Ausgabe 3-2020 : Juli

Die Sache mit den Mückenstichen

„Woher kommst du?“ ist auf den ersten Blick eine unproblematische Frage. Sobald als zweite Frage jedoch ein „Aber woher kommst du denn wirklich?“ folgt, spricht sie der befragten Person ein ganz wichtiges Merkmal ab: dazuzugehören.

Viele Schwarze Menschen und People of Color leben seit Generationen in Deutschland, sind hier geboren und bezeichnen Deutschland als ihr Zuhause. Warum sollte man also automatisch annehmen, dass diese Personen aus einem anderen Land kommen? Auch Vorurteile wie „Na, wenn du daher kommst, kannst du aber bestimmt gut tanzen“ sind verallgemeinernd und sprechen Personen die eigene Identität ab. Vielleicht kann die Person einfach gut tanzen, weil sie jahrelang im Tanzunterricht trainiert hat. Diese Fragen und Aussagen zählt man zu den sogenannten Mikroaggressionen. Auch wenn sie zum Teil auf den ersten Blick ganz harmlos daherkommen, wirken sie auf bestimmte Menschen viel intensiver, als auf andere. Am besten man stellt sich das ganze wie Mückenstiche vor. Wird man ab und zu mal gestochen, ist das zwar nervig, aber auszuhalten. Wird man jedoch mehrmals täglich und immer wieder an der gleichen Stelle gestochen, wird das ganze schmerzhaft und ist bald nicht mehr auszuhalten. Vor allem dann, wenn klar wird, dass die Ursache dafür lediglich die eigene Erscheinung durch Hautfarbe, Haarfarbe oder Sprache ist.

Rassismus muss nicht zwangsläufig auf einer bösen Absicht beruhen. Leider ist Rassismus bereits in der Struktur unserer Gesellschaft verankert und oft überhaupt nicht sichtbar. Über Rassismus zu sprechen kann vor allem für betroffene Personen schmerzhaft sein. Aber auch für weiße Menschen ist die Auseinandersetzung mit diesem Thema oft sehr unangenehm. Schließlich möchte man ja eigentlich niemandem etwas Böses. Trotzdem sollte man sich damit auseinandersetzen. Rassistische Anschläge wie beispielsweise in Hanau und das Erstarken der AfD zeigen deutlich, dass Rassismus in Deutschland immer noch nicht der Vergangenheit angehört. In der ganzen Debatte kann es aber manchmal ganz schön drunter und drüber gehen. Die verwendeten Begriffe ändern sich häufig und oft sind es Fremdwörter, die so kompliziert klingen, dass man manchmal kaum weiß, was sie bedeuten. Daher hier ein kleiner Einblick in verschiedene Begriffe und ihre Bedeutung.

Rassismus

Rassismus ist ein Prozess, in dem Menschen aufgrund vermeintlicher körperlicher oder kultureller Merkmale (z.B. Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Religion) als eine homogene Gruppe angenommen werden und dadurch abgewertet und ausgegrenzt werden. Mehr noch als Anfeindungen oder Beleidigungen einzelner Personen ist Rassismus ein strukturelles System, das sich vor allem auch in Institutionen und Gesetzen wiederfindet. Daher können weiße Menschen zwar diskrimiert werden, aber keine Rassismuserfahrungen machen.

Postkolonialismus

Postkolonialismus besagt, dass es bis heute Nachwirkungen und ähnliche Strukturen wie im Kolonialismus gibt. Beispiele hierfür sind die Ausbeutung wirtschaftlicher Ressourcen außerhalb der westlichen Welt, ungerechte Handelsverträge oder Kriege aufgrund willkürlicher Grenzziehungen aus der Kolonialzeit.

Schwarz und schwarz

Schwarz mit großem S geschrieben ist eine politische Selbstbezeichnung. Sie bezieht sich nicht auf biologische Gemeinsamkeiten wie die Hautfarbe, sondern bezeichnet Menschen, afrikanischer und afro-diasporischer Herkunft, die Rassismuserfahrungen teilen. Schwarz mit kleinem s wird als Adjektiv zur Beschreibung der Farbe verwendet.

People of Color

People of Color ist ebenfalls eine politische Selbstbezeichnung und bezieht sich auf all diejenigen Menschen, die aufgrund der äußeren Erscheinung oder der Sprache als „Andere“ kategorisiert werden, zum Beispiel auch Menschen mit asiatischer, arabischer, lateinamerikanischer oder indigener Herkunft. Diese Menschen können unterschiedliche Hintergründe und Herkünfte haben, teilen jedoch die Gemeinsamkeit, ebenfalls Rassismuserfahrungen durch die weiße Dominanzkultur zu machen.

Weiß

Weiß kursiv geschrieben bedeutet auch hier nicht unbedingt eine bestimmte Hautfarbe, sondern die Positionierung und soziale Zuschreibung als weiß in unserer Gesellschaft. Sie ist verbunden mit Privilegien, die nicht-weiße Menschen nicht haben.

Privilegien

Privilegien werden die Vorteile genannt, die Personen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Positionierung genießen. So zum Beispiel das Privileg als „normal“ angenommen zu werden, weil man weiß, deutsch, eindeutig männlich/weiblich und gesund ist und zum Beispiel bei der Wohnungssuche nicht mit stereotypen Zuschreibungen oder Diskriminierungen rechnen muss. Ein Privileg ist es auch, sich nicht mit Rassismus auseinandersetzen zu müssen.

Was kann man als weiße Person tun?

  • Sich informieren, weiterbilden und vor allem betroffenen Personen zuhören.
  • Sich selbst und die eigenen Privilegien hinterfragen.
  • Betroffenen Personen eine Stimme geben oder Ressourcen umverteilen, wie zum Beispiel an Organisationen und Vereine spenden, die sich aktiv für Antirassismusarbeit einsetzen. Am besten natürlich an Personen, die selbst von Rassismus betroffen sind.
  • Sich positionieren auch gegenüber nahestehenden Personen, wenn diese sich rassistisch verhalten (z.B. rassistische Witze).
  • Wird man selbst als rassistisch bezeichnet, tief durchatmen und die eigenen Handlungen überdenken anstatt direkt wütend zurückzuschießen.
  • Sich entschuldigen. Rassismus ist kein Problem einzelner Personen, sondern gesellschaftlich verankert. Alles richtig zu machen, ist also unmöglich. Wichtig ist es aber, Fehler anzuerkennen und es beim nächsten Mal besser zu machen.
  • Sich bewusst machen, dass es beim Kampf gegen Rassismus nicht um die Frage der Schuld, sondern um die der Verantwortung geht.

Auch bei den Einsätzen und Schulungen der Kolping Roadshow Integration wird immer wieder über Themen wie Vorbehalten gegenüber Geflüchteten gesprochen. Wenn also auch Ihr Interesse habt, Euch weiterzubilden und Tipps und Tricks zu bekommen, wie man auf solche Diskriminierungen und Anfeindungen aufmerksam machen kann, um betroffene Personen zu unterstützen, dann ladet gerne das Infomobil zu Euch ein.


Quellen: „exit RACISM“ von Tupoka Ogette, „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen“ von Alice Hasters, das Glossar des Information- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. und DIE ZEIT.

Kontakt

Ihr möchtet das Infomobil für eine Veranstaltung buchen? Dann meldet Euch bei:

Desirée Rudolf

Telefon: (0221) 2070 1-143

E-Mail: desiree.rudolf(at)kolping.de

Text: Judith Valceschini und Anwar Abdulkader

Dieses Projekt wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds kofinanziert.