Ausgabe 3-2024 : August

Politik und Demokratie beginnen schon im Ferienlager

Warum wählen so viele – gerade auch junge Menschen – rechts? Die Demokratie zu verteidigen und zu stärken ist eine Aufgabe für die ganze Zivilgesellschaft, aber Jugendverbände scheinen hier besonders herausgefordert zu sein – so auch die Kolpingjugend.

Wie unverrückbare Türme standen die Balken des Diagramms auf dem Bildschirm: Bei der Europawahl hat es die in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD auch in der Altersstufe der 16- bis 24-Jährigen auf den zweiten Platz geschafft. Der Schreck war groß, obwohl der Wert mit 16 Prozent nicht höher lag als im Gesamtschnitt der Bevölkerung. "Offenbar hat die Gesellschaft an junge Menschen höhere moralische Ansprüche", konstatiert Peter Kube von der Bundesleitung der Kolpingjugend. Allerdings fällt am anderen Ende des Schaubildes noch ein weiterer Wert ins Auge, der die anderen überragt: 28 Prozent der jungen Menschen haben "Sonstige" gewählt, darunter sieben Prozent die kleine Europapartei "Volt".

Kolpingjugend bald auf TikTok präsent

Für Peter Kube ist die vermeintliche Unübersichtlichkeit keine Überraschung. "Junge Leute entscheiden weniger nach gängigen Mustern und Parteifarben", analysiert der Bundesjugendsekretär. "Sie orientieren sich lieber an konkreten Themen aus ihrer Lebenswelt."

Und da müssen sie im Politikbetrieb schon gründlich suchen, um fündig zu werden. Gelder für Jugendarbeit oder Freiwilligendienste standen 2023 weit oben auf der Streichliste zum Bundeshaushalt. Nur mit Mühe konnten die Jugendverbände empfindliche Kürzungen abwenden. Das sei natürlich längst keine Entschuldigung dafür, verfassungsfeindliche Parteien zu wählen, betont Peter Kube.

Als eine mögliche Ursache wurde zuletzt über den Medienkonsum von Jugendlichen spekuliert, etwa über TikTok. "Sicherlich spielen solche Plattformen eine Rolle", sagt Peter Kube. "Aber da helfen keine Pauschalurteile. Jugendliche sind nun einmal auf TikTok unterwegs, darum muss die Politik sich ernsthaft damit auseinandersetzen."

Genau das hat jedenfalls die Kolpingjugend vor und will bald mit einem eigenen Account auf der Videoplattform aktiv werden. "Indem wir mit unseren Werten und Themen in der TikTok-Community präsent sind, setzen wir einen Kontrapunkt gegen rechtsextremen Content", so Peter Kube.

"Demokratie ist mehr, als alle paar Jahre zur Wahl zu gehen. Sie geschieht im Alltag. Auch in unserem Verband, bei Versammlungen und Konferenzen."
Peter Kube, Bundesjugendsekretär

Komplexe Themen konkret aufs Leben beziehen

Zugleich wirbt er für ein breiteres Verständnis von Politik: "Demokratie ist mehr, als alle paar Jahre zur Wahl zu gehen. Sie geschieht im Alltag. Auch in unserem Verband, bei Versammlungen und Konferenzen." Nach den Vorstellungen der Kolpingjugend beginnt das politische Leben nicht erst bei der Gremienarbeit, etwa bei Beratungen über Satzungen und Beschlüsse. Partizipation ist im Jugendverband überall wichtig. Es gilt, in einer Gruppe aufeinander zu achten, die einzelnen Persönlichkeiten wertzuschätzen. "Wenn Kinder im Ferienlager beim Programm und bei der Verpflegung mitgestalten, erleben sie, dass sie etwas bewegen können." Dafür sei es aber wichtig, komplexe Themen auf die konkrete Lebenssituation herunterzubrechen. Ein gelungenes Beispiel ist aus seiner Sicht das Klimamobil der Kolpingjugend.

Bundesjugendsekretär Peter Kube betrachtet das Klimamobil als wichtigen zivilgesellschaftlichen Beitrag zur Stärkung des ökologischen und politischen Bewusstseins.

Das bunte E-Mobil tourt durchs Land und bringt Menschen zusammen, um sie für Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung zu motivieren. Das Thema ist riesengroß und kann überfordernd wirken. "Aber wenn wir gemeinsam überlegen: Was heißt das für unsere Situation, wo können wir praktisch anpacken? – dann wird es greifbar." Komplexe Sachverhalte konkret werden lassen, ist das vielleicht auch ein wichtiger Hebel, um Demokratie zu stärken? "Ja, das sehen wir etwa auch beim Thema Vielfalt", bestätigt Peter
Kube. "Gendersprache ist zum Beispiel für manche Menschen ein Trigger. Doch sobald wir nicht über abstrakte Strukturen reden, sondern über konkrete Lebensgeschichten, entstehen plötzlich Brücken." Und vielleicht macht sich diese Art des Aufeinandereinlassens irgendwann auch auf dem Wahlzettel bemerkbar. Warum nicht schon beim nächsten Urnengang?


Fotos: Dennis Wartenberg, Milena Furman, Kolpingjugend im Kolpingwerk Deutschland

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