Ausgabe 1-2021 : Februar

Alles heilig oder was?

Ist es Dir wichtig, dass Adolph Kolping heiliggesprochen wird? Diese Frage beantworten junge Menschen ganz unterschiedlich. Die Rückmeldungen sind auch abhängig davon, in welchem Teil der Welt man nachfragt.

Unter dem Motto "Kolping ist mir heilig!" ist im Oktober 2020 eine Petition zur Heiligsprechung unseres Verbandsgründers an den Start gegangen. Das Kolpingwerk Deutschland sammelt on- und offline Unterschriften, um sich im Vatikan für die sogenannte „Kanonisation“ von Adolph Kolping starkzumachen. Aber mal alle Fachwörter beiseite: Wie stehen eigentlich junge Menschen zu diesem Vorhaben? Und welche Bedeutung hat Adolph Kolping für sie?

„Ich habe die Petition schon auf einigen digitalen Diözesankonferenzen vorgestellt“, erzählt Peter Schrage, ehrenamtlicher Bundesleiter der Kolpingjugend Deutschland. Dabei habe er meistens in fragende Gesichter geschaut. „Viele sind unsicher, was sie von einer möglichen Heiligsprechung halten sollen. Sie fragen sich: Was würde das für mich persönlich und für meine Arbeit bei Kolping bedeuten?“ Diese Unsicherheit nehme ich gerne zum Anlass, um mich mal ein bisschen umzuhören – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in sämtlichen Ecken der Welt.

Zuerst frage ich bei unseren europäischen Nachbarn in Serbien nach. Genauer genommen in Novi Sad – dort lebt und studiert nämlich die 20-jährige Grlica Golušin aus dem Leitungsteam der Kolpingjugend Europa. „Bei uns ist Kolping nicht so dezentral organisiert wie in Deutschland“, erzählt sie. „Hier gibt es kaum lokale Kolpingsfamilien. Stattdessen werden Projekte und Aktionen zentral gebündelt, weshalb es  ein bisschen mehr Eigeninitiative braucht, wenn man sich engagieren möchte.“ Dadurch fühle sie sich mit den Ideen und der Geschichte von Kolping viel stärker verbunden als mit der Kolpinggemeinschaft vor Ort. 

"Bei Kolping begegnen wir uns auf Augenhöhe, ohne übereinander zu urteilen", findet Grlica Golušin aus Serbien. Die Gemeinschaft sei transparent und offen für alle – nicht zuletzt, weil Adolph Kolping das genauso vorgelebt hat.

Adolph Kolping als Inspiration

„Kolping ist toll, weil der Verband nicht nur für benachteiligte Menschen da ist, sondern für jeden Einzelnen, der einen kleinen Anstoß braucht, um mit dem Leben etwas Großartiges zu tun.“ Für Grlica ist Adolph Kolping eine große Inspiration: „Er hat immer an seine Träume geglaubt und diese konsequent umgesetzt.“ Als Schuhmacher ein Theologiestudium zu beginnen und damit einen völlig neuen Lebensweg einzuschlagen, war damals ungewöhnlich und mutig zugleich. So wurde Kolping später zwar Priester, sein Werk geht laut Grlica aber weit darüber hinaus: „Seine Werte sind universell. Hier in Serbien ist Kolping nicht so stark an die Kirche angelehnt und trotzdem können sich viele Menschen mit seinen Ideen identifizieren.“

Für sie persönlich würde eine Heiligsprechung keinen Unterschied machen: „Ich werde noch genauso inspiriert sein wie vorher.“ Die Kanonisation bedeute vielmehr eine Anerkennung der Arbeit aller Menschen, die sich über die Jahre hinweg bei Kolping eingebracht haben. „Das würde den Mitgliedern Zuspruch geben und zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind.“ Die praktische Arbeit und der Stellenwert von Kolping in Serbien wird sich dadurch jedoch kaum verändern. „Die jungen Menschen beteiligen sich zwar mit ihrer Unterschrift an der Petition – mehr aber auch nicht. Die meisten sind gar nicht gut genug darüber informiert, wie der Prozess der Heiligsprechung tatsächlich abläuft“, erklärt sie. 

"Adolph Kolpings Heiligsprechung wäre eine tolle Anerkennung unserer Verbandsarbeit."
Grlica Golusin

Eine schöne Überraschung

Weiter geht die kleine Umfrage circa 21 Flugstunden von Serbien entfernt – und zwar in Südafrika. Rede und Antwort steht diesmal Tarin Petersen aus Kapstadt, die schon seit fast zehn Jahren Mitglied bei Kolping ist. Angefangen hat für sie alles mit einem herrlichen Missverständnis: „In unserer Gemeinde hat der Priester am Ende einer Messe häufig der Kolpingsfamilie für Projekte und Spenden gedankt. Wir waren einfach neugierig, wer wohl dieses wohlhabende Ehepaar ist, das sich so großzügig für die Gemeinschaft einsetzt.“ Dementsprechend groß war die Überraschung, als sich die 32-Jährige beim ersten Treffen inmitten einer großen Gruppe unterschiedlichster Menschen wiederfand. Der Rest ist Geschichte. 

Tarin Petersen aus Südafrika muss schmunzeln, wenn sie sagt, dass ihr Blut mittlerweile wohl orange sei. "Mir ist es einfach wichtig, einen Unterschied im Leben anderer Menschen zu machen."

Seit diesem Tag ist Kolping ein wichtiger Teil von Tarins Leben: „Andere stecken sich Ziele für ihre private und berufliche Laufbahn. Ich habe zusätzlich auch Ziele für mein Kolpingleben!“ Eines davon ist der Aufbau der sogenannten „Kolping Young Adults“ in Südafrika – angelehnt an die deutsche Kolpingjugend. „Schließlich hat schon Adolph Kolping vorgelebt, dass jeder etwas beizutragen hat. Dieses Mitspracherecht liegt mir auch für die jungen Menschen hier in Südafrika sehr am Herzen“, sagt sie.

Überhaupt scheint Adolph Kolping einen hohen Stellenwert für Tarin zu haben. "Er ist die Vaterfigur, die ich vorher nicht hatte. Seine Lehre wird niemals alt und ich kann sie auf sämtliche Lebensbereiche anwenden." Die Bedürfnisse anderer Menschen vor die eigenen zu stellen, sei gerade in Südafrika, wo viele sozial benachteiligte Menschen leben, wichtig. Von einer Heiligsprechung würde ihr Heimatland deshalb besonders stark profitieren: „Es würde dadurch viel einfacher, Adolph Kolpings Werk in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Unsere Arbeit würde dadurch eine globale Plattform erhalten, die ganz bestimmt viele neue Mitglieder anzieht“, meint Tarin.

Von Afrika geht es – zumindest digital – weiter nach Mittelamerika. Dort spreche ich mit Thania Marisol Rodriguez aus Honduras, die über Kolping vor kurzem noch ein Freiwilliges Soziales Jahr in Deutschland gemacht hat. Kulturelle Unterschiede im Hinblick auf die Bedeutung Adolph Kolpings kann die 25-Jährige deshalb besonders gut einschätzen. „Und damit meine ich nicht, dass es in deutschen Kirchen und Kolpingsfamilien viel mehr Rentner gibt als in Honduras“, sagt Thania und lacht. Zwar arbeite man hier wie dort mit denselben Werten, jedoch unter verschiedenen Rahmenbedingungen. „Zum Beispiel ist Kolpings religiöse Komponente in Honduras viel stärker ausgeprägt als in Europa.“

"Kolping hat mein Leben verändert"

„Kolping bedeutet für mich die Lösung sozialer Probleme. Er steht für die Liebe und Hilfe, die Gott durch den Menschen geben kann“, erklärt Thania. Auch auf sie persönlich haben die visionären Ideale des Verbandsgründers Einfluss gehabt: „Die Möglichkeit des Nord-Süd-Austauschs hat mein Leben komplett verändert. Ich bin viel selbstbewusster geworden.“ Als sie zurück nach Honduras kam, schien alles wie früher – nur sie selbst war nicht mehr dieselbe. „Das war kompliziert, aber es hat sich gelohnt. Meine Unabhängigkeit ist mir sehr wichtig geworden und das war ja auch eine der Maximen Adolph Kolpings.“
 

Für Thania Marisol Rodriguez aus Honduras repräsentiert Adolph Kolping alle Menschen, die bereit sind, hart für ihre Ideale zu arbeiten.

Viel bedeutsamer als eine Person selbst sei die Arbeit, die sie zu Lebzeiten geleistet hat. Eine Heiligsprechung Adolph Kolpings sollte davon nicht ablenken, findet Thania: „Für mich und viele Menschen ist er schon jetzt ein Heiliger. Seine Liebe und die Hingabe für seine Nächsten scheinen hell – egal, ob er von der Kirche auch offiziell so genannt wird.“ Dennoch würde eine Kanonisation viele Menschen in Honduras begeistern. „Aus dem katholischen Glauben heraus würde sich Adolph Kolpings Strahlkraft dadurch noch mal verbessern“, ist sich Thania sicher. Die Petition werde vor Ort deshalb tatkräftig unterstützt.

"Adolph Kolping ist schon jetzt ein Heiliger für mich – egal, ob er offiziell von der Kirche so genannt wird."
Thania Marisol Rodriguez

Einen Abschluss findet meine kleine Weltreise schließlich in Vietnam. Dort erzählt Nguyên Phuóc Du, wie wichtig Adolph Kolping schon seit frühen Kindertagen für sein Leben ist. Damals hatte ihn sein Onkel häufig zu Aktionen von Kolping mitgenommen – seit 2005 ist Phuóc auch selbst aktives Mitglied. Seine Kolpingsfamilie in Tràm Chim bezeichnet der 33-Jährige als wahrhaft zweite Familie: „Meine Eltern haben mich aufgezogen, beschützt und das Fundament für meinen Glauben gelegt. Die Kolpinggemeinschaft hilft mir dabei, im Glauben zu wachsen und Nächstenliebe zu leben.“

Dank Kolping strebt Nguyên Phuóc Du Ziele an, die größer sind als er selbst. "Ich will auch anderen Menschen helfen, sich weiterzuentwickeln." Die gesellschaftliche Situation verbessere sich im nächsten Schritt dann ganz automatisch.

Bevor er Teil der Kolpingsfamilie wurde, ging es ihm wie vielen jungen Menschen in Vietnam: „Ich hatte vor allem ein Ziel – und zwar mich selbst zu verwirklichen, um mich, meine Familie und meine Verwandten versorgen zu können.“ Seitdem Phuóc bei Kolping ist, sei ihm jedoch klargeworden, dass noch viele andere Menschen zu seiner Familie gehören und Hilfe verdienen. "Sie haben nicht dasselbe Blut oder dieselbe Hautfarbe. Trotzdem sind sie meine Schwestern und Brüder. Wir alle verehren Adolph Kolping, den ich meinen großen Bruder nenne“, erzählt er.

Seinem Vorbild eifert Phuóc im Alltag nach. „Kolpings Lebensgeschichte berührt mich sehr“, sagt er. Sie zeige, dass in einem gewöhnlichen Körper ein energiegeladener Mensch mit unglaublicher Barmherzigkeit stecken kann – getragen vom absoluten Bekenntnis zu Gott. „Auch in unserer heutigen Gesellschaft gibt es Unrecht, Leid und Verbrechen. Viele junge Menschen haben die Orientierung verloren“, findet Phuóc. „Adolph Kolping ist dabei eines dieser unverzichtbaren Beispiele, die Orientierung geben können. Er muss heiliggesprochen werden, damit noch mehr Menschen von seinem Leben erfahren können!“ Für Phuóc wäre die Heiligsprechung auch ein persönlicher Ansporn: „Sie würde mir Mut machen, weiterhin seinem leuchtenden Beispiel zu folgen. Ich hoffe und bete, dass es so schnell wie möglich zu einer Kanonisation kommt!“ 

Wenn auch Du Deine Stimme für die Heiligsprechung Adolph Kolpings abgeben möchtest, schau doch gerne mal auf  www.petition-kolping.com vorbei. Dort findest Du alle Infos.

Fotos: Kolpingwerk Deutschland, privat (4)