Ausgabe 4-2024 : November

Mit Pioniergeist in der Geistlichen Leitung

Seit der Bundesversammlung 2016 gibt es auf Bundesebene das Amt der Geistlichen Leitung, das von nicht geweihten Personen – Männern wie Frauen – gleichberechtigt neben dem Bundespräses ausgeübt wird. Rosalia Walter hat dieses Amt seither geprägt. Nun rufen Verpflichtungen in der Familie.

Kolpingmagazin: Was sind die Aufgaben einer Geistlichen Leiterin und wie unterscheidet sich der Dienst vom Amt des Bundespräses?

Rosalia Walter: Im Kolpingwerk tragen Präses und Geistliche Leitung gemeinsam die Verantwortung für den Pastoralen Dienst, d. h. sie sorgen sich darum, dass das geistlich-religiöse Leben die Quelle des Engagements der Kolpinggeschwister ist. Dabei ist wichtig und eine besondere Stärke unseres Verbandes, dass auch die pastoral ausgerichteten Menschen für das Ganze stehen und in die Gesamtverantwortung für unseren Verband eingebunden sind. Deshalb bin ich auch Mitglied des Bundespräsidiums. Die Dienste der pastoralen Ämter unterscheiden sich nur dadurch, dass der Präses grundsätzlich geweiht und die Geistliche Leitung immer Laie ist.
 

Rosalia Walter (66), war seit 2016 Geistliche Leiterin des Kolpingwerkes Deutschland. Seit 2008 gehörte die Diplom-Religionspädagogin dem Bundesvorstand an, wo sie die Verantwortung für den Bundesfachausschuss "Kirche mitgestalten" trug. Von 1983 bis 2011 war sie Mitglied des Vorstands der Kolpingsfamilie Buchloe, ab 1999 als 1. Vorsitzende. Von 1995 bis 2011 engagierte sie sich auch im Vorstand des Diözesanverbandes Augsburg.

Als Geistliche Leiterin warst Du offiziell mit dem  Bundespräses im pastoralen Dienst gleichgestellt. Wie hat das Zusammenspiel funktioniert? 

Rosalia Walter: Sowohl mit dem ehemaligen Bundespräses Josef Holtkotte als auch mit dem derzeitigen Hans-Joachim Wahl war für uns die Zusammenarbeit auf Augenhöhe selbstverständlich. Wir waren nicht immer der gleichen Meinung, aber wir haben es immer geschafft, zusammen zu finden. Deshalb waren uns auch der Austausch, gemeinsame Überlegungen und Planungen sehr wichtig. Wir haben uns nie als Konkurrenten, sondern als verschiedene Akteure mit einer gemeinsamen Aufgabe erlebt. Dabei mussten Kompetenzen und Zuständigkeiten nie erkämpft oder ausgehandelt werden, denn sie ergänzten und ergaben sich aus der gemeinsamen Aufgabe und der je eigenen Verantwortung.

Wie hast Du die Menschen mit ihrem vielfältigen Engagement und ihrer Spiritualität erlebt?

Rosalia Walter: Laien verstehen sich nicht mehr als Zuarbeiter oder als verlängerter Arm der geweihten Amtsträger, allerdings gibt es diesbezüglich regional starke Unterschiede. An manchen Orten ist echtes Taufbewusstsein zu spüren. Dort erlebte ich, dass Laien aus eigener Motivation heraus handeln und nicht nur, weil sie den Auftrag oder die Erlaubnis von "oben" dazu bekommen haben. Allerdings fehlt leider auch bei Engagierten immer noch das Bewusstsein dafür, dass das Getauft- und Gefirmt-Sein nicht mehr gesteigert werden kann, auch nicht durch das Weiheamt.

Gemeinsam mit Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, dem damaligen Bundespräses Josef Holtkotte, jetzt Weihbischof in Paderborn, und der ehemaligen Bundesjugendsekretärin Magdalene Paul bei einer Veranstaltung des Landesverbandes Bayern.

Was waren die wichtigsten Erlebnisse und die bewegendsten Momente in Deiner Amtszeit als Geistliche Leiterin? 

Rosalia Walter: Bewegend war allein schon die Wahl an sich und die positiven Reaktionen darauf. Die Ernennung von Bundespräses Josef Holtkotte zum Weihbischof fand große Aufmerksamkeit. Die Dialogpredigt mit Bischof Bode bei der Bundesversammlung 2022, bei der es am Ende Applaus gab, war ein starkes Zeichen dafür, dass wir im Verband als Laien und Geweihte gemeinsam unterwegs sind.

Die Tagungen, mit denen der Bundesfachausschuss "Kirche mitgestalten" die Engagierten vernetzt und unterstützt, waren ein Highlight für alle Beteiligten. Die strahlenden und dankbaren Teilnehmenden motivierten für die nächsten Tagungen. Auch die guten Begegnungen in den Synodalversammlungen bleiben mir in positiver Erinnerung.

"Das Amt der Geistlichen Leitung muss wachsen, es muss ankommen – wie alle Dinge im Verband."
Rosalia Walter

Die "Rolle der Frau" in der Kirche wird derzeit intensiv und kontrovers diskutiert. Kann KOLPING mit der Erfahrung, die wir auf verschiedenen Ebenen mit dem gleichberechtigten Leitungsamt gesammelt haben, zur Entwicklung der Kirche beitragen? 

Rosalia Walter: Ja, auf jeden Fall. Als demokratisch verfasster Verband zeigen wir damit, dass Frauen und Männer gleichberechtigt und auf Augenhöhe in der Geistlichen Leitung Verantwortung tragen und Leitung wahrnehmen. Alle Ämter werden mit zeitlicher Beschränkung gewählt. Mit dieser gelebten Praxis sind wir schon jetzt eine mögliche und zukunftsfähige Form der Kirche. Bei uns können sich verschiedene Charismen entfalten. Dies belebt gemeinsames Kirche-Sein.
 

Viel Beifall gab es bei der Dialogpredigt mit Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück bei der Bundesversammlung 2022 in der Kölner Minoritenkirche.

Dein Fazit nach acht Jahren: Haben sich Deine Erwartungen erfüllt?

Rosalia Walter: Mir war von vornherein klar, dass sich ein neues Amt nicht von heute auf morgen etabliert; es ist ein Prozess, der viel Zeit, Geduld und Kraft benötigt. Man kann nicht meinen, dass durch eine Wahl plötzlich alle Schalter umgelegt werden. Das Amt der Geistlichen Leitung muss wachsen, es muss ankommen – wie alle Dinge im Verband. Die Möglichkeiten und Eigenständigkeiten, das Positive, das dieses Amt hat, müssen immer wieder betont werden. Geistliche Leitung ist aus sich heraus bedeutsam, nicht deshalb, weil die Priesterzahlen immer stärker sinken. Das muss erst mal bei allen ins Bewusstsein kommen. Dabei muss aber auch klar sein, dass es den Priester nicht überflüssig macht. Es geht um ein gutes Miteinander, das für die Zukunft der Kirche gut und wichtig ist. Das ist tatsächlich Pionierarbeit. Realitätssinn schützt dabei vor Frustration! Deshalb blicke ich zufrieden auf meine Amtszeit zurück.

Auf der Sitzung des Bundeshauptausschusses Anfang November 2024 ist Deine Nachfolgerin gewählt worden. Was möchtest Du ihr mit auf den Weg geben?

Rosalia Walter: Der Pastorale Dienst steht vor großen Herausforderungen, denn die pastorale Landschaft verändert sich dramatisch. Pastoral im Verband ist zum Gesprächsthema geworden. Grundsätzlich ist die geistliche Ausrichtung das Herz und die Wurzel von KOLPING. Denn ohne geistliche, spirituelle Prägung wären wir nur ein Verein. Deshalb ist es gut, der Überzeugung von Adolph Kolping treu zu bleiben: "Solange uns Gott Kräfte verleiht, schaffen wir rüstig und wohlgemut weiter. Die Zukunft gehört Gott und den Mutigen."

Fotos: Marian Hamacher, Carl Herrlich, Kolpingwerk Deutschland

Kommentar verfassen

Jeder Kommentar wird von der Redaktion überprüft, bevor er im Onlinemagazin erscheint. An dieser Stellen wollen wir auch auf unsere Netiquette und Informationen zum Datenschutz hinweisen.

Ihr Kommentar wurde verschickt!

Wir bitten um etwas Geduld. Ihr Kommentar wird von der Redaktion geprüft bis er online gestellt wird.

OK