Ausgabe 3-2023 : August

Vier-Tage-Woche

Eine Verkürzung der Arbeitszeit muss alle Beschäftigten im Blick haben!

Nicht zum ersten Mal, aber deutlich intensiver als bisher, wird über die Idee einer "Vier-Tage-Woche" diskutiert. Gemeint ist eine Arbeitswoche, die sich bei einer Vollzeittätigkeit über vier anstelle der klassischen fünf Arbeitstage erstreckt. Ob diese flächendeckend oder für bestimmte Branchen gelten soll, ist genauso unklar wie ihre Ausgestaltung: Geht es um eine Verteilung von 40 Arbeitsstunden auf vier Tage? Sollen Arbeitnehmende bei entsprechenden Lohneinbußen nur noch 32 Stunden pro Woche tätig sein? Oder ist gar eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich angedacht?

Über das Für und Wider lässt sich trefflich diskutieren. Da wäre einerseits die anstehende Verrentungswelle der geburtenstarken Jahrgänge und der damit einhergehende Fachkräftemangel. Andererseits gibt es vielversprechende Ansätze, die in einigen Ländern der OECD modellhaft erprobt worden sind. Demnach wurde trotz kürzerer Arbeitszeit genauso viel, wenn nicht sogar mehr geleistet. Die Krankenstände sanken, die Zahl der Kündigungen nahm ab, die Zufriedenheit der Mitarbeitenden stieg häufig an.

Den Zusammenhalt der Gesellschaft beachten

Unabhängig davon sollte in der aktuellen Debatte der Zusammenhalt der Gesellschaft nicht außer Acht gelassen werden. Wenn die IG Metall für eine Vier-Tage-Woche eintritt, tut sie dies im Interesse von Millionen Industriebeschäftigten, die dank bestehender Tarifverträge ohnehin "nur" 35 Stunden in der Woche arbeiten, wenn sie in Vollzeit beschäftigt sind. Für die Arbeitgeberseite ist es da kein weiter Weg zur gewünschten 32-Stunden-Woche bei vollem oder teilweisem Lohnausgleich.

Aber wie schaut es im Dienstleistungssektor aus, in dem mehr als 70 Prozent aller Beschäftigten tätig sind? Ob Gastronomie oder Friseurhandwerk, Pflege- oder Erziehungswesen: Die Fünf-Tage-Woche gehört bei einem Vollzeitjob zum Standard. Gleichzeitig verfügen Beschäftigte, insbesondere in klein- und mittelständischen Betrieben, selten über nennenswerte Verhandlungsmacht. Häufig sind sie weder betrieblich noch gewerkschaftlich organisiert, Tarifverträge sind nicht die Regel.

Am Ende könnte es darauf hinauslaufen, dass Beschäftigte in gut organisierten Branchen ihre Vier-Tage-Woche durchboxen, wohingegen das Gros der Dienstleistungsbeschäftigten in die Röhre schaut. Das würde zu einer größer werdenden Spaltung der Arbeitnehmerschaft beitragen und die fehlende Attraktivität bestimmter Berufszweige zementieren. Es sollte daher gründlich erörtert werden, in welchen Branchen Arbeitszeit mit Vorrang verkürzt wird. Es muss ja nicht gleich eine Vier-Tage-Woche sein. In Dänemark erfreut man sich einer 37-Stunden-Woche, in Frankreich sind es 35. Wie auch immer es am Ende kommt: Die aktuelle Debatte muss den Interessen aller Beschäftigten gerecht werden.

alexander.suchomsky(at)kolping.de 


Foto: Brad Neathery/Unsplash

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