Ausgabe 1-2021 : Februar

Da sein, um zu helfen

Im Sommer befanden sich mehrere Geflüchtetenunterkünfte in Quarantäne und mussten daher mit Lebensmitteln versorgt werden. Die Kolpingsfamilie Dahn stellte das vor eine besondere Herausforderung. Wie sie trotz der Infektionsgefahr geholfen hat.

Insgesamt elf Einkaufshelferinnen und -helfer erledigten rund 150 Einkäufe in nahezu 100 Einsatzstunden. Eine gute Organisation zum Schutz aller war dabei besonders wichtig.

Woher nehmen wir die Motivation zu helfen? Zu helfen, obwohl wir uns dabei selbst in Gefahr bringen. Die Kolpingsfamilie Dahn zumindest musste nicht lange überlegen, als sie von ihrer Verbandsgemeinde im Sommer 2020 um Hilfe gebeten wurde. Drei Einrichtungen in Dahn, in denen rund 70 Geflüchtete untergebracht waren, mussten im Juli unter Quarantäne gestellt werden und waren jetzt auf die Hilfe von „Draußen“ angewiesen. Schon zu Be- ginn der Pandemie im Frühjahr hatte die Kolpingsfamilie Dahn Menschen, die durch die Coronapande- mie in Schwierigkeiten geraten waren, schnell und unkompliziert geholfen. Frei nach dem Kolpingzitat, das in der Bibel seinen Ursprung findet: „Tue Gutes, wo du kannst ohne Ansehen der Person, und wer Hilfe bedarf, wo du sie leisten kannst, der ist dein Nächster.“

Lebensmittelpaket für Menschen, die in Not geraten sind.

Die Corona-Pandemie zwang alle Menschen, ihren Alltag neu zu gestalten. So erging es auch der Kolpings- familie Dahn. Statt der regulären Veranstaltungen und Aktionen organisierte sie schnell finanzielle Hilfen und Lebensmittelpakete für in Not geratene Men- schen. Die Einrichtung eines Spendenkontos war nur eine der vielzähligen Unterstützungsmaßnahmen, die die Kolpingsfamilie Dahn ergriff. Um die Kommunikationswege zu erleichtern, wurde kurzerhand eine spezielle Nummer eingerichtet, die per Nachricht oder WhatsApp schnell und unbürokratisch erreichbar war. So wollte man vor allem auch Personen ermutigen, um Hilfe zu bitten, die dies zuvor vielleicht nicht getan hätten. Denn ein Bedürftigkeitsantrag musste nicht gestellt werden, es reichte eine kurze Textnachricht mit dem Smartphone oder ein Telefonat. Hier lief alles un- ter der Devise „Helfen, wo es am dringendsten nötig ist.“ Diese Unterstützungen beliefen sich nicht nur auf kurzfristige finanzielle Unterstützungen. Die Familien werden weiterhin intensiv von der Kolpingsfamilie Dahn begleitet.

Bei jeder Wetterlage ist die Kolpingsfamilie Dahn im Einsatz.

Auch um die Kolping Roadshow Integration wurde es ruhiger, da aufgrund der Corona-Pandemie die Einsätze, Schulungen und Workshops größtenteils ausgesetzt waren, um nicht weiter zur Ausbreitung des Virus beizutragen. Partnerinnen und Partner vor Ort schlossen sich dieser Einstellung an und verschoben die geplanten Termine der Roadshow auf unbestimmte Zeit. Sobald Veranstaltungen in Präsenz wieder möglich sind – alles natürlich unter speziellen Sicherheitsvorkehrungen und Hygienemaßnahmen – soll es weitergehen. Dennoch wurde fleißig weiter an den Themen der Roadshow gearbeitet. Online gab es Lese-, Hör- und Info-Empfehlungen, um sich auch zu Hause in den eigenen vier Wänden mit den Themen Flucht, Migration und Integration zu beschäftigen. Wer mochte, konnte auch in den letzten Ausgaben des Kolpingmagazins und Idee & Tat informative Berichte zu diesen Themen nachlesen.

Quälende Zeiten

Bevor sich die Verbandsgemeinde beim Vorsitzenden der Dahner Kolpingsfamilie, Harald Reisel, meldete, hatten schon zahlreiche Firmen und Einrichtungen ihre Bitte um Unterstützung abgelehnt. Der Kolpingsfamilie war hingegen sofort klar, dass sie helfen möchte. Zwischen Juli und August waren in einer Einrichtung elf Personen mit dem Virus infiziert. Zur Sicherheit der anderen Bewohnerinnen und Bewohner und zur Verhinderung der Ausbreitung mussten hiermit auch die anderen Einrichtungen unter Quarantäne gestellt werden. Dies bedeutete vor allem für die Geflüchteten quälende Zeiten. Viele von ihnen, die in ihren Herkunftsländern und auf der Flucht schreckliche Dinge erleben mussten, fühlten sich eingesperrt oder wurden an diese Erfahrungen erinnert. Die drei Einrichtungen mussten nun in dieser Zeit der Quarantäne mit Lebensmitteln versorgt werden. Harald Reisel prüfte sofort, ob genügend Helferinnen und Helfer zur Verfügung stünden, besprach sich mit dem Vorstand sowie dem Gesundheitsamt und schritt zur Tat. Den ersten Einkaufstag, erzählt Reisel, erledigten sie zunächst familienintern, um Abläufe zu klären und zu schauen, was alles auf sie zukommen würde.

Schon vor Corona engagierte sich die Kolpingsfamilie für die Geflüchteten in der Gemeinde. In der Kleiderkammer können sich die Menschen günstig mit Kleidung ausstatten.

Spätestens bei der ersten Ankunft wurde klar: Hier muss gehandelt werden. „Ich sah in vollkommen verzweifelte Gesichter“, sagt Harald Reisel. Die Bewohnerinnen und Bewohner hätten Angst gehabt, dass nicht genug für alle da sei oder sie im Laufe der Zeit nicht regelmäßig versorgt werden würden. Nachdem alle von weitem einen Blick auf den mit Lebensmitteln gefüllten Kofferraum geworfen hatten, entspannte sich die Lage und es konnte ein Plan zur kontaktfreien Übergabe ausgemacht werden. An diesen Plan hielten sich alle der elf Einkaufshelferinnen und -helfer. Rund 150 Einkäufe und nahezu 100 Einsatzstunden waren das Ergebnis dieser Aufgabe. Mithilfe von Fotos der Einkaufslisten, dem Google-Übersetzer und WhatsApp-Nachrichten wurden die Einkaufswünsche der Bewohnerinnen und Bewohner gesammelt und in Kartons zusammengestellt. Manchmal, so Harald Reisel, war es schwierig, die Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner auf den aus Sicherheitsgründen fotografierten Einkaufszettel zu entziffern. Aber auch das meisterten die Bewohnerinnen und Bewohner gemeinsam mit den Einkaufshelferinnen und -helfern, indem sie sich Produktfotos hin und her schickten, Alternativen auswählten oder eine Person zum Dolmetschen befragten. In der Einrichtung, die die elf Infizierten beherbergte, waren die Einsätze mitunter am schwierigsten. Uwe Hauenstein und Reisel führten diese unter Einhaltung besonderer Sicherheits- und Hygienevorschriften durch. Mit Schutzkleidung und einem genauen Plan ausgerüstet, konnten alle Personen versorgt werden. Glücklicherweise und sicherlich auch wegen der akribischen Planung gelang es, dass sich von den Helferinnen und Helfern niemand ansteckte. 

Beim Begegnungscafé können sich alle austauschen.

Doch nicht nur in diesen Zeiten setzt sich die Kolpingsfamilie Dahn für geflüchtete Menschen ein. Bei Begegnungsnachmittagen, einer Kleiderstube und vielen ganz persönlichen Unterstützungsangeboten lernten sich die Kolpingmitglieder und die Neudahnerinnen und -dahner, wie Reisel sie nennt, schon vorher kennen. Die Kolpingsfamilie lud die geflüchteten Menschen in der Umgebung ein, sich in der Kleiderstube kostengünstig mit Klamotten, aber auch Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen zu versorgen. An einer Pinnwand konnten Gesuche und Angebote aufgehängt werden, sodass nach und nach alle mit den wichtigsten Dingen versorgt wurden. Bei Begegnungsnachmittagen lud die Familie zum Beispiel auch potentielle Arbeitgeber ein, um den Geflüchteten eine Anstellung, Ausbildung oder Ähnliches zu ermöglichen.

Dass also auch in diesen außerordentlichen Zeiten der Corona-Pandemie ein außergewöhnlicher Einsatz notwendig war, war der Kolpingsfamilie schnell klar. Es gab viel Zuspruch und Lob für diese Aktion, doch auch skeptische und missbilligende Blicke blieben leider nicht aus. „Als ich die Gelegenheit hatte, mich persönlich mit Geflüchteten zu unterhalten, erzählten sie mir von ihren Ängsten, den Bedrohungen im eigenen Land und den Qualen auf der Flucht. Für mich war das sehr erschreckend. Ich bin der festen Überzeugung, dass man diese Strapazen nur auf sich nimmt, wenn man keinen anderen Ausweg sieht. Daher kann ich persönlich nicht nachvollziehen, warum sich bestimmte Gruppen gegen Geflüchtete aussprechen und sie anfeinden. Ich engagiere mich für diese Menschen, weil sie es verdient haben, nach diesen Qualen ein besseres Leben zu bekommen“, sagt Harald Reisel. Genau aus dieser Motivation heraus, entschlossen sich die elf Einkaufshelferinnen und -helfer mit viel Mut und Gottvertrauen dazu, Personen in größter Not zu unterstützen. 


Text: Judith Valceschini
Fotos: Kolpingsfamilie Dahn/Petra Würth

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