Ausgabe 1-2023 : Februar

Darf man sich "Familie" nennen, wenn es nicht die Konstellation Vater, Mutter, Kind ist?

Die klassische Zusammensetzung einer Familie kennt jeder: Vater, Mutter, Kind. Aber, ist das überhaupt noch zeitgemäß oder ist diese Konstellation schon völlig überholt? Und, was bedeutet eigentlich "Familie"?

Was bedeutet "Familie" für Dich?

Maria: Familie bedeutet für mich vor allem Menschen, die mit mir den Alltag verbringen und mich von klein auf kennen. Das können Verwandte, aber auch der Partner oder die Partnerin sein. In einer Familie ist mir Geborgenheit wichtig. Man soll sich dort nicht verstellen müssen.

Christopher: Ich würde das noch ein bisschen erweitern: Ich finde es wichtig, dass man gegenseitig Verantwortung übernimmt. Klar, im Freundeskreis hilft man sich auch, aber innerhalb der Familie passiert das komplett ohne Gegenleistung. Man muss sich keine Sorgen machen und kann sein, wie man möchte.

Fabian: Familie heißt für mich, dass man sich fallen lassen kann, dort aufgenommen ist und nichts krummgenommen bekommt.

  • Fabian Geib

    Der 23-jährige Heilerziehungspfleger aus dem DV Speyer findet, dass Familie für jede*n Definitionssache ist und so ganz unterschiedlich aussehen kann.

  • Maria Rauch

    Maria Rauch aus dem DV Eichstätt glaubt, dass der Begriff "Familie" für Kolpinggeschwister eh schon ein anderer ist. "Sind wir nicht eh eine breitgefächerte Familie?", fragt die 22-jährige Lehramts-studentin.

  • Christopher Eing

    Für Christopher Eing aus dem DV Münster ist es wichtig, dass Familienmitglieder gegenseitig Ver-antwortung übernehmen - auch ohne Gegenleistung. Der 23-Jährige studiert Politikwissenschaften.

Wen zählst du zu deiner Familie?

Christopher: Ich bin da recht klassisch unterwegs und zähle in erster Linie nur meine Verwandte, bzw. angeheiratete Verwandte mit dazu. Freund*innen sehe ich nicht zwingend als Familie, finde das aber auch voll in Ordnung, wenn das jemand so sieht.

Fabian: Bei mir sind es die klassischen Personen: Eltern, Partnerin, Oma und Opa, aber auch ein bestimmter Freundeskreis. 

Maria: Für mich sind es schon ein paar mehr: Mama, Papa, mein Freund, meine besten Freund*innen und aber auch Verwandtschaft, wie Onkel, Tanten, Oma oder Opa.

Was findest du am Konstrukt "Familie" gut, was nervt aber auch?

Fabian: Jetzt gerade war ja erst Weihnachten, ich persönlich bin froh, dass das erstmal wieder hinter mir liegt. Da hat man die geballte Familie und das kann auch mal anstrengend sein. An sich finde ich es aber schön, dass es eine Gruppe gibt, bei der man sich zuhause fühlt. Klar, zu der ein oder anderen Person hat man eine engere Beziehung, als zu einer anderen und auch wenn man sich nicht oft sieht, muss das nichts Schlechtes heißen.

Maria: Wir haben eine große Verwandtschaft und ich bin es von klein auf gewohnt, dass oft viele Menschen da sind. Was richtig Nerviges gibt es da für mich gar nicht.

Christopher: Für mich gibt es Routinen, wie z.B. gemeinsame Essenszeiten, die manchmal nervig sein können, gleichzeitig aber auch super schön sind.

Für was sollte deiner Meinung nach Familie da sein?

Maria: Familie sollte den Menschen, die in der Familie sind, Geborgenheit, Vertrautheit und Liebe geben. Aber auch das Gefühl, dass man sich fallen lassen kann. Ob das die Eltern, Großeltern oder Freund*innen sind, ist egal.

Christopher: Außerdem finde ich es auch wichtig, dass man sich auch mal anschreien kann. 

Fabian: Meiner Meinung nach sollte Familie füreinander da sein, egal in welcher Lebenslage.
 

Darf etwas "Familie" heißen, wenn es nicht Vater, Mutter, Kind ist? Falls ja, warum – falls nein, warum nicht?

Maria: Ich find schon! Ich selbst habe Bekannte, zwei Frauen, die geheiratet haben und ein Kind erwarten – die werden nie ein traditionelles Familienbild abgeben, können die Werte von Familie aber natürlich trotzdem wiedergeben. Warum sollten die sich nicht Familie nennen dürfen?

Fabian: Für mich hat das auch nichts mit dem klassischen Familienbild zu tun. Ich finde, Familie ist Definitionssache und ganz offen gefasst und individuell: Ich definiere meine Familie anders als zum Beispiel eine Frau, die mit einer Partnerin Kinder bekommt.

Christopher: Ich kann mich da anschließen. Auch kinderlose Ehen oder Alleinerziehende können Familie sein. Überall, wo Liebe, Verantwortung, Streit und all das passiert, da ist für mich Familie.

Hast du in deinem Umfeld Familienkonstellationen, die von "Vater, Mutter, Kind" abweichen und wie nimmst du die wahr?

Fabian: Ich kenne Personen, die alleinstehend sind und kenne auch gleichgeschlechtliche Paare: Da steht vielleicht anderes im Fokus, ansonsten nehme ich das aber nicht anders wahr.

Maria: Ich nehme das auch nicht anders wahr und sehe da keinen großen Unterschied.

Christopher: Ich glaube, die stehen teilweise vor anderen Herausforderungen und an der einen oder anderen Stelle sind Dinge vielleicht schwieriger zu organisieren, z.B. wenn man alleinerziehend ist. An sich ist das aber für mich komplett das gleiche und die sind genauso viel wert, wie andere.

Manche sagen, zwei Väter oder zwei Mütter können ein Kind nicht so erziehen, wie es nötig wäre. Da fehle etwas. Was sagst du dazu?

Maria: Wenn mir jemand das sagt, würde ich zurückfragen: Was fehlt?

Fabian: Ich bin da bei Maria, zu fragen, was fehlt? Von dem Denken, nur Vater, Mutter, Kind kann nach gesellschaftlichen Normen eine Familie, sein, muss oder sollte die Gesellschaft wegkommen. Es fehlt nichts – jede*r kann Liebe weitergeben.

Christopher: Für mich gibt’s da keine Geschlechter. Wenn es heißt, zwei Väter, sehe ich da in erster Linie zwei Menschen. Geschlechter sind von unserer Gesellschaft konstruiert, da kann nichts fehlen. 
 

Welche Folgen hätte es, wenn wir Familie breiter verstehen?

Christopher: Ich glaube, die Gesellschaft würde dann generell mehr gegenseitigen Respekt zeigen. Und ganz praktisch gesehen – vielleicht hätte das auch finanzielle Auswirkungen, bezüglich Steuervorteilen, Kindergeld oder ähnlichem. Da habe ich aber noch nicht zu Ende gedacht.
 
Maria: Sind wir nicht als Kolpingfamilie eh schon eine breitge-fächerte Familie? Ich frage mich, ob für uns Kolpinggeschwister der Begriff nicht eh schon ein anderer ist als für andere. 

Fabian: Ich tu mir schwer, da eine Aussage zu treffen. Ich selbst bin in dem Denken schon drin, dass Familie nicht Vater, Mutter, Kind ist, sondern mehr – ob Freund*innen, Kolpingsfamilie oder anderes.

Was wünscht du dir zukünftig für das Thema "Familie"?

Maria: Ich wünsche mir, dass jeder mit Respekt behandelt wird – egal wie die Familie aussieht. Man hat sich die Personen in Familien so nicht ausgesucht, da brauchen wir auch keine Meinungen über sie haben.

Fabian: Ich würde mir wünschen, dass Menschen nicht ausgegrenzt werden, so wie es momentan noch oft der Fall ist. Ich habe schon oft erlebt, dass es heißt – "der ist schwul, die ist lesbisch, ich will mit denen nichts zu tun haben". Das mag albern klingen, ist aber leider noch in vielen Köpfen drin.

Christopher: Ich persönlich wünsche mir mehr Anerkennung – allein was z.B. das Thema Alleinerziehende angeht. Da braucht es Hilfe und Anerkennung und das fehlt mir aktuell noch oft.

 

Fotos: privat; Tyler, Sandy Millar, Priscilla Du Preez, Juliane Liebermann/Unsplash

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1 Kommentare

  • Willi
    am 03.04.2023
    Ich gehöre nicht zur x-mag Generation, lese aber schon manche Beiträge, z.B. "Darf man..."
    Da war ich doch erstaunt. Die Antworten hätten auch von den Jugendorganisationen unserer politischen
    Parteien stammen können. Der Genderismus scheint auch bei Kolping Heimat gefunden zu haben, nicht bloß wegen der sprachverhunzenden * Wortkombinationen. Klar ist, wenn man nicht mehr weiß , was der Mensch ist, weil jeder sich selbst entwerfen kann, kann man auch Familie in allen Variationen entwerfen(Fabian). Ich gehöre auch zu einer Kolpingfamilie, verstehe sie aber doch anders als "unsere" Familie mit Eltern und Kindern (Maria). Die Enkel kann man vielleicht noch dazunehmen, wobei es klar ist, in Erziehungsfragen bleibe ich außen vor. Und dass Mann und Frau "nur" Mensch sind und nicht auf besondere Art Mensch sind, dürfte auch nicht erwiesen sein(Christopher).
    Papst Franziskus hat zur Vorbereitung auf die Bischofssynode im Oktober 2015 ein Gebet verfasst, worin es heißt: "...möge die kommende Bischofssynode allen die Heiligkeit und Unantastbarkeit der Familie, ihre Schönheit im Plan Gottes wieder neu bewusst machen." Er bat die Gläubigen, es zu sprechen. Von all dem finde ich in den Aussagen der jungen Leute nichts, wie wohl ich schon teilweise zugestehen kann, dass Freiheit d a s Thema junger Leute ist und man unbedingt Neues ausprobieren will. Interessant wäre ja , ob die genannten jungen Menschen in 30 Jahren noch in gleicher Weise antworten würden.
    Wenn ich heute von Transhumanismus höre, dass der heutige Mensch optimiert und erst zum "richtigen"
    Menschen entwickelt werden kann und muss, frage ich mich schon, ob da nicht wieder ein neuer Turmbau von Babel angepeilt wird. Der erste Versuch ging ja nicht so gut aus...
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  • Willi
    am 03.04.2023
    Ich gehöre nicht zur x-mag Generation, lese aber schon manche Beiträge, z.B. "Darf man..."
    Da war ich doch erstaunt. Die Antworten hätten auch von den Jugendorganisationen unserer politischen
    Parteien stammen können. Der Genderismus scheint auch bei Kolping Heimat gefunden zu haben, nicht bloß wegen der sprachverhunzenden * Wortkombinationen. Klar ist, wenn man nicht mehr weiß , was der Mensch ist, weil jeder sich selbst entwerfen kann, kann man auch Familie in allen Variationen entwerfen(Fabian). Ich gehöre auch zu einer Kolpingfamilie, verstehe sie aber doch anders als "unsere" Familie mit Eltern und Kindern (Maria). Die Enkel kann man vielleicht noch dazunehmen, wobei es klar ist, in Erziehungsfragen bleibe ich außen vor. Und dass Mann und Frau "nur" Mensch sind und nicht auf besondere Art Mensch sind, dürfte auch nicht erwiesen sein(Christopher).
    Papst Franziskus hat zur Vorbereitung auf die Bischofssynode im Oktober 2015 ein Gebet verfasst, worin es heißt: "...möge die kommende Bischofssynode allen die Heiligkeit und Unantastbarkeit der Familie, ihre Schönheit im Plan Gottes wieder neu bewusst machen." Er bat die Gläubigen, es zu sprechen. Von all dem finde ich in den Aussagen der jungen Leute nichts, wie wohl ich schon teilweise zugestehen kann, dass Freiheit d a s Thema junger Leute ist und man unbedingt Neues ausprobieren will. Interessant wäre ja , ob die genannten jungen Menschen in 30 Jahren noch in gleicher Weise antworten würden.
    Wenn ich heute von Transhumanismus höre, dass der heutige Mensch optimiert und erst zum "richtigen"
    Menschen entwickelt werden kann und muss, frage ich mich schon, ob da nicht wieder ein neuer Turmbau von Babel angepeilt wird. Der erste Versuch ging ja nicht so gut aus...
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