Ausgabe 2-2024 : Mai

Frauen stärken, Teilhabe sichern

In Westafrika fördert KOLPING seine weiblichen Mitglieder durch Bildungsmaßnahmen und eröffnet ihnen so neue Möglichkeiten der Teilhabe – in der Familie, in der Arbeitswelt wie auch im Verbands- und Gemeindeleben.

KOLPING Togo eröffnet Frauen neue Horizonte und trägt zu größerem Selbstbewusstsein und gesellschaftlicher Teilhabe bei.

Gerade Frauen sind in Afrika oft der Schlüssel zur Entwicklung von Familie und Land. Dennoch werden sie vielerorts benachteiligt. Vor allem in den ländlichen Regionen sind Frauen mit traditionellen Rollenmustern und Chancenungleichheit konfrontiert. Viele werden schon früh Mutter, beenden die Schule vorzeitig und sind durch ihre Mutterrolle finanziell auf die Männer angewiesen. "Ein Problem in Togo etwa ist, dass viele Frauen gar nicht offiziell verheiratet sind", berichtet Länderreferentin Larissa Josowic
von KOLPING INTERNATIONAL. "Stirbt der Mann, gehen Hab und Gut meist an die Eltern des Mannes zurück." Die Partnerin und ihre Kinder bleiben mittellos zurück in einem Land, in dem über die Hälfte der Bevölkerung in großer Armut lebt.

Wissen stärkt Unabhängigkeit

KOLPING Togo wirkt dem Geschlechtergefälle mit verschiedenen Projekten entgegen. Seit Jahren bestärkt der westafrikanische Verband seine Mitglieder – darunter viele Frauen – darin, mithilfe von Bildungsmaßnahmen ihre Fähigkeiten und ihr Wissen zu verbessern. Sie erhalten zum Beispiel Schulungen im Bereich moderner Anbaumethoden, der Viehzucht oder der Ernteverarbeitung. Die Spargruppen der Kolpingsfamilien bieten darüber hinaus Zugang zu kostengünstigen Kleinkrediten. Diese können die Mitglieder als Startkapital für ein eigenes kleines Gewerbe nutzen. Viele Frauen schaffen es so, sich selbst ein gutes Einkommen zu erwirtschaften. Das macht sie unabhängiger, denn im Notfall können sie ihre Kinder selbst versorgen. Gleichzeitig stärkt es ihr Selbstbewusstsein und festigt ihre Position – ein wichtiger Schritt hin zur Überwindung alter Rollenmuster.

Gezielte Führungskräfteschulung

Neben wirtschaftlicher Förderung möchte KOLPING Togo auch gezielt die Rolle der Frauen im Verband stärken, indem sie dazu befähigt werden, wichtige Positionen innerhalb ihrer Kolpingsfamilien einzunehmen. Dafür wurde im vergangenen Jahr ein spezielles Förderprogramm eingeführt. Vorausgegangen war die Erkenntnis, dass nur 4,6 Prozent der Führungspositionen im Verband mit weiblichen Mitgliedern besetzt sind. Zweimonatige Workshops sollen die Teilhabe der Frauen verbessern – in der Familie, im Verband und in der Gesellschaft. Die verschiedenen Module thematisieren etwa, was es bedeutet, eine weibliche Führungskraft zu sein. Zudem können sich die Bäuerinnen ganz praxisbezogen über die Schwierigkeiten austauschen, mit denen sie tagtäglich zu kämpfen haben, und gemeinsam Lösungsansätze erarbeiten. Dieses Empowerment soll die Teilnehmerinnen darin bestärken, sich künftig Führungsrollen in ihren Kolpingsfamilien oder in der Gemeinde zuzutrauen. So können sie mehr zu deren Entwicklung beitragen und auch gezielter Frauenthemen auf die Agenda bringen.

"Früher habe ich an den Fingern abgezählt, was ich verdient habe."
Noëllie Sevede
Noëllie Sevede, Bäuerin aus Benin

Die eigenen Rechte kennenlernen

Eine weitere Komponente der Workshops ist die rechtliche Stärkung der Frauen. "Wir gehen davon aus, dass 70 Prozent unserer weiblichen Mitglieder ihre Rechte nicht kennen und auch Schwierigkeiten haben, diese durchzusetzen«, berichtet Laurent Tay, der Geschäftsführer von KOLPING Togo. Entsprechende Aufklärungsarbeit soll das ändern. Probleme gibt es zum Beispiel oft im häuslichen Kontext: beim Recht auf Arbeit, Eigentumsrechten, der Bewegungsfreiheit oder der Familienplanung. Dazu werden nicht nur die weiblichen Mitglieder geschult. An den Workshops nehmen auch Männer teil, um sie ebenfalls für die Rechtslage zu sensibilisieren. "Es ist wichtig, dass man die Männer mit einbindet, damit sie sehen, was es ihnen bringt, wenn sie ihre und die Frauen im Verband fördern", sagt Länderreferentin Larissa Josowic. So werden beide Geschlechter zu Akteuren des Wandels und können durch die Weitergabe der erlernten Werte an die Kinder auch langfristig zu Veränderungen und mehr Teilhabe der Frauen beitragen.

Alphabetisierung fördert Teilhabe

Grundvoraussetzung für mehr Partizipation ist die Alphabetisierung. "Wer nicht lesen oder schreiben kann, ist von vielen Gesellschaftsbereichen ausgeschlossen und fühlt sich nicht auf Augenhöhe mit anderen. Das hemmt insbesondere viele Landfrauen, die oft schon früh die Schule verlassen haben", berichtet Larissa Josowic. Sowohl in Togo als auch im Nachbarland Benin bietet kolping daher seit einigen Jahren Alphabetisierungskurse an – kostenlos und für die ganze Gemeinde. "Endlich lesen, schreiben und rechnen zu können, macht die Frauen sehr stolz", weiß die Länderreferentin aus Erfahrung. "Sie werden nicht nur eigenständiger und unabhängiger, sondern auch selbstbewusster und können ganz anders am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, zum Beispiel im Kirchenchor mitsingen. Vorher konnten sie die Texte ja nicht lesen." Meist steigert die Alphabetisierung zudem das Einkommen, so auch für die Bäuerin Noëllie Sevede aus Benin, die ihre Ernte regelmäßig auf dem Markt verkauft. "Früher habe ich an den Fingern abgezählt, was ich verdient habe. Meistens habe ich mich dabei total vertan. Ich konnte mir auch nicht all die Leute merken, die auf Kredit gekauft haben, und die Beträge, die sie mir schulden." Seit sie den Alphabetisierungskurs besucht hat, notiert sie alle Kreditverkäufe und vergleicht Ein- und Ausnahmen, um den Gewinn zu ermitteln. Das hat Noëllie zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau gemacht. In ihrer Kolpingsfamilie ist sie mittlerweile die Vorsitzende.

Text: Michaela Roemkens
Fotos: Philipp Lissac

Projekt im Fokus

Frauen lernen Lesen und Schreiben

Eine Nachricht lesen, Preise für Mehl vergleichen oder im Gottesdienst mitsingen – für uns ein Kinderspiel, für viele Frauen im afrikanischen Togo unlösbar.

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