Ausgabe 4-2023 : November

Die soziale Pflegeversicherung

Von der Teilkasko- zur Vollversicherung?

Wenn es um die Auswirkungen des demografischen Wandels geht, wird häufig über das Rentensystem oder den Fachkräftemangel gesprochen. Doch seit einiger Zeit rückt mit der sozialen Pflegeversicherung eine weitere Baustelle in den Fokus. Denn eine alternde Gesellschaft bringt auch einen steigenden Pflegebedarf mit sich. Alleine in den letzten zehn Jahren haben sich die Ausgaben mehr als verdoppelt. Leidtragende sind nicht nur Beitragszahler*innen, sondern vor allem Pflegebedürftige. Schließlich deckt die Pflegeversicherung nur einen Teil der mit einer Unterbringung im Pflegeheim verbundenen Kosten ab. In Fachkreisen wird sie deshalb auch als "Teilkaskoversicherung" bezeichnet. Vor diesem Hintergrund spricht sich eine deutliche Mehrheit dafür aus, die Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung weiterzuentwickeln, wie kürzlich eine von Paritätischem Wohlfahrtsverband und DGB in Auftrag gegebene Umfrage ergeben hat.

"Ohne ergänzende berufliche und private Altersvorsorge ist es für viele Versicherte unmöglich, den gewohnten Lebensstand im Alter zu halten."
Alexander Suchomsky

Doch sind die anderen Zweige der Sozialversicherung tatsächlich "Vollversicherungen"? Am ehesten lässt sich dies in Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung bejahen, die dank eines umfassenden Regelleistungskatalogs nicht nur für lebenswichtige Behandlungen aufkommt. Bei der Absicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung sieht es schon anders aus: Ohne ergänzende berufliche und private Altersvorsorge ist es für viele Versicherte unmöglich, den gewohnten Lebensstand im Alter zu halten. Und auch die Arbeitslosenversicherung geht nur bedingt als Vollversicherung durch. Sie kompensiert im Fall von Arbeitslosigkeit nur einen Teil des bisherigen Nettoeinkommens und läuft nach einem bis maximal zwei Jahren gänzlich aus.

Eine mögliche Lösung

Dennoch spricht einiges dafür, die Pflegeversicherung in ihrem Leistungsumfang auszubauen. Eine größer werdende Zahl an Pflegebedürftigen ist auf Zuschüsse aus dem Bürgergeld angewiesen, sobald private Rücklagen aufgebraucht sind. Dies weckt Zweifel, ob das aktuelle System dem zunehmendem Pflegebedarf einer alternden Bevölkerung noch gerecht wird. Eine Lösung könnte in einer Reform des einkommensbezogenen Beitragssystems liegen. Was spräche dagegen, wenn Versicherte in ihrer Erwerbsphase nicht nur Beiträge auf Erwerbseinkommen, sondern auch auf Aktiengewinne und Mieteinkünfte leisteten? Ihren Wohlstand würde es geringfügig schmälern. Zu einer solidarischeren und nachhaltigen Finanzierung des Pflegesystems würde es allemal beitragen.

alexander.suchomsky(at)kolping.de


Foto: Dean Mitchell/iStockphoto

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