Studie bedeutet neue Zeitrechnung
Eigentlich ist die Studie aus Münster für Betroffene sexualisierter Gewalt keine neue Offenbarung. Das Forscherteam um Prof. Großbölting beschreibt methodisch sehr gut die ganze Breite des Missbrauchs in der katholischen Kirche – mit all seinen Grausamkeiten für die Opfer. Grausamkeiten, die für viele Betroffene als Überlebende dieser Taten Tag für Tag bis heute spürbar sind, die bis heute Auswirkungen haben. Das formulieren Betroffene – mal laut und emotional, mal leise und sachlich – seit geraumer Zeit.
Und dennoch beginnt eine neue Zeitrechnung. Da ist einerseits die Deutlichkeit, mit der die Dinge – endlich – beim Namen genannt werden. Aus Vertuschung wird das, was es wirklich ist: Strafvereitelung. Damit ist nicht nur der Missbrauch die Straftat, sondern auch der spätere Umgang der Verantwortlichen in den Bistümern. Bischöfe und Andere haben sich strafbar gemacht – nicht nur in Münster. Es bleibt aus Betroffenensicht zu hoffen, dass die Verjährungsfristen zu Ungunsten der Straftäter verändert werden, auch wenn damit »respektable« Persönlichkeiten der katholischen Kirche in Deutschland in das Visier der Ermittler geraten werden. Und noch etwas wird deutlich: Der Begriff der Täterorganisation manifestiert sich. Wenn nur das Wohl der Institution im Kontext missbrauchter Kinder und Jugendlicher gesehen wurde, und das über alle Hierarchieebenen hinweg bis in die Jahre nach 2010 hinein mit einer ungeheuren Konsequenz und Stringenz, dann bleibt eben nur ein Begriff dafür über: Täterorganisation!