Ausgabe 4-2023 : November

"Kürzt uns nicht weg!"

Tausende Menschen haben sich am 20. September in Berlin versammelt, um gemeinsam gegen die Bundesregierung und ihre Kürzungsabsichten im Kinder- und Jugendplan zu demonstrieren.

Ein Mittwochvormittag im September am Berliner Hauptbahnhof. Junge Menschen mit bunten Bannern strömen aus dem Bahnhofsgebäude auf den Vorplatz. Von den aufgebauten mobilen Bühnen schallt Musik, einige Gruppen proben Sprechchöre. Plakate werden verteilt, auf denen steht: "57% der jungen Menschen haben euch 2021 gewählt. Für was?" Viele haben eigene Plakate mitgebracht. "Kürzt uns nicht weg!" steht da und "Politische Bildung kürzen? Der AfD gefällt das!". Manche jungen Menschen versuchen es mit Humor: "Lindner, Habibi, mach nicht so!" Es ist ein beeindruckendes Bild der Vielfalt der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Würde man Demokratie in einem Symbolbild zeichnen, es könnte aussehen wie diese Szene. Und mittendrin: das Banner der Kolpingjugend.

Die Zukunft aufs Spiel gesetzt

Tausende Menschen versammeln sich an diesem 20. September in Berlin, um gegen die geplanten Kürzungen der Bundesregierung im Kinder- und Jugendplan des Bundes zu demonstrieren. Ein breites Bündnis hatte dazu aufgerufen, unter anderem der Deutsche Bundesjugendring (DBJR), die Bundesarbeitsgemeinschaft offene Kinder- und Jugendeinrichtungen (BAG OKJE) und die Gemeinsame Initiative der Träger politischer Jugendbildung (GEMINI).

Sie alle teilen die große Sorge, dass sie ab 2024 ihre Arbeit einschränken oder einstellen müssen. Vor allem befürchten sie, dass zur Sanierung des Bundeshaushalts die Zukunft der Kinder und Jugendlichen aufs Spiel gesetzt wird. Sollten die Sparmaßahmen kommen, hätte das fatale Folgen: Keine oder weniger Angebote der politischen und kulturellen Bildung für junge Menschen, eine Einschränkung von ganzen Programmen der Jugendsozialarbeit in Schulen und Stellenabbau in der Jugendverbandsarbeit. Nach den Jahren der Pandemie, in Zeiten von Krieg und Klimakrise und erstarkendem Rechtsextremismus ist es vielen Fachkräften unverständlich, warum junge Menschen derart geringe Priorität in der Haushaltsplanung haben.

Was ist der Kinder- und Jugendplan des Bundes?

Der Kinder- und Jugendplan ist das zentrale Förderinstrument der freien Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene. Diese Finanzierung sichert die Bundesstrukturen von Jugendverbänden, von Trägern der politischen und kulturellen Bildung, der Jugendsozialarbeit, Förderung von Kindern in der Kindertagespflege und viele anderen Bereichen mehr.

Aus diesem Grund wurde ein symbolträchtiges Datum für die Demonstration gewählt. Am 20. September ist Weltkindertag, und im Bundestag wird der sogenannte Einzelplan 17 besprochen, der das Budget der Jugendministerin Lisa Paus für das Jahr 2024 enthält und für den massive Kürzungen vorgesehen sind: Knapp 45 Millionen Euro weniger für Kinder und Jugendliche.

Tausende sind in Berlin auf die Straße gegangen.

Während die Ministerin im Familienausschuss den Abgeordneten ihr Vorgehen begründet, steuert der Demonstrationszug vorbei an Bundestagsbüros erst in Richtung Bundesfinanzministerium und dann zum Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Jugendverbände machen mobil

Vor den Ministerien wird es laut. Sehr laut. Trillerpfeifen kündigen den Demonstrationszug an, die Demonstrant*innen rufen ihre Forderungen gegen die Ministeriumswände: "Finger weg vom KJP!" "Rückt die Kohle raus!" und zwischendurch wird es sogar persönlich: "Niemand ist fieser als Christian und Lisa!". Vielen tut es gut, zu äußern, was sie seit Monaten umtreibt: Schon den ganzen Sommer über hatten die Jugendverbände, die sich im Deutschen Bundesjugendring organisieren, gegen die Kürzungen mobil gemacht. Unter dem Motto "Politik auf Freizeit" luden deutschlandweit Jugendverbandler*innen die Bundestagsabgeordneten zu ihren Angeboten ein und zeigten ihnen, wie wichtig Jugendverbandsarbeit ist. Auch viele Kolpinger*innen beteiligten sich. Hinzu kamen Social-Media- und Postkarten-Aktionen, offizielle Stellungnahmen, Briefe und zahlreiche Gespräche mit Abgeordneten aller demokratischer Parteien. Trotz Ferien- und Urlaubszeit setzten junge Menschen deutschlandweit alle Hebel in Bewegung, um die "Werkstätten der Demokratie" zu retten.

Auch die Kolpingjugend Deutschland war mit dabei!

Während der Abschlusskundgebung lassen die Demonstrant*innen symbolträchtig Luftballons platzen, stellvertretend für die Zukünfte junger Menschen, die durch die Kürzungen bedroht sind. Am Ende übergeben die Träger der Kinder- und Jugendhilfe symbolisch den Staffelstab an die Aktiven der Freiwilligendienste, die direkt im Anschluss demonstrieren, weil sie ebenfalls von massiven Kürzungen bedroht werden. Ein Viertel der Einsatzstellen im Freiwilligendienst könnten ab 2024 wegfallen.

Einige Wochen später, Mitte Oktober, gibt es einen Lichtblick – zumindest für die Jugendverbände. Ihre Mittel sollen nach langem Verhandeln auf dem Niveau von 2023 erhalten bleiben. Das ist zwar aufgrund von gestiegenen Gehältern und Preissteigerungen trotzdem defacto eine Kürzung, aber ein großer und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Jetzt gilt es, diese Mittel zu sichern, zu verstetigen nennt man das in der Fachsprache, damit die Jugendverbandler*innen nicht jedes Jahr aufs Neue diesen kräftezehrenden Kampf um ihre Zukunft führen müssen.


Fotos: Dennis Wartenberg

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