Ausgabe 2-2022 : Mai

„Sollte es einen Gott geben, hat er*sie*es kein Problem damit“

Thomas engagiert sich in der Kolpingjugend und ist eine von 125 Personen, die sich Ende Januar im Rahmen der Initiative „#Outinchurch“ als queere Menschen, die in der katholischen Kirche tätig sind, geoutet haben. Woher nimmt er seinen Mut?

In der Nacht vom 23. auf den 24. Januar blieb Thomas bis Mitternacht wach. Nicht, weil er noch für eine Prüfung an der Uni lernen musste oder weil er in den Geburtstag eines guten Freundes hineinfeiern wollte. Thomas wartete auf die Freischaltung einer Homepage, die etwas an die Öffentlichkeit bringen sollte, auf das er monatelang hingefiebert hatte.

Um Punkt zwölf Uhr war es dann soweit: Die Website der Initiative „#Outinchurch“ wurde freigeschaltet. Im Fokus: 125 Menschen der katholischen Kirche, die sich als queer outen und für eine Kirche ohne Diskriminierung einsetzen. Einer davon: Thomas selbst.

Thomas will sich nicht verstecken. Ihm ist es wichtig, dass queere Themen in der katholischen Kirche gehört werden.

Dass er seine Stimme öffentlich für eine Kirche ohne Angst und ohne Diskriminierung so stark erhebt, hätte er vor einigen Jahren selbst nicht gedacht. Aufgewachsen ist Thomas im Rheinland und hat „das volle katholische Sozialisationsprogramm durchlaufen“, wie er selbst mit einem Augenzwinkern sagt. In der Praxis bedeutete das: Katholischer Kindergarten, Katholische Schule, Engagement in der Messdienerschaft, Sternsingen, Kommunion, Firmung und später auch leitende Tätigkeiten in der Jugendarbeit. Kein Umfeld, in dem es leicht ist, das Queersein als Jugendlicher offen zu leben.

„Als queere Person erfährt man oft Ausgrenzung in der Kirche, das ist krass. Noch schlimmer war für mich aber das Unsichtbarmachen der Queerness in diesem Umfeld.“
Thomas

Für Thomas bedeutete das ganz praktisch: Keine queeren Vorbilder in der Jugendarbeit und der Schule. In der Konsequenz hat sich auch Thomas mit seiner Queerness versteckt. Erst nach seiner Schulzeit änderte sich das. Thomas engagierte sich im Feld des interreligiösen Dialogs und lernte im Zuge dessen andere queere religiöse Menschen kennen. Parallel dazu begann er, sich auch in seiner Tätigkeit als Jugendleiter in der Kolpingjugend Hürth dafür einzusetzen, dass queere Themen sichtbarer werden. „Meine Queerness und meine religiöse Identität sind für mich persönlich kein Widerspruch“, betont Thomas. Er glaubt, dass katholische Räume in der Jugendarbeit wichtig sind und Jugendlichen helfen können, sich zu entfalten. Dazu dürfe es aber keine
diskriminierenden Strukturen geben.

Ferienfreizeiten zu leiten, ist dem 25-Jährigen sehr wichtig. Auch hier möchte er queere Themen sichtbar machen.

Der 25-jährige Student beweist mit seinem öffentlichen Auftreten Mut. Mut, den er gerne schon in jüngerem Alter gehabt hätte. „Natürlich gibt es immer wieder Momente, wo ich mir denke, dass ich mich schon früher hätte trauen sollen, mich in meinem Umfeld zu outen“, sagt er. Doch ohne Vorbilder blieb das schwierig. Jetzt ist Thomas selbst eines. Nach dem Start der Initiative meldeten sich bei ihm viele Leute aus seinem alten schulischen Umfeld. Einer seiner ehemaligen Lehrer schloss sich daraufhin sogar der Initiative an. Dass er jetzt andere inspiriert, ist für Thomas ein versöhnliches Gefühl.

Ein Rat ans jüngere Ich

An seiner alten katholischen Schule leuchtete das Logo über dem Raum der Schüler:innenvertretung zuletzt in Regenbogenfarben. Das hätte es zu seiner Schulzeit nicht gegeben. Thomas freut sich darüber. „Es tut, gut zu sehen, dass es Zeichen gibt, dass sich etwas ändert.“ Rückblickend würde er seinem jüngeren Ich gerne eines mitgeben: „Wenn man sich überlegt, wie die Reaktionen anderer Menschen auf das eigene Handeln ausfallen könnten, dann sollte man im eigenen Handeln nicht vom Schlimmsten ausgehen – sondern vom Bestmöglichen.“

Queer sein – was heißt das?

„Queer“ ist der Sammelbegriff für sämtliche Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen, die nicht der sogenannten Heteronormativität entsprechen.

Bilder: #OutInChurch; Sharon McCutcheon/Unsplash; privat