Es ist ein sonniger Spätsommertag im September. Vincent, Elisabeth und Elgin laufen durch Köln. Sie werden von einer Fotografin begleitet; gerade noch schauen sie freundlich zur Kamera, dann ändert sich ihre Haltung und sie schauen betont weg. Eine fremde Person hat sich ungefragt dazu gesellt und einfach drauflosgeknipst. Der Mann sei kein Einzelfall, immer wieder würden sie ungefragt fotografiert. „Wenn die Menschen einfach nett fragen würden, dann lasse ich auch gerne ein Foto von mir machen“, erklärt Vincent. Grundsätzlich würde er ja verstehen, dass die Leute Fotos machen wollen, denn „unsere Kluft ist ja wirklich was Besonderes“.
Tatsächlich fallen die Drei im Stadtbild auf, denn sie schauen ein bisschen wie aus der Zeit gefallen aus. Als Wandergesellinnen und -gesellen auf der Walz haben sie sich dafür entschieden, drei Jahre und einen Tag lang auf Wanderschaft zu gehen. Während dieser Zeit dürfen sie ihrem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer kommen. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie durch ihre Arbeit, aber für Reise und Unterkunft dürfen sie nicht selber zahlen. Nur das Wichtigste haben sie dabei. Ein Handy? Nein. Höchstes eine kleine Kamera, um Erinnerungen festzuhalten.
Seit dem Mittelalter gibt es die Walz. Die Gesellinnen und Gesellen auf Wanderschaft tragen eine besondere Kluft: Sie besteht aus einer Hose mit zwei Reißverschlüssen, einer Weste, einem Jackett und einem schwarzen Hut. Außerdem gehört zu der Kluft ein weißes Hemd. Einige Gesellinnen und Gesellen, die in einer Gesellenvereinigung (einem Schacht) reisen, tragen eine Ehrbarkeit – eine Art Krawatte. Eine besondere Rolle spielen die Farben der Kluft, denn sie zeigen, welches Handwerk die Person gelernt hat und zu welchem Schacht sie gehört. So sind zwei Teile der Kluft in der Farbe des Gewerkes und die Ehrbarkeit hat die Farbe des Schachts. In dieser Form ist die Kluft erst im vergangenen Jahrhundert entstanden; vorher sind Wandergesellen in ihrem Sonntagsrock unterwegs gewesen – so wie der Geselle im Kolpingdenkmal an der Minoritenkirche. Von Vincents Kluft sind zwei Teile rot. Er ist Raumausstatter und sein Handwerk gehört zu den Textilgewerben. Seine Ehrbarkeit ist grau und zeigt so, dass er Teil des freien Begegnungsschachts ist.