Ausgabe 3-2022 : Juli

Militärische Gewalt als ultima ratio – christlich zu verantworten?

Die Waffenlieferungen an die Ukraine bieten immer wieder Anlass zu Diskussionen: wo ist die Grenze dafür? Dürfen Christen dazu Ja sagen, dass – einfach ausgedrückt – in der Ukraine mit Waffengewalt für Frieden gesorgt wird?

Um es deutlich und gleich vorweg zu sagen: Kriege und die Anwendung militärischer Gewalt sind von Übel. Und realistischerweise gilt, was das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes von 1965 formuliert hat: "Der Krieg ist nicht aus der Welt geschafft. Solange die Gefahr von Krieg besteht und solange es noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung e­rschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen. Die Regierenden und alle, die Verantwortung für den Staat tragen, sind verpflichtet, das Wohl der ihnen anver­trauten Völker zu schützen. ... Der Einsatz militärischer Mittel, um ein Volk rechtmäßig zu verteidigen, hat jedoch nichts zu tun mit dem Bestreben, andere Nationen zu unterjochen … auch wird nicht deshalb, weil ein Krieg unglücklicherweise ausgebrochen ist, damit nun jedes Kampfmittel zwischen den gegnerischen Parteien erlaubt." (Gaudium et Spes 79)

Die Schwachen schützen

Damit sind klare Grenzen gesetzt: der Einsatz militärischer Gewalt ist nicht das letzte Mittel im Sinn eines letztgenannten Mittels am Ende einer Liste von Maßnahmen und Möglichkeiten, die sich bieten, sondern das Äußerste, zu dem man greifen kann. Es geht darum, die Schwachen zu schützen, dem Angreifer nicht nur die Stirn zu bieten, sondern das ganze Kriegsgeschehen zu einem Stillstand zu bringen, damit politische Verhandlungen wieder möglich werden, damit dem Recht Geltung verschafft werden kann. Es geht darum, klar vor Augen zu haben, dass der Friede ein wertvolles Geschenk und zugleich eine dauernde Aufgabe ist. Deshalb sagt das Konzil schon vorher (Gaudium et Spes 78):    

"Insofern die Menschen Sünder sind, droht ihnen die Gefahr des Krieges, und sie wird ihnen drohen bis zur Ankunft Christi. Soweit aber die Menschen sich in Liebe vereinen und so die Sünde überwinden, überwinden sie auch die Gewaltsamkeit, bis sich einmal die Worte erfüllen: 'Zu Pflügen schmieden sie ihre Schwerter um. ...' (Jes 2,4)." Damit ist der biblische Begriff des Friedens klar gefasst, Sehnsucht und Aufgabe der Christen deutlich beschrieben.

"Darum sind vor allem eine neue Erziehung und ein neuer Geist in der öffentlichen Meinung dringend notwendig. Wer sich der Aufgabe der Erziehung, vor allem der Jugend, widmet und wer die öffentliche Meinung mitformt, soll es als seine schwere Pflicht ansehen, in allen eine neue Friedensgesinnung zu wecken. Wir alle müssen uns wandeln in unserer Gesinnung und müssen die ganze Welt und jene Aufgaben in den Blick bekommen, die wir alle zusammen zum Fortschritt der Menschheit auf uns nehmen können. Täuschen wir uns nicht durch eine falsche Hoffnung! Wenn Feindschaft und Hass nicht aufgegeben werden, wenn es nicht zum Abschluss fester und ehrenhafter Verträge kommt, die für die Zukunft einen allgemeinen Frieden sichern, dann geht die Menschheit jener dunklen Stunde entgegen, wo sie keinen andern Frieden mehr spürt als die schaurige Ruhe des Todes."(Gaudium et Spes 82)


Text: Bundespräses Hans-Joachim Wahl – bundespraeses(at)kolping.de
Foto: Zaur Ibrahimov/Unsplash

Kommentar verfassen

Jeder Kommentar wird von der Redaktion überprüft, bevor er im Onlinemagazin erscheint. An dieser Stellen wollen wir auch auf unsere Netiquette und Informationen zum Datenschutz hinweisen.

Ihr Kommentar wurde verschickt!

Wir bitten um etwas Geduld. Ihr Kommentar wird von der Redaktion geprüft bis er online gestellt wird.

OK

Impulse für Debatten

Die Fachreferentinnen und -referenten im Bundessekretariat des Kolpingwerkes Deutschland bringen immer wieder fachlich fundierte Ideen und Denkanstöße in verbandliche Debatten ein. Auf dieser Seite veröffentlichen wir persönliche Einschätzungen der Referentinnen und Referenten. Dies sind keine Positionen des Kolpingwerkes Deutschland, sondern Impulse und Denkanstöße für ergebnisoffene Debatten.