Herr Lammert, Sie haben in der Vergangenheit mit Nachdruck für ein soziales Pflichtjahr geworben. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Gesellschaftliches Engagement stärkt den sozialen Zusammenhalt und das gemeinschaftliche Miteinander. Demokratie ist überlebensnotwendig auf bürgerschaftliches Engagement angewiesen. Genau darauf kommt es heute mehr denn je an, angesichts vielfältiger Krisen und Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können.
"Gesellschaftliches Engagement stärkt den sozialen Zusammenhalt"
Für ein soziales Pflichtjahr: Norbert Lammert, CDU, im Kurzinterview
Kritiker der Idee sagen, Solidarität und Gemeinsinn ließen sich aber nicht erzwingen. Warum reicht es nicht, weiter auf Freiwilligkeit zu setzen?
Die Fragen der konkreten Ausgestaltung eines solchen Dienstes – von der Dauer über die Bedingungen und den Einsatzbereichen bis hin zum zentralen Aspekt, ob er freiwillig oder verpflichtend sein sollte – müssen allesamt Gegenstand einer breiten, gesamtgesellschaftlichen Debatte sein. Ich halte diese Debatte für absolut notwendig für unsere Gesellschaft. Daher finde ich es ärgerlich, dass es Stimmen gibt, die den Diskurs verweigern mit der Behauptung, ein solcher Dienst sei prinzipiell nicht mit einer liberalen Gesellschaft vereinbar.
Ein Pflichtjahr hätte enorme Konsequenzen für die Lebensplanung der jungen Menschen im Land. Mit welchen Argumenten würden Sie sie dennoch für die Idee gewinnen?
"Es gibt bereits eine hohe Bereitschaft zu sozialem, gemeinnützigem Engagement. Das zeigen die fast 100.000 vorwiegend jungen Menschen, die sich derzeit in unserem Land engagieren – ohne gesetzliche Verpflichtung. Bei vielen jungen Leuten ist das Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit ähnlich stark ausgeprägt, wie der Wunsch nach individueller Freiheit und Selbstbestimmung. Ihre Gründe, sich zu engagieren, sind so vielfältig wie die Engagementformen – im Krankenhaus und im Kindergarten, im Pflegeheim und in der Politik. Viele wählen ihren Einsatzort mit Bedacht und entscheiden sich bewusst für einen mit ihrer geplanten Ausbildung oder ihrem künftigen Studienfach eng verbundenen Dienst. Wichtig ist, den Dienst möglichst attraktiv zu gestalten: Von einer zeitlich flexiblen und inhaltlich-thematisch breiten Ausgestaltung über eine ausreichende Vergütung der Dienstzeit bis hin zur Möglichkeit, sie beispielsweise als Praktikum im Rahmen von Ausbildung oder Studium anzurechnen, ist vieles vorstellbar."
Foto: KAS | www.marco-urban.de
"Der verpflichtende Freiwilligendienst ist paternalistisch"
Contra soziales Pflichtjahr: Gregor Podschun, BDKJ, im Kurz-Interview
Frei und willig? Von der Debatte um ein soziales Pflichtjahr
Sollten junge Menschen zu einem sozialen Dienstjahr verpflichtet werden? Gute Argumente finden sich auf beiden Seiten.
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