Ausgabe 2-2022 : Mai

Das wenige, was du tun kannst, ist viel

Das Team der „WELTfairÄNDERER“ setzt sich für nachhaltige Themen im Schulalltag ein. Caro ist ein Teil davon. Regelmäßig stellt sie sich gemeinsam mit Jugendlichen die Frage: Wie kann ich in meinem Alltag ein bisschen fairer zu Mensch, Tier und Umwelt sein?

Eigentlich studiert Caro Pädagogik und Kunstgeschichte im Bachelor an der Universität Bamberg. Ab und an im Jahr ist die 21-Jährige mehrere Wochen lang dann aber doch wieder an der Schule zu finden. Gemeinsam mit einem Team aus Ehrenamtlichen bringt sie Jugendlichen dort das Thema Nachhaltigkeit näher. Das Projekt, in dem Caro sich engagiert nennt sich „WELTfair ÄNDERER“. Nein, das ist kein Rechtschreibfehler – das kleine Wortspiel im Namen hat seinen Sinn. „Jede und jeder kann ein Stück weit die Welt ,fairändern‘“, erklärt Caro. 

Seinen Ursprung hat das Projekt im Bistum Mainz. 2010 ist es in Trägerschaft des BDKJ Mainz und des Bischöflichen Jugendamtes entstanden. Bis heute haben noch sieben weitere Bistümer nachgezogen, in denen die Projektwochen für Schulen regelmäßig angeboten werden. Fair sein zu Mensch, Tier und Umwelt – das ist die Grundlage der doppelstündigen Workshops, die die Ehrenamtlichen mit den Jugendlichen durchführen. 
 

„Ich achte darauf, meine Kleidung lange zu verwenden und auch mal Teile zu reparieren, damit weniger produziert werden muss.“
Jonas, 24

Im WELT­fair­ÄNDE­RER-Team im Bistum Bamberg gibt es aktuell rund zwölf Workshops. Die Themen reichen dabei von „Strom“ über „die Reise meiner Klamotten“ bis hin zum Klimawandel. Caro weiß, was bei den Jugendlichen beliebt ist. „Häufig werden Themen gewählt, die für die Jugendlichen greifbar sind – Lebensmittelverschwendung oder Mikroplastik zum Beispiel“, berichtet sie aus ihren Erfahrungen, „damit haben sie meist auch Berührungspunkte in ihrem Alltag.“ Etwas abstrakter hingegen seien Themen, wie „virtuelles Wasser“. „Da geht es zum Beispiel darum, wie viel Wasser wir denn in unserem Alltag wirklich verbrauchen. Und dazu gehört nicht nur Trinkwasser oder Wasser zum Waschen, sondern zum Beispiel auch das Wasser, das bei der Lebensmittelherstellung verwendet wird – eben das sogenannte virtuelle Wasser“, erklärt Caro. 

Drei doppelstündige Workshops pro Tag

Man merkt schnell, dass die 21-Jährige weiß, wovon sie redet. Kein Wunder: „Bereits in der Schule hatte ich schon den Spitznamen ,Ökotante‘ in meinem Freundeskreis bekommen“, erzählt die Studentin und lacht. In ihrem eigenen Alltag achtet sie besonders beim Essen und bei der Kleidung auf einen nachhaltigen und fairen Lebensstil. Zu den WELTfair ÄNDERERN kam sie 2019 durch ein Praktikum in der Jugendarbeit – und ist dabei geblieben. Während der Corona-Pandemie waren Besuche in den Schulen zunächst allerdings nicht möglich. Caro lernte die WELTfairÄNDERER erst einmal nur intern kennen: Netzwerktreffen gemeinsam mit den anderen Diözesen oder Veranstaltungen zur Gestaltung neuer Workshops standen auf dem Plan. 
 

Seit zwei Jahren ist Caro dabei, das Thema Nachhaltigkeit Jugendlichen näher zu bringen.

All das half ihr dann in der ersten Woche an einer Schule, sich schnell in den Ablauf hineinzufinden. Und der hat es in sich: Immerhin finden pro Tag drei doppelstündige Workshops mit Klassen statt. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung liegen dabei komplett in der Hand der Ehrenamtlichen. Die Schülerinnen und Schüler befinden sich dabei nicht in ihren Klassenzimmern, sondern besuchen das große Zelt der WELTfairÄNDERER, das für eine Woche extra auf dem Pausenhof aufgestellt worden ist. Was sich zunächst nach einem provisorischen Konzept anhört, ist ein ausgeklügeltes Prinzip: Im Zelt befinden sich neben einem Sitzkreis aus Bänken eine Technikanlage und zahlreiche interaktive Ausstellungswände. An denen wollen die WELTfairÄNDERER und WELTfairÄNDERINNEN auf einen Blick Fakten und Hintergrundwissen vermitteln, aber die Jugendlichen auch zum Mitmachen ermutigen. Auf ein Plakat können die Schülerinnen und Schüler so zum Beispiel schreiben, inwieweit sie im Laufe der Woche bereits „fair“ gehandelt haben. An einer anderen Tafel wiederum lässt sich die Reise einer Jeans von der Baumwollernte bis zum Verkauf im Laden nachvollziehen. „Da staunt man schon erst einmal, wie viele Kilometer unsere Kleidung zurücklegt, bis sie in unserem Kleiderschrank landet“, meint Caro.

Ein nachhaltiger Pausenkiosk

Staunende Gesichter sieht Caro oft auch bei den Jugendlichen in den Workshops. Etwa, wenn es darum geht, wie viele noch haltbare Lebensmittel jedes Jahr in der Tonne landen oder wie viel Strom gespart werden kann, wenn man das Handy nicht über Nacht lädt. Doch sie bemerkt noch etwa anderes: „Viele Jugendlichen wissen extrem viel. Man merkt, dass sie sich mit dem Thema Nachhaltigkeit oft bereits beschäftigt haben und sich gut auskennen.“ 

Neben den Workshops gibt es noch einen weiteren besonderen Bestandteil der Woche – nämlich einen kulinarischen. In den Schulpausen betreibt das Team der WELTfairÄNDERER ein sogenanntes Faircafé, welches fair gehandelte Lebensmittel verkauft – sozusagen die nachhaltige Variante des mobilen Pausenkiosks. „Die Schlangen vor dem Café sind auf jeden Fall ordentlich lang“, erzählt Caro. 
 

„Ich achte darauf, Müll mitzunehmen, den ich unterwegs sehe, auch wenn es nicht meiner ist.“
Helen, 21

Am Nachmittag gibt es an den Schulen dann häufig noch nachhaltige Angebote von externen Kooperationspartnerinnen und -partnern. Und am Abend stecken die Ehrenamtlichen schon wieder in der Planung für den nächsten Tag. Eben eine richtige Projektwoche. Caro kennt die Herausforderungen: „Ich muss immer wieder darauf schauen, mir zwischendurch auch mal eine Stunde Zeit für mich zu nehmen“, erzählt sie. „Und der Schlaf!“, fügt sie mit einem Lachen hinzu. Der komme definitiv zu kurz. Doch die Studentin weiß, warum sie bei dem Projekt mitmacht. „Es ist einfach ein wahnsinnig wichtiges Thema. Und das Team ist unglaublich toll!“ Letzteres ist es auch, was für die Workshops verantwortlich ist. Den Input und das Wissen bekommen die Ehrenamtlichen aus dem Austausch in ihrem Alltag, ihrem Studium oder in ihren Nebenjobs und auch durch externen Input. „Letzten Herbst habe ich als Teilnehmerin einen Workshop zum Thema ,Frieden‘ besucht“, erzählt Caro.  Jetzt sitzt sie mit einer anderen Ehrenamtlichen selbst daran, einen solchen für Schülerinnen und Schüler zu konzipieren. Es sei schon eine große Herausforderung, komplexe Themen wie Frieden, Klimawandel oder Menschenrechte für Jugendliche herunterzubrechen, erzählt die Studentin. „Aber letztlich geht es auch darum, den Teilnehmenden Handlungsoptionen für den eigenen Alltag aufzuzeigen und kein Gefühl der Überforderung und Ohnmacht entstehen zu lassen.“

„Für die Jugendlichen sind die Workshops im WELTfairÄNDERER-Zelt eine Abwechslung zum Schulalltag.“

Bei dem Friedensworkshop heißt das konkret, dass die Jugendlichen dazu angeregt werden, zu überlegen, wie sie in ihrem Klassenkontext für eine friedliche Atmosphäre sorgen können. Kleine Ideen in den Alltag mitnehmen – darum geht es dem Projekt. Dazu passt auch dessen Leitmotto, das vom deutsch-französischen Arzt Albert Schweitzer stammt: „Das wenige, was du tun kannst, ist viel.“ Und das erkennen nicht nur die Jugendlichen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Deutsche UNESCO-Kommission haben das Projekt 2018 als herausragende Bildungsinitiative für nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet. Sogar ein globales Nachhaltigkeitsziel der Agenda 2030 wird damit erfüllt: Inklusive und hochwertige Bildungs- und Ausbildungsangebote für alle anbieten. 

Was auf dem Papier sehr formell klingt, ist für Caro Praxis mit Mehrwert. Sie hat gemerkt, dass sie selbst durch das Projekt im Alltag einen anderen Blick hat. „Ich achte zum Beispiel viel mehr auf Müll, wenn ich unterwegs bin und hebe ihn auf – eigentlich selbstverständlich, aber leider bei vielen auch irgendwie nicht.“ 

„Ab und an kann die Mango oder die Avocado im Supermarkt auch liegen bleiben und stattdessen heimisches Obst und Gemüse mit in die Einkaufstasche wandern.“
Lena, 25

Das WELTfairÄNDERER-Projekt schafft Bewusstsein im alltäglichen Handeln – bei den Ehrenamtlichen, aber vor allem auch bei den Jugendlichen. Und für Caro und ihr Team heißt es jetzt schon bald wieder Zelt und Rucksack packen: Schulbesuche im fränkischen Rödental, in Caros Heimat Bayreuth und in Bamberg stehen an. Mit jeder Menge neuer Ideen und Impulsen im Gepäck, die Welt ein kleines bisschen „fairändern“ können.

„WELTFAIRTEILUNG“

Eine Methode, die in vielen Workshops des WELTfairÄNDERER-Teams ihren Platz findet, ist die sogenannte „Weltfairteilung“. Im Kleinen kannst auch Du sie hier ausprobieren: 

Für die Methode denken wir in drei Kategorien: Weltbevölkerung, Welteinkommen und Weltkohlenstoffdioxidausstoß.

Stell dir nun folgendes vor: Für die gesamte Weltbevölkerung stehen vereinfacht insgesamt 30 Menschen. Für das gesamte Welteinkommen stehen vereinfacht insgesamt 30 Münzen. Für den gesamten Weltkohlenstoffdioxidausstoß stehen vereinfacht insgesamt 30 Fabriken. 

Nun bist Du dran: Schätze, wie viele der jeweils 30 Einheiten den verschiedenen Kontinenten zugeordnet werden und trage das in der Tabelle rechts ein.

„WELTFAIRTEILUNG“ Auflösung: Auf der Karte hier siehst du, wie die Situation tatsächlichist. Was meinst du, ist das fair?

Bilder: Erzdiözese Bamberg, privat, WELTfairÄNDERER, iStock/Karolina Madej/-ltz-/javi.ruiz/tuliplogo/enjoynz