Das Reisen ist es auch, womit es der Kolpingjugend im Diözesanverband Erfurt regelmäßig gelingt, Jugendliche von ihrem Angebot zu überzeugen. Zum wahren Vorzeigeprojekt ist die Ukrainehilfe geworden. 2005 suchte die Kolpingsfamilie Pößneck in den eigenen Reihen nach Spendern, die pro Monat zehn Euro für ein Patenkind in der Ukraine geben. Inzwischen freuen sich nicht nur 28 ukrainische Kinder über monatliche Zuwendungen, sondern Jugendliche in beiden Ländern über gegenseitige Besuche. „In einem Jahr kommen die ukrainischen Jugendlichen hierher, schauen sich unsere Kultur und die Arbeit der Kolpingjugend an, und in einem anderen Jahr fahren wir in die Ukraine und verbinden ein Kulturprogramm mit sozialen Hilfs- oder Verschönerungsaktionen im Dorf“, erklärt Alexander Blümel. In erster Linie gehe es darum, sich kennenzulernen und Kontakt zu anderen europäischen Jugendlichen aufzubauen. „Da sehen viele erst einmal, wie gut wir hier in Deutschland leben.“
Trotz des Erfolgs solcher Fahrten sieht er ähnliche Probleme wie sein Vater. „Wir haben wenige Jugendliche, die sich nur an eine Organisation binden wollen“, sagt der 20-Jährige. Zwar würden viele Jugendliche gerne an bestimmten Projekten mitarbeiten wollen, „aber es macht kaum jemand den Schritt, dass er sich an eine Kolpingsfamilie bindet“. Da merke man schon, dass die Kolpingbindung nicht sehr stark von den Eltern an die Kinder vererbt werde, findet Laura Eberhardt, die ebenso wie Alexander Blümel zum Diözeanleitungsteam gehört. „Die Jugendlichen kommen da eher von außerhalb“, sagt die 22-Jährige. Etwa über die Kolping-Kindertage. „Da bleiben wir dann dran, weil die meisten ja schon von Kolping gehört haben.“
Dass sie damit erfolgreich sind, freut auch Michael Meinung. Trotzdem sieht er die große Herausforderung, dass die ostdeutschen Kolpingsfamilien überaltert sind. 66,47 Jahre beträgt das Durchschnittsalter der Diözesanverbände Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz, Magdeburg und Berlin. Gut elf Jahre mehr als in den restlichen 22 Diözesanverbänden (55,32). Hinzu komme, dass von den einstmals 4 000 Mitgliedern in Ostdeutschland nur noch 3 500 übriggeblieben sind – nun allerdings mit Gesamt-Berlin.
Zu negativ will Andreas Blümel die Zahlen dennoch nicht gedeutet wissen. „Masse ist ja nicht gleich Klasse“, sagt er. Denn Hoffnung macht ihm ein anderer Trend. Zwar verlassen Jugendliche nach der Schulzeit verstärkt Ostdeutschland, dennoch gibt es mehr Zu- als Wegzüge. Das liegt vor allem an Menschen im oder kurz vor dem Rentenalter. „Dann müssen wir die Kolpingsarbeit im Osten auch so verstehen, dass wir Jugendarbeit dort, wo es geht, zwar unterstützen, uns zukünftig aber eher auf eine Bildungsarbeit für Ältere konzentrieren.“ Wer 30 Jahre Steuerberater war, könne in der Kolpingsfamilie ja etwa einen Kolpingabend zu steuerlichen Fragen veranstalten. „Und vielleicht kann man so jemanden dann bei Kolping einbinden.“ Dann, wenn die Corona-Beschränkungen wieder gelockert und größere Veranstaltungen wieder zugelassen werden – und Maria im Gemeindesaal wieder unter Menschen ist.
Fotos: Barbara Bechtloff