith Hitzelberger.

Alternativangebote schaffen

Die Kolpingsfamilie Bobingen setzt immer da an, wo Unterstützung gebraucht wird. So ist zum Beispiel auch eine Alternative zur Kinderkrippe, die sogenannte "Nestgruppe" entstanden. Gegründet wurde die Nestgruppe zuvor unter der Trägerschaft des Katholischen Frauenbunds Bobingen. Diese wurde dann von Kolping übernommen. Der Bedarf für Betreuung im Ort war so groß, dass Kolpingschwester Imke Nees an drei Tagen in der Woche die hauptamtliche Betreuung von zehn Kindern im Alter von ein bis drei Jahren übernommen hat. Finanziell trägt sich die Nestgruppe durch den Beitrag der Eltern, die zudem im Betreuungsprogramm mitwirken. Das Engagement von Imke Ness geht weit über die Stunden hinaus, die von den Eltern abgegolten werden; sie betrachtet das als ehrenamtliche Tätigkeit. Anders wäre das Projekt nicht umsetzbar. "Bei Kolping ist es immer sehr unkompliziert. Man wird immer unterstützt und für alle Projekte findet man immer ein offenes Ohr", sagt Imke Nees.

Unter den Eltern der Nestgruppe sind langjährige Kolpingmitglieder, aber auch Zugezogene. Ganz ungezwungen lernen die Eltern Kolping kennen und schätzen. Neben neuen Mitgliedschaften stärkt das Projekt das Gemeinschaftsgefühl. Die Menschen spüren: Auf Kolping kann ich zählen.

Gertrud Schaller, Mitbegründerin der ersten Kolping Frauengruppe in Bobingen
Ein Bild aus den Anfängen der Frauen bei Kolping. Gertrud Schaller (hier hinten rechts mit gestreifter Bluse) war es wichtig sich auch als Frau bei Kolping engagieren zu können.
"Bei Kolping ist es immer sehr unkompliziert", meint Imke Ness, Leiterin der "Nestgruppe".
"Kolping ist im Stadtkern sichtbar", sagt Judith HItzelberger (2.Vorsitzende der Kolpingsfamilie Bobingen).

Frauen bei Kolping

Hier sieht man, wie wichtig Frauen für Kolping sind. Sie sind heute für die Gemeinschaft unentbehrlich. "Doch das war nicht immer so", berichtet Kolping-Urgestein Gertrud Schaller. Im Jahr 1974 heiratete Gertrud und wurde durch ihren Mann auf Kolping aufmerksam. Zu gern wollte sie sich mit anderen Frauen engagieren. Doch das war zu diesem Zeitpunkt noch undenkbar. Gertrud blieb am Ball. Sie erreichte die "Duldung" einer Mädchengruppe auf Probe. Ein Jahr lang mussten sich die Mädels nun "bewähren" und "beweisen", dass sie für ein Kolping-Engagement "geeignet" sind.

Ein Jahr später war die Hürde genommen und die Truppe mit dem Namen "Gertruds Gruppe" durfte loslegen. Allerdings wurde streng darauf geachtet, dass die Programmpunkte nicht denen des damaligen Frauenbundes und der KJG ähnelten. Deshalb war viel Kreativität gefragt, um innovative Programmpunkte zu finden. So trafen sich die Frauen häufig zum gemeinsamen Kochen exotischer Gerichte.

Pilotprojekt tschambolaya

"Damals", erinnert sich Gertrud, "wurden bei mir zu Hause auf dem Sofa so einige Pilotprojekte entworfen. Damals hatten wir noch keinen Gruppenraum. Da spielte sich alles bei uns zu Hause ab." Auch das Musik-Festival "tschambolaya" war zunächst nur eine verrückte Idee. Mittlerweile zieht das dreitägige Event hunderte Menschen aus der ganzen Umgebung an. Für das leibliche Wohl wird gesorgt, es gibt Mitmach-Aktionen für Jung und Alt, und mehrere Live-Cover-Bands heizen den Besucher*innen ordentlich ein. All das ist nur möglich, weil alle mitanpacken. "Ich bin stolz drauf, dass es sich so toll entwickelt hat", sagt Gertrud Schaller.

Großartig entwickelt hat sich in Bobingen auch die Zusammenarbeit mit der Pfarrgemeinde. Darum darf Kolping bei pfarrlichen Veranstaltungen für seine Gruppen werben. So erfahren viele Kinder von Kolping und schließen sich gleich nach ihrer Erstkommunion der Kolpingjugend an. "Eine Symbiose in der Zusammenarbeit zwischen der Pfarrgemeinde und Kolping ist immens wichtig. Auch bei uns gab es Höhen und Tiefen. Aber wenn das funktioniert, dann läuft’s bei Kolping. Das ist ein Teil unseres Erfolges", meint Walter Fehle.

Dass der Kolping-Spirit die Bobinger so in seinen Bann zieht, hat also viele Gründe. Über Jahre hat die Kolpingsfamilie Bobingen sich einen Namen in der Gemeinde gemacht. Es geht darum, sich für andere einzusetzen, nie aufzugeben, immer neue Wege zu suchen. Einfach zu vermitteln: Jede*r ist willkommen, jede*r soll mit anpacken – gemeinsam schaffen wir das.

Bevor es für uns nach Hause zurück geht, dürfen wir noch eine besondere Köstlichkeit genießen. Nach der für uns arrangierten Brotzeit, gibt es für jede*n einen leckeren "Kolping Eisbecher". Das gibt’s (bislang) wirklich nur in Bobingen.

Das Musik-Festival "tschambolaya" begeistert Jung und Alt

Die Kolpingsfamilie Bobingen hat auch einen Artikel über unseren Besuch geschrieben. Er ist hier zu finden: https://www.kolping-bobingen.de/chronik/besuch-aus-koeln/

Fotos: Barbara Bechtloff, Johannes Terschanski, Viktor Schwenk