Ausgabe 3-2020 : Juli

Kein Thema ist zu groß oder zu klein!

Manchmal gibt es Probleme, über die man mit niemandem so richtig reden kann – aber unbedingt reden möchte. Für solche Situationen gibt es die Telefon- und Onlineberatung der „Nummer gegen Kummer“. Doch was ist das genau?

Warum rufen Menschen bei der „Nummer gegen Kummer“ an?
Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Wir sind ein offenes Beratungsangebot, daher kann man sich zu jedem Thema melden. Bei Kindern und Jugendlichen sind das oft Themen wie Liebeskummer, Streit mit Freunden oder der Familie, Probleme in der Schule wie Mobbing oder Angst vor schlechten Noten. Natürlich gehören aber auch intensivere Themen wie Suizidgedanken oder Depressionen mit dazu. Die meisten melden sich bei uns, weil sie mit niemandem in ihrem Umfeld reden können oder wollen oder ihre engsten Vertrauten das Problem sind. Da hilft es oft, eine neutrale Meinung zu hören und mit anderen Menschen drüber zu reden.

Gibt es ein Thema, das zu heftig ist?
Nein, bei uns kann man über wirklich alles reden. Es kann sein, dass dem Berater das Thema zu sensibel ist, zum Beispiel ein Sterbefall, dann sagt er oder sie, ruf einfach nochmal an und dann kannst du mit einem anderen Berater darüber reden. Aber kein Thema ist zu groß oder zu klein. Wir hören oft, dass sich Kinder und Jugendliche denken, dass ihr Thema nicht schlimm genug sei, aber, und das kann ich nicht oft genug sagen, man kann wegen wirklich allem anrufen. Alle können bei uns über alles reden.

Wer ruft an?
Bei der „Nummer gegen Kummer“ gibt es das Kinder- und Jugendtelefon, die Online-Beratung und ein Beratungstelefon für Eltern. Am Kinder und Jugendtelefon sind circa 73 Prozent zwischen 12 und 17 Jahren alt, bei der Onlineberatung der „Nummer gegen Kummer“ sind 63 Prozent 15 bis 18 Jahre alt. Interessant ist auch, dass Jungen eher telefonieren, die Mädchen wenden sich lieber an die Online-Beratung.

Jeanine Rücker ist Fachberaterin der "Nummer gegen Kummer".

Gibt es Unterschiede in Themen zwischen Jungen und Mädchen?
Ja tatsächlich. Jungen haben oft Fragen zum Thema Sexualität, was ist normal und was nicht? Mädchen haben oft Probleme mit ihren Freundinnen oder mit den Eltern.

Was passiert, wenn ich bei der „Nummer gegen Kummer“ anrufe?
Dann passiert das, was der Anrufende möchte. Der oder die muss auch den eigenen Namen nicht nennen, kann direkt losquatschen und erzählen, was das Problem ist. Die Berater leiten dann das Gespräch, stellen Fragen und versuchen eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Alles ist anonym, wir würden auch nie die Polizei oder das Jugendamt einschalten. Das können wir ja auch gar nicht, wir haben ja keine Daten des Anrufenden. Wenn jemand bei uns anruft, muss er auch nur das erzählen, was er oder sie erzählen möchte. Der Anruf steht übrigens, weil er kostenlos ist, auch nicht auf der Telefonrechnung.

Gibt es durch Corona mehr Anrufe?
Ja, tatsächlich. Wir haben bemerkt, dass die „Nummer gegen Kummer“ stärker nachgefragt wird und haben deswegen auch die Beratungszeiten erweitert. Und die Leitungen sind auch wirklich gut ausgelastet.

„Aktuell drehen sich die Gedanken viel um die Angst vor der Zukunft. “
Jeanine Rücker

Worum geht es bei diesen Anrufen?
Aktuell drehen sich die Gedanken viel um die Angst vor der Zukunft. Kinder und Jugendliche sind sehr verunsichert, weil sie nicht in die Schule gehen können. Was für Noten kriege ich jetzt? Auch Einsamkeit ist ein großes Thema und natürlich auch Konflikte in der Familie. Am Elterntelefon wird viel darüber gesprochen, dass die Eltern mit der aktuellen Situation überfordert sind. Viele wissen nicht, wie sie Familie und Arbeit unter einen Hut bringen sollen.

Was ist mit häuslicher Gewalt?
Da können wir zum Glück sagen, dass wir keinen Anstieg verzeichnen konnten. Nach wie vor gibt es viele Gespräche zu diesem Thema, einen Anstieg durch Corona aber nicht.

Ersetzt ein Anruf eine Therapie?
Nein, auf keinen Fall. Wir können bei der „Nummer gegen Kummer“ aufgrund der Anonymität keine weiterführende Beratung anbieten. Wenn es beispielsweise um Suizidgedanken oder eine Essstörung geht, die über einen längeren Zeitraum behandelt werden müssen, dann vermitteln wir am Ende des Gesprächs immer an eine passende Hilfsorganisation.


Das Gespräch führte Tobias Pappert.

Wie erreiche ich die „Nummer gegen Kummer“?

  • Das Kinder und Jugendtelefon erreichst Du unter der Telefonnummer 116 111 (montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr und montags, mittwochs und donnerstags von 10 bis 12 Uhr).
  • Die E-Mail-Beratung ist rund um die Uhr verfügbar. Weitere Infos dazu unter www.nummergegenkummer.de
  • Das Elterntelefon ist montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr erreichbar, dienstags und donnerstags bis 19 Uhr.
  • Neben der „Nummer gegen Kummer“ gibt es noch viele weitere Beratungsangebote. Ein gute Übersicht findest Du auf www.frnd.de

Fotos: Warren Wong/Unsplash, privat