Ausgabe 3-2023 : August

1 von 130: Deutsche Meisterstücke

130 Ausbildungsberufe gibt's hierzulande im Handwerk. 1 davon haben wir für Dich besucht. Heute: Tischlerin Antonia Woyke (21 Jahre)

Ohne das Handwerk würde es das Kolpingwerk so nicht geben. Schließlich gründete Adolph Kolping – selbst ge­lernter Schuhmacher – vor 175 Jahren seinen katholischen Gesellenverein, um Handwerkern unter die Arme zu greifen. Grund genug, zu schauen: Wie wird Handwerk heute gelebt? Wie hat es sich verändert – und was ist seit Jahr­hunderten gleich? Über Meister, Gesellen und Lehrlinge.

Geschafft! Seit drei Tagen darf sich Antonia Woyke Gesellin nennen: sie hat ihre Ausbildung zur Tischlerin erfolgreich abgeschlossen. Auf ihr Gesellenstück – ein Sitzmöbel mit kleinem Schränkchen – ist die 21-Jährige besonders stolz. Aber sie hat nicht nur die volle Punktzahl auf ihr Prüfungsstück bekommen, sondern gleich noch einen Festanstellungsvertrag ihres Lehrbetriebs in der Tasche! Dass die Abiturientin nach der Schule eine handwerkliche Ausbildung machen würde, war dabei eher Zufall: "Studieren kam für mich erstmal nicht in Frage. Ich wollte nicht rumsitzen, sondern was schaffen." Wie der frisch gebackenen Tischlergesellin geht es derzeit vielen Abiturient*innen; gut die Hälfte von Antonias Klassenkamerad*innen macht erst einmal eine Ausbildung. "Studieren kann man ja später immer noch", schmunzelt die 21-Jährige.
 

Mächtig stolz: Antonia mit ihrem Gesellenstück.

Sebastian Schollenberger ist froh, die junge Varelerin im Betrieb zu haben. Dem 44-jährigen Tischlermeister war nämlich schon am ersten Tag klar, dass Antonia perfekt in das 18-köpfige Team der Tischlerei des friesländischen Bauunternehmens E. und H. Brunken passen würde: "Räumliches Vorstellungsvermögen und technisches Geschick sind bei diesem Handwerk Voraussetzung. Beides bringt Antonia mit. Sie ist total zuverlässig und ich kann die junge Dame blind zum Kunden schicken. Außerdem sorgt sie immer für Stimmung und gute Laune!"
 

"Die Entwicklung von der Zeichnung zum Möbelstück, das ist Nervenkribbeln! Wenn man sieht, dass am Ende auch alles passt, das ist total aufregend!"
Antonia Woyke

Weil Antonia vorab ein Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) im Bildungsgang "Holztechnik" an der Berufsfachschule absolvierte, wusste die Niedersächsin schon vor ihrer Tischlerausbildung, dass ihr der Umgang mit Holz liegen würden. Und ein willkommener Nebeneffekt: Dank des Berufsschuljahres konnte Antonia ihre Ausbildung von drei auf zwei Jahre verkürzen. "Das würde ich echt jedem empfehlen, man lernt, mit dem Werkstoff händisch umzugehen und sich auszuprobieren. Mir hat das total Spaß gemacht!" Und auch die Arbeit als Tischlereigesellin macht der 21-Jährigen Spaß: "Der Job ist so super vielseitig: von filigraner Handwerksarbeit im Möbelbau über Restauration bis zum gröberen Arbeiten im Bereich Trockenbau ist alles dabei. Ich liebe diese Abwechslung."

Gesellinnen willkommen    

Aktuell ist Antonia die einzige weibliche Tischlerin im Betrieb. Dabei ist das hier gar nichts besonderes."Vor 15 Jahren hatten wir die erste Frau bei uns in der Lehre. Ich würde sagen, dass heutzutage rund 35 Prozent aller Bewerbungen von Frauen sind. Zurecht. Denn Frauen können den Job genauso gut machen, wie Männer. Antonia ist jung und fit, die kann sicher mehr heben als ich", gibt Tischlereileiter Sebastian Schollenberger freimütig zu.
 

Stefan Cibis, Sebastian Schollenberger und Antonia Woyke

Auch Kolpingbruder Stefan Cibis arbeitet bei dem Bauunternehmen. Der 53-jährige Diplomingenieur und Zimmermeister kommt aus einer echten Zimmererfamilie – die über vier Generationen zurückreicht. Als sein Vater die Kolpingsfamilie Varel gründet, wird Stefan Cibis schnell engagiertes Mitglied und ergreift die Chance, sich auch auf politischer Ebene fürs Handwerk stark zu machen. "Das Kolpingwerk ist ja durch einen Gesellenverein entstanden. Das sind die Wurzeln, die wir nicht vergessen sollten", findet Cibis. Heute ist der Friesländer für das Kolpingwerk in der Fachgruppe "Handwerk" aktiv und setzt sich im Vorstand des Deutschen Handwerkskammertags (DHKT) sowie als Vizepräsident der Handwerkskammer Oldenburg für Fachkräftesicherung, gegen Ausbildungsverkürzung und für möglichst unbürokratische Abläufe ein. 

"Ich liebe das Erschaffen von Dingen. Am Ende stehen deine Möbel vor dir, da ist man dann so stolz drauf!"
Antonia Woyke

Wie es bei der jungen Tischlergesellin Antonia weitergeht? Auf die Walz zumindest will die 21-Jährige vorerst nicht: "Dafür liebe ich meine Heimat zu sehr. Und ich bin auch superglücklich hier im Betrieb. Ich lerne so viel dazu, auch durch die Nähe zu den anderen Gewerken. Ich lasse alles auf mich zukommen. Doch eines ist klar: ich möchte immer in diesem Beruf bleiben – ob als Gesellin, Meisterin oder Ausbilderin."

Tischler*in

Gewerkegruppe: Holzgewerbe

Interessensbereich: Ausbau/Innenarchitektur; Design; Holz

Dauer der Ausbildung: 3 Jahre

Vergütung (Brutto): 
ca. 709 € im 1. Lehrjahr
ca. 946 € im 3. Lehrjahr
Einstiegsgehalt: ca. 2.300 €

Voraussetzung: 
Hauptschulabschluss oder Realschulabschluss, Abitur oder Fachabitur
 

Auch im nächsten Magazin schauen wir uns 1 von 130 an! Gibt es einen handwerklichen Beruf, über den Du mehr erfahren möchtest? Dann schick' uns gerne Dein Feedback an  mitmachen(at)kolping.de oder postalisch an Kolpingwerk Deutschland, Redaktion, St.-Apern-Straße 32, 50667 Köln. 


Fotos: Friederike Nehrkorn

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