Ausgabe 1-2023 : Februar

Der Traum einer gerechten Gesellschaft

Stell Dir vor, Du erhältst jeden Monat – ohne jeglichen Nachweis oder Gegenleistung – eine Summe auf Dein Konto, die ausreichend hoch ist, dass Du damit Deine Wohnung und Dein Essen bezahlen kannst und immer noch genug übrighast, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Klingt ziemlich verlockend, oder? Genau das ist die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE).

Was auf den ersten Blick ziemlich einfach klingt, ist in Wahrheit ziemlich komplex. Aber ist es deshalb auch unmöglich? Ist die Idee zu gut, um wirklich funktionieren zu können? Eine der wichtigsten Fragen zum BGE ist die der Finanzierung. Klar ist, dass der Staat dafür sehr viel Geld aufbringen müsste: Schätzungen zufolge wären pro Jahr etwa eine Billion Euro notwendig, bei einem BGE von rund 1.000 Euro. Generell nehmen Expert*innen jedoch an, dass es sich finanzieren ließe, es sei eher eine Frage der Umverteilung. Modelle dazu gibt es viele, die z. B. eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder der Einkommenssteuer vorschlagen.

Gemeinsam ist allen Modellen, dass das BGE alle Menschen gleichermaßen bekämen, ohne jegliche Form der Bedürftigkeitsprüfung. Kann das gerecht sein? Ich denke schon. Zum einen, weil sich das BGE durch höhere Steuersätze bei Vermögenden wieder verrechnen würde. Zum anderen, weil wir wegkämen von einem Konzept der Sozialleistung, das durch die Prüfung und den Nachweis von Bedürftigkeit die Grundlage für paternalistisches Handeln und Stigmatisierung in der Gesellschaft schafft.

"(...) weil wir wegkämen von einem Konzept der Sozialleistung, das durch die Prüfung und den Nachweis von Bedürftigkeit die Grundlage für paternalistisches Handeln und Stigmatisierung in der Gesellschaft schafft."
Larissa Florysiak

Natürlich bedeutet Solidarität auch, dass ich zwar das Anrecht habe, etwas vom Staat und von der Gesellschaft zu bekommen, damit aber auch die Pflicht verbunden ist, Verantwortung zu übernehmen und mich einzubringen. Die Frage aber lautet: Findet Verantwortung für die Gesellschaft nur im Rahmen von Erwerbsarbeit statt? Kolping setzt sich mit dem "EFG-Modell" seit Jahren dafür ein, Erwerbsarbeit, Familienarbeit und Gesellschaftsarbeit als gleichwertig anzuerkennen.

Es gibt keine klare Antwort auf die Frage, wie das BGE unsere Gesellschaft verändern würde. Aber es lässt uns darüber in den Austausch kommen, was uns für eine solidarische Gemeinschaft wichtig ist. Und genau das macht die Diskussion so spannend!

larissa.florysiak(at)kolping.de


Foto: Ibrahim Boran/Unsplash

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