Ausgabe 2-2023 : Mai

"Mama, ich will heut' nicht zur Schule!"

Die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen – vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Studien belegen, dass gerade Jugendliche und junge Erwachsene besonders unter den Einschränkungen zu leiden hatten und es zum Teil immer noch tun. Doch es gibt Wege aus der Krise.

Was tun, wenn man keine Lust auf Schule hat? Diese Gefühl werden wohl viele, wenn nicht sogar alle Schüler*innen kennen – zumindest vorrübergehend. Aber was ist, wenn dieses Gefühl nicht mehr weg geht? Was ist, wenn dieses Gefühl nicht mehr geht? Was ist, wenn man nicht nur keine Lust auf Schule hat, sondern auch keine Lust darauf hat, sich mit seinen Freund*innen zu treffen? Was ist, wenn man nicht mal mehr Lust hat, sein Zimmer zu verlassen?

Immer mehr Jugendliche haben seit Beginn der Corona-Pandemie mit psychischen Problemen zu kämpfen. Schulausfall, Kontaktverbot, "Home-Schooling", Bewegungsmangel, fehlende Strukturen – all das hat gerade junge Menschen besonders hart getroffen. "Nach einer ersten Bilanz ist zu sehen, dass die psychischen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen sich durch die Pandemie erhöht haben und sich das Wohlbefinden reduziert hat", sagt Prof. Dr. Christoph Corell, Leiter der Klinik für Kinderund Jugendpsychiatrie der Charité in Berlin. Zusammen mit anderen Wissenschaftler*innen hat er 2020 die COH-FIT-Studie gestartet. Eine weltweite Studie, die herausfinden will, wie es den Menschen in der Pandemie körperlich und auch psychisch ergangen ist.

"Reden, soziale Kontakte aufrechterhalten, körperlich aktiv sein, sich eine Tagesstruktur geben – all diese Punkte können helfen, wenn man merkt, dass es einem schlecht geht. Wenn man aber merkt, es wird nicht besser, dann sollte man sich Hilfe holen und nicht lange warten."
Prof. Christoph Corell, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Charité in Berlin

Zwar könne man nicht genau sagen, welche Maßnahmen und Einschränken besonders starken Einfluss genommen haben, aber es sei anhand der Befragungsrunden eine gewisse Tendenz zu erkennen."Im Oktober 2020 gab es eine erste stichprobenartige Befragung, da hatte sich der allgemeine Gemütszustand – im Vergleich zu der Zeit vor Corona – schon deutlich verschlechtert. Bei einer zweiten Befragung im April 2021, also nach dem langen Lockdown, waren die Ergebnisse besonders schlecht", erklärt der Leiter der Studie.

Eine emotionale Atemlosigkeit

Ein großes Problem bei Kindern und Jugendlichen sei zum einen Langeweile gewesen und zum anderen auch Stress – hervorgerufen durch Unsicherheit, wie es weitergeht. "Es trat eine gewisse emotionale Atemlosigkeit ein, weil mal ja nicht wusste, wann hört das Ganze auf", erläutert der Mediziner. Die Folge davon sei dann nicht selten Angst und Depression, so Corell weiter. Jugendliche und junge Erwachsene haben am meisten darunter zu leiden gehabt, weil sie mit ihrer Identitätsfindung Lebensausprägung, sozialen Lernmöglichkeiten am meisten beeinträchtigt waren. 

2022 habe sich laut COH-FIT-Studie der allgemeine Gemütszustand zwar ein wenig gebessert, aber er ist nach wie vor schlechter als noch vor Corona. Dass die Folgen von Corona auch angesichts aufgehobener Einschränkungen nach wie vor zu spüren sind, merkt auch Dirk R. Er ist Lehrer an einem Gymnasium und stellt fest, dass immer mehr Schüler*innen Schwierigkeiten haben die Anforderungen der Schule zu bewältigen.
 

"In der aktuellen Oberstufe gibt es eine deutlich höhere Zahl an Fehlstunden oder Verspätungen. Eine Reihe an Schüler*innen schaffen es oft nicht, morgens aufzustehen. Es gibt einige Schüler, die ich seit Wochen nicht mehr im Unterricht gesehen habe. Wiederum andere fehlen bei jeder Klausur oder Klassenarbeit", berichtet der Deutsch- und Erkunde-Lehrer. 

Ängste, Unsicherheiten, Depressionen, Überforderung, fehlende Selbstorganisation auch Schul- und Prüfungsangst spielen hier eine große Rolle. "Natürlich ist es immer schwer, psychische Probleme einer konkreten Ursache zuzuordnen, da solche Phänomene meist komplex sind. Dennoch stellen wir fest, dass einerseits die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die aktiv Hilfe suchen als auch diejenigen, die aus unserer Sicht ein problematisches Verhalten zeigen, zuletzt deutlich zugenommen hat. Gerade sind wieder zwei Kinder, die ich im Unterricht habe, in der Klinikschule, weil sie in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden. Der Kalender unseres Beratungslehrerteams und der Schulsozialarbeiterin ist voll", so der Lehrer weiter.
 

Kontaktverbot, "Home-Schooling", Bewegungsmangel, fehlende Strukturen – all das hat gerade junge Menschen besonders hart getroffen.

Reden hilft!

Voll, das sind auch nicht selten die Praxen und Wartelisten von Psychologen und Psychiatern. Schnellere Alternative bilden digitale Beratungs- und Krisendienste, wie z.B. die Jugendnotmail. Dort können sich Jugendliche per Mail den Frust von ihrer Seele schreiben und erhalten innerhalb eines Tages eine erste Antwort. Dazu gibt es wochentags Zeitfenster in welchen Beratungen per Chats zur Verfügung stehen und zusätzlich Themen-Chats, in denen man sich mit anderen austauschen kann. Seit Beginn der Pandemie gibt es auch hier einen höheren Bedarf, über 30 Prozent mehr Jugendliche nehmen das Angebot von Jugendnotmail in Anspruch. Die Gründe, warum sich die jungen Erwachsenen melden, sind vielfältig, klar ist aber, es gibt keine Tabuthemen.

Reden, sozialen Kontakte aufrechterhalten, körperlich aktiv sein, sich eine Tagesstruktur geben – all diese Punkte können helfen, wenn man merkt, dass es einem schlecht geht, erklärt Prof. Corell. "Wenn man aber merkt, es wird nicht besser, ich habe Schlafstörungen, ich habe Angstsymptome, ich bin depressiv, lebensmüde oder habe suizidale Gedanken, dann Hilfe suchen! Beim Psychotherapeuten oder bei einem Kinder- und Jugendpsychiater oder bei einer kommunalen Anlaufstelle, wo man sich beraten lassen kann", sagt der Jugendpsychiater. Ganz wichtig dabei, erklärt der Mediziner weiter, je früher man dran gehe desto besser: "Je länger das Gehirn in einem depressiven Zustand ist oder lernt ängstlich zu sein, desto schwerer ist es da wieder rauszuholen. Also, nicht zu lange warten!"

Du hast Probleme in der Schule? Streit mit deinen Eltern? Angstzustände, Depressionen oder suizidale Gedanken? Oder du möchtest dich einfach nur aussprechen. Hier findest du kostenlose und anonyme Hilfe:

Bilder: Zohre Nemati, Andrew Neel/Unsplash; Htc Erl/Pixabay 

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