Schulabsolventinnen und -absolventen, die ihren Abschluss unter Ausnahmebedingungen erbrachten, haben erleben müssen, dass auch die Vermittlung an Ausbildungsbetriebe eingeschränkt war, da kaum Ausbildungsmessen, Praktika oder persönliche Gespräche stattfinden konnten.
Dementsprechend fielen die Ausbildungszahlen aus. Im vergangenen Jahr gab es 50.700 Ausbildungsplätze weniger als 2019 (-8,8 Prozent). Die Anzahl der Jugendlichen, die keinen Ausbildungsbetrieb fanden, stieg um massive 19,7 Prozent an: von 4.800 auf 29.300.
Eigentlich sind es 29.349 junge Menschen ohne Ausbildungsmöglichkeit. Und hier geht es mir jetzt nicht um die Genauigkeit eines Soziologen, sondern darum, dass jeder einzelne junge Mensch zählt. Diese Zahl ist unglaublich für eine hochentwickelte Wirtschaft! Betrachtet man deshalb genauer, wo die Ausbildungsangebote wegbrechen, dann stellt man fest: Es sind die kleinen Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitenden. Viele bilden nicht mehr aus, obwohl sie sich große Sorgen um ihren Fachkräftenachwuchs machen. Woran liegt das?
Jahrelang haben wir aus Wirtschaft und Politik gehört, dass mehr Studierende gebraucht werden. Der Fokus lag deshalb auf Bewerberinnen und Bewerbern mit immer höheren Schulabschlüssen; Jugendliche mit Hauptschul- oder Realschulabschluss gerieten aus dem Blick. Parallel dazu stiegen die bürokratischen Vorgaben, die es häufig gerade den kleinen Betrieben unmöglich machen, auf Unterstützungsmöglichkeiten zurückzugreifen. Die Forderung lautet deshalb: Wirtschaft und Politik müssen praktikable Perspektiven für junge Menschen und kleine Betriebe schaffen. Ein Beispiel: Als berufsrelevante Kompetenzen könnten neben den Schulnoten viel stärker praktische Fähigkeiten zählen. Dafür gibt es bereits Verfahren (zum Beispiel ValiKom), sie sind aber bisher noch nicht bundesweit einheitlich und anerkannt.
Jeder Mensch verdient eine Chance seinen Weg zu finden. Und die hohen Zahlen an jungen Menschen ohne Ausbildungsmöglichkeit zeigen, dass dafür immer noch viel zu wenig unternommen wird. Kolping wendet sich mit seinen Bildungsunternehmen und mit dem Angebot des Jugendwohnens gerade an diese jungen Menschen, um sie für eine berufliche Perspektive fit zu machen. Sicherlich wird nach der Pandemie die Zahl der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber sinken. Sicher ist allerdings schon jetzt: Es werden immer noch viel zu viele sein.
Foto: Barbara Bechtloff
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